B”H
Die Thoralesung für diesen Schabbat
Bei der Thoraparashat Ki Tisa, meinen viele leider immer nur, es gehe nur um das Goldene Kalb (Egel HaZahav). Bei genauem Hinschauen jedoch stellen wir fest, dass dort viele weitere wichtige Mitzwot (Gesetze) gegeben werden. Konzentrieren wir uns daher nicht nur auf das Goldene Kalb, sondern schauen wir uns die Parasha etwas genauer an.
Eine Anmerkung vorweg: Die Thora hält sich erneut nicht an die chronologische Reihenfolge (siehe Talmud Traktat Pesachim 6b). Die Abgabe des halben Schekels sowie weitere Ereignisse in Ki Tisa fanden erst nach dem Goldenen Kalb statt und nicht vorher.
G - tt beauftragt Moshe eine Volkszählung unter den Juden durchzuführen. Jeder, der älter ist als zwanzig Jahre, muss einen halben Schekel geben. Dieser Schekel ist nicht wörtlich als Währung zu verstehen, sondern als Gewichtseinheit. Später wurden diese halben Schekel gezählt und somit die genaue Anzahl der Juden ermittelt. Aus dieser Mitzwah lernen wir, dass es verboten ist, Juden auf normalem Wege zu zählen, sondern nur anhand von individuell abgegebenen Gegenständen. Ein praktisches Beispiel hierfür kann ich aus Mea Shearim geben. Eine befreundete chassidische Familie hat insgesamt zwölf Kinder. Fragt man sie jedoch nach der Anzahl ihrer Kinder so bekommt man zur Antwort, dass Juden nicht gezählt werden dürfen.
Rabbi Samson Raphael Hirsch gibt zur gemeinsamen Abgabe in der Wüste eine philosophischere Erklärung: Aufgrund des halben Schekels hatten die Jude ein gemeinsames Ziel. Sobald eine Nation ein gemeinsames Ziel verfolgt, wird aus jedem einzelnen Individuum ein Ganzes (die Nation). In dem Moment, in dem ein Jude aufgrund von G - ttes Anweisung gezählt wird, wächst in ihm der Stolz dem jüdischen Volk anzugehören.
Rabbi Yehudah HaLevi sieht in seinem Buch "The Kuzari" dieses als Beweis dafür, dass Juden vorzugsweise in der Anwesenheit einer Minyan (zehn jüd. Maenner) beten sollen. Etwas Gemeinsames sei immer besser als daheim im stillen Kämmerlein zu sitzen.
Weiterhin sollten die Mitzwot nicht nur ausgeführt werden, sondern jeder sollte genauso einen inneren Bezug zu ihnen haben. Die innere Einstellung und Gedanken sind nicht weniger wichtig (Ner Israel – Chassidut Ruzhin).
G - tt beauftragt Moshe ebenso ein kupfernes Kiyor (Wasserbecken) zu bauen. In diesem Kiyor sollen sich die Cohanim (Tempelpriester und zur damaligen Zeit Aharons Söhne) Hände und Füsse waschen, bevor sie ihren Dienst beginnen. Der berühmte Thorakommentator Ohr HaChaim versteht dies so, dass Hände und Füsse gleichzeitg gewaschen werden müssen. Der Cohen (Tempelpriester) plaziert seine rechte Hand auf seinen rechten Fuss und danach seine linke Hand auf seinen linken Fuß (siehe dazu Rashi zum Talmud Traktat Zevachim 19b). Dieser Vorgang symbolisiert, dass der untere Teil des Körpers gemeinsam mit dem oberen gleichzeitg geheiligt (gereinigt) wird.
Nach der Zerstörung der beiden Tempel haben wir die Aufgabe, unser Zuhause in einen "Tempel" zu verwandeln. Schon immer wuschen Juden vor dem Essen ihre Hände genauso wie die Cohanim (Tempelpriester) vor ihrem Dienst. Deshalb fahren wir fort mit dem Netillat Yadaim, dem Händewaschen, bevor wir Brot essen und verwandeln so unseren Essenstisch in einen "Altar".
In vielen Geschichtsbüchern lesen wir, dass aufgrund unserer Reinheitsgebote die Juden im Mittelalter viel weniger von der Pest oder sonstigen ansteckenden Krankheiten befallen wurden, was aber andererseits den Verdacht der nichtjüdischen Bevölkerung erregte, dass die Juden irgendwelche Magien betreiben. Dieses wiederum führte zu ständigen Pogromen (siehe Buch von Rabbi Joshua Trachtenberg "Jewish Magic and Superstition – A study in folk and religion).
Nachdem die Juden am Berg Sinai die Thora bekommen hatten, sollte ihr Leben ganz anders ausschauen. Sie befanden sich auf einem für uns heute unvorstellbaren spirituellen Level (u.a. der derzeitige Rebbe der Chassidut Slonim in Jerusalem, Rabbi Shmuel Bozorowsky) und sollten unsterblich werden. Sie hatten eine zusätzliche Seele, die Neshama Yeterah. Einen kleinen Einblick darin bekommen wir heute an jedem Schabbat, wenn wir eine zusätzliche Seele bekommen. Vor dem Goldenen Kalb hatten die Juden täglich diese zweite Seele. (siehe u.a. Likutei Reuveni und Sefat Emet).
Unzählige Kommentatoren geben der sogenannten EREV RAV die Schuld am Bau des Goldenen Kalbes. Diese Erev Rav war eine Bevölkerungsgruppe, die sich aus ägyptischen Konvertiten zum Judentum zusammensetzte. Die Konvertiten waren aus egoistischen Gründen zum Judentum konvertiert und ebenso Reinkarnationen der Generation der Flut, des Turmes zu Bavel und der Leute von Sodom (Rabbi Yitzchak Luria – Arizal).
Nachdem die Juden wegen einer Fehlkalkulation Moshe einen Tag früher zurückerwarteten, stachelten diese Erev Rav die Juden an, das Goldene Kalb zu bauen. Chur wollte die davon abhalten, doch er wurde ermordet. Danach kamen die Leute zu Aharon, der einwilligte.
Es gibt viele Kommentare, die sich mit der Einwilligung Aharons beschäftigen. Realistisch wäre, dass er Angst hatte, auch er könne umgebracht wird und Moshe eh bald vom Berg Sinai zurückkommt. Rabbi Yitzchak Luria (der Arizal) hat einen langen Kommentar zu dem Thema und lehrt, dass diverse Reinkarnationen in Aharon und Chur eine grosse Rolle spielten und Aharon deswegen in den Bau eines Kalbes einwilligte.
Das kabbalistische Buch Zohar beschreibt ganz ausführlich, wie genau der Bau des Kalbes von statten ging. Gold wurde eingesammelt und zusammengeschmolzen. Die Erev Rav nutzten diverse magische Kräfte, um dieses Kalb zu erschaffen. Später wurde dem Kalb ein Zettel mit einem der Namen G - ttes in den Mund geschoben und es begann zu sprechen.
Moshe wurde von G - tt zurückgeschickt und war geschockt über das Vorgehen der Leute im Lager. Im Talmud Traktat Avodah Zarah 44a lesen wir, dass Moshe das Kalb pulverisierte und den Staub in alle Winde verstreute. Zur Strafe wurde die Israeliten, die am Goldenen Kalb teilgenommen hatten auf dreierlei Arten bestraft. Die Levi'im (Leviten) und die Frauen nahmen übrigens nicht an dem Bau teil. Der chassidische Kommentator Shem MiShmuel sagt, dass das Mischkan (Tabernakel) als ein Tikun (Seelenreparatur) für das Goldene Kalb diente.
Das Ereignis mit dem Goldenen Kalb war ein Disaster für die Juden damals und auch für uns heute. Hätten sie es damals nicht gebaut, würde die Welt heute ganz anders aussehen. Kabbalistische Kommentatoren vergleichen das Kalb mit dem Turm von Bavel und dem Vergehen von Adam und Eva (Chava) im Paradies. Das Buch Megaleh Amukot sieht das Goldene Kalb als Grund für die Zerstörung des Zweiten Tempels.
Es ist ein Ding der Unmöglichkeit, alle Meinungen über den Bau, die Anbetung und die Folgen des Goldenen Kalbes aufzulisten und zu analysieren. Die Kommentare reichen von "Ja, die Juden leisteten Götzendienst" bis hin zu "nur die Erev Rav war involviert" oder "die Juden suchten nur einen neuen Anführer, da sie glaubten, Moshe sei ihnen abhandengekommen (siehe Rabbi Simcha Bunim von Peshis'cha)".
Und was bleibt uns heute nach dem Vorgang mit dem Goldenen Kalb ?
Wir sollten daraus lernen, dass jeder Mensch einen freien Zugang zu G - tt hat und keine Stellvertreter geschweige denn ein Medium braucht. Wir können uns keinen G - tt als Statue bauen, sondern sollten lernen zu akzeptieren, dass G - tt für uns nicht sichtbar und außerhalb jeder menschlichen Vorstellungskraft liegt. In der Kabbalah wird G - tt Ein Sof genannt; ein G - tt ohne jeden Beginn und ohne jedes Ende. Er existierte schon immer und wird dies immer tun. Seine Handlungen sind unbegrenzt und uneingeschränkt.
Wir können es heute nur besser machen, indem wir zu dem EINEN G - tt beten und nicht unseren negativen Gedanken folgen. Der derzeitige Rebbe der Chassidut Slonim in Jerusalem, Rabbi Shmuel Bozorowsky, nennt in seinem Kommentar einen ganz wichtigen Punkt. Obwohl die Juden das Goldene Kalb bauten, machten sie hinterher Teshuva und kehrten zu G – tt zurück. Der Teshuva – Aspekt sei hier immens wichtig und wir sehen, dass Teshuva fast immer möglich ist.
Schabbat Schalom