Sonntag, April 25, 2010

"Nationalreligiös : Haredi" - Ein Wechselbad der Gefühle


Haredim 

Photo: Israelity

B"H

Am Erev Shabbat (Freitag abend) war ich in Mea Shearim (einer der ultra - orthodoxen Stadtteile Jerusalems) eingeladen. Eines von so mehreren Ehepaaren, die ich dort kenne, lädt am Schabbat gleich mehrere Gäste ein. Fast alle aus der haredischen (ultra - orthodoxen) Welt. Yeshivastudenten, Seminargirls oder es schauen Nachbarn oder Bekannte vorbei.

Wie bei sovielen Familien in dem Stadtteil ist es üblich, dass sobald Gäste im Haus sind, Männlein und Weiblein in zwei getrennten Räumen sitzen. Wenn der Familienvater Kiddusch (Segen über den Wein) macht, dann hören die Frauen gewöhnlich nur den Segen, sehen ihn aber nicht.

Im Hause des Rebben der Chassidut Toldot Aharon wird das, meines Wissens nach, am strengsten gehandhabt, denn dort sind beide Räume nur durch ein kleines Fenster in der Wand miteinander verbunden.

Da vorgestern fast dreissig männliche Besucher (meist aus Yeshivot in der Nachbarschaft wie Brisk) eintrudelten und die Weiblichkeit in der Minderzahl war, wechselten wir Räume, denn bis zu dem Zeitpunkt vereinnahmten die Frauen den größeren Raum. Wir mussten alle in die Küche, damit die Männer in unseren Raum wechseln und wir danach in den ihren.

Auf weiblicher Seite waren wir vier Israelis, eine Amerikanerin, die Gastgeberin, ihre Tochter und ein paar der Enkelkinder. Mittendrin strömten sieben nationalrelig. Mädchen aus einer nationalrelig. Schule herein. Alle von ihnen im Alter von ca. 17 - 18 Jahren, doch noch nicht im Scherut Leumit (Zivildienst für nationalrelig. Frauen, die nicht zur Armee gehen). Wir waren am Essen als die Diskussion so richtig begann. Die Nationalrelig, sind bekannt für ihre Antipathie, wenn es um die haredische Gesellschaft geht. Sobald sie auf einen Haredi treffen, beginnt die Endlosdiskussion und die Dati'im Leumim wollen den Haredi von ihrer Sichtweise überzeugen. Und so auch am Freitag abend.

Bei Haredim sei alles immer so komisch, begannen die Mädels. 
Unsere Gastgeberin weiss um die Mentalität der Nationalrelig. und fragte zurück: 
"Wieso denn das ? Was ist denn hier komisch ?"
"Na, bei Euch sitzen alle immer getrennt. Das ist doch doof".
"Das ist halt so die Sitte unserer Familie. Bei uns hängt Männlein und Weiblein nicht einfach so zusammen, wenn wir Gäste haben.
Alle immer zusammen und so. Wir sind ja keine Tiere".



Nationalreligiöse 

Photo: Life


Nun muss man die (einmalige) Mentalität unserer Gastgeberin kennen und es fällt mir ausgesprochen schwer, diese zu beschreiben. Manchmal etwas flappsig, doch immer auf den Punkt, denn sie hat es mit der Tradition.

Die Aussage jedenfalls brachte die Nationalrelig. in Rage. Sie seien auch keine Tiere und in ihrer Gesellschaft gehe es auch gesittet zu. Nur eben nicht so.

"Findest Du Dein Leben gut ?" fragten sie die Gastgeberin.
"Was hat das jetzt mit meinem Leben zu tun ? Ich bin zufrieden und meine Kinder sind es auch !"
"Glaubst Du nicht, dass Du Deinen Kindern niemals die Chance gegeben hast, ihr eigenes Leben zu bestimmen ? Vielleicht wollen die ja gar nicht so sein wie Du, sondern offener ?" legten die Nationalrelig. los.
"Meine Kinder sind aber zufrieden und wollen gar nichts anderes. Im Gegenteil sie erlegten sich noch mehr eigene Gesetze (Chumrot) auf als ich mir".

Dann ging die Diskutiererei mit einer der anwesenden haredischen Frauen los: 
"Es muss ja wohl jeder seinen Weg selber finden, so die Nationalrelig. Und bei Euch ist ja die Suche noch nicht einmal erlaubt".
"Tz, tz, ich habe meinen Weg gesucht und gefunden".
"Du vielleicht, andere nicht".

Es gab Momente, bei denen ich dachte, dass die Nationalrelig. das Handtuch schmeissen und gehen. Taten sie aber nicht, denn die Gastgeberin ging auf sie ein. Plötzlich gaben nämlich zwei der nationalrelig. Israelinnen zu, selber chassidische Verwandte bei Gur und Sadigura zu haben. Am Ende war die Gastgeberin mit diesen zwei Mädels gut Freund, mit dem Rest weniger. 
Wie schnell sich aber die Atmosphäre ändern kann ist unglaublich.

Auf alle Fälle war es kein langweiliger abend !

2 Kommentare:

  1. wie hat mir mal (m)ein nationalreligioeser rabbiner gesagt: batlanim gibt es bei uns wie bei den charedim. der unterschied ist nur der, dass die mehrheit bei unseren batlanim sich mit sachen des klall beschaeftig (demonstrationen fuer eretz israel, usw.) waehred aus den charedischen batlanim eher shababnikim werden welche sich nur um sich selbst sorgen.

    wohl gemerkt, das war vor ca. 20 jahren, dass er das gesagt hat.

    seit dem hat sich in der charedischen gesellschaft schon viel getan. zb, dass die "pachot mazlichim" unter den "heimischen yiden" einen beruf lernen duerfen und nicht wie frueher einfach in yeshiwishe rahmen eingeschrieben wurden und einmal pro tag eine predigt bekamen wie wichtig es doch sei sich nur mit torah zu befassen und g'tt behuehte nicht in die chiloinische arbeitswelt eindringen.
    man soll doch an die eigenen familienmitglieder denken, was koennte passieren wenn jemand merkt, dass der sohn einen beruf lernt anstatt in der yeshiwe zu sitzen. alle "guten und balla batsichen" shiduchim waehren deswegen abzuscheiben.

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  2. B"H

    Bei den Litvaks arbeiten viele und sie haben ihre eigenen "Hochschulen". Bei den Chassidim, und ich meine die extremeren, kommt es drauf an. Man will ja einen tollen Schidduch mit einem Maedchen aus einer guten Family. Und die ihrerseits will einen Bochur, der lernt und nicht arbeitet. Wer also arbeitet, dem sinken die Schidduchchancen. Sprich, die Frau ist weniger wohlhabend usw.

    Allerdings aendert sich auch hier das Bild so allmaehlich und viele Chassidim extremerer Gruppen arbeiten innerhalb der Gemeinde.

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