B"H
An diesem Freitag ist, laut Rabban Gamliel im Talmud Traktat Ta’anit 26b, neben dem Yom Kippur (Versöhnungstag) einer der freudenreichsten Tage im Judentum: Der Tu be’Av oder genauer gesagt – der 15. Tag im Monat Av.
War der Tisha be’Av (9. Av) an diesem Sonntag noch ein Trauer – und Fastentag, so steht der Tu be’Av im gegenteiligen Sinne der Freude. Wir lernen aus dem Talmud, dass zu Tempelzeiten junge unverheiratete Frauen und Männer in die Felder gingen und sich offenbar dort fanden und nachher ggf. heirateten. Die weiblichen Kandidaten trugen alle weisse Kleidung und es war ihnen an dem Tag nicht anzusehen, ob sie nun aus einer wohlhabenden oder armen Familie stammten. Alle sahen von Weitem irgendwie gleich aus und Sinn und Zweck war es, dass ein Mann sich seine Zukünftige nicht nur allein nach ihrem gesellschaftlichem Status aussucht, sondern nach Sympathie.
Ob das wirklich so erfolgreich gelang, bezweifele ich manchmal, denn nicht nur allein die Kleidung drückt einen Status aus. Unter anderem kann es genau so die Sprache sein oder allein das Verhalten.
Die Frage aber ist, ob dieselbe Prozedur heutzutage vorstellbar oder eher undenkbar erscheint.
Realistisch zumindest klingt die talmudische Prozedur des Tu be’Av heute nicht, denn damals wie heute finden sich selbst hochrelig. zukünftige Ehepaare nicht im Feld, sondern allein der Verlobung gehen hochkomplizierte Auswahlverfahren voraus. Der Sohn von einem Superrabbi oder die Tochter eines Gelehrten heiraten auch heute nicht unbedingt einen kleinen Thoraschüler bzw. eine Tochter aus einfachem Hause.
Egal, ob in haredischen (ultra – orthodoxen) oder in nationalrelig. Kreisen, die jungen ledigen Heiratswilligen schalten meistens einen sogenannten SCHADCHAN (eine Frau wird SCHADCHANIT genannt) ein. Heiratsvermittler, die sich professionell auf die Anbahnungssuche machen soll. Neben dem Verfahren besteht natürlich auch die Mundpropaganda (a la man kenne da jemanden, der vielleicht in Frage käme). Oder in ganz extremen Ultra – Kreisen suchen die Eltern die Kandidaten aus. Teilweise werden auch Rabbiner zu Rate gezogen, ob sie nicht einen Kandidaten kennen bzw. empfehlen können.
Heute ist es eher unwahrscheinlich, dass die Tochter oder der Sohn eines angesehenen Rabbiners einen Ehepartner auswählen, der, zum Beispiel, aus einer Konvertitenfamilie stammt. Normalerweise heiraten Kinder aus Rabbiner - oder gar chassidischen Rebbefamilie fast ausschliesslich ihresgleichen oder zumindest die Kinder aus anderweitigen hoch angesehenen Rabbinerfamilien. Demnach würde man sich heutzutage nicht im Feld oder an einem Weinberg treffen, sondern den üblichen Eheanbahnungsmethoden folgen. Allgemein gesprochen heiraten in hoch relig. Kreisen sephardische Juden andere sephardische Juden, Aschkenazim heiraten Aschkenazim, Behinderte erhalten meistens Kandidaten mit einer Behinderung, Geschiedenen werden anderweitige Geschiedene oder Verwitwete vorgestellt und und und.
Das relig. Eheanbahnungssystem erscheint selbst mir nicht selten rassistisch, aber wer diesen Weg geht, der wird um all die Regel kaum herumkommen. Wem das alles nicht passt und zu doof erscheint, der muss sich halt eine andere Methode suchen und das wird kaum einfacher sein.
Trotzdem sollte sich deswegen niemand den Tu be’Av vermiesen lassen, denn es gibt genug Freuden im Leben und nicht nur die Ehe.:-)
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen