Sonntag, August 03, 2008

Das "Heritage House"

B"H

Der berühmte Rabbi Akiva sagte einmal zu seinen Anhängern, dass er alles, was er bezüglich des Judentums lernte, er seiner Frau Rachel zu verdanken hat. "Meine Thora ist ihre Thora", so seine Worte. Ich kann genau die gleiche Behauptung aufstellen. Nicht aufgrund eines Ehepartners, doch aufgrund des Jerusalemer Heritage Houses.

Das erste Mal hörte ich bei einem Schabbatessen in der Altstadt vom Heritage House. Jemand empfahl es mir, denn er hörte mich sagen, dass ich in einem Hostel im arabischen Teil der Altstadt übernachte. "Arabisches Hostel ? Nee, komm mal lieber ins Heritage House. Erstens ist es umsonst und zweitens bieten die tolle relig. Seminare an".

Grundsätzlich war es genau das, was ich eigentlich suchte. Ich war neu in Jerusalem und suchte eine Yeshiva (relig. Schule) oder eine andere relig. Einrichtung, welche Kurse anbietet. Nachdem ich in Jerusalem ankam, endete ich jedoch zuerst einmal in der Arabischen Altstadt, denn dort war es billig und der orientalische Touch machte Eindruck. So übrigens ergeht es den meisten Touristen. Das arabische Hostel "Al Arab" steht nahe am Damaskustor, doch noch innerhalb der Altstadt selbst. Ich erinnere mich noch, dass es damals ausgesprochen dreckig war und die Bettlaken erst auf Anfrage gewechselt wurden. All das ist irgendwie noch erträglich, doch als Jude sucht man etwas anderes, besonders am Schabbat. Und als ich dann am Schabbat an der Kotel (Klagemauer) stand, sehnte ich mich nach etwas Jüdischem. Ohne Probleme bekam ich einen Platz bei einer Familie zum Schabbatessen. Der Ex – Chicagoer Jeff Seidel ist bekannt für seine Schabbat Placements an der Kotel.

Heutzutage ist es geradezu in Mode gekommen, im Internet alles negativ zu beschreiben: "Vorsicht ! Einige jüdische Institutionen in der Jüdischen Altstadt versuchen Euch einzufangen und dann folgt die große Gehirnwäsche !"
So lauten die berühmten Kritiken im Internet.
Ich kenne das Jüdische Viertel seit Jahren und meiner Erfahrung zufolge ist dem nicht immer so. Das was stattfindet ist, dass manchmal Religiöse auf jemanden zukommen und ihm ebenso relig. Programme anbieten. Wenn man etwas suche, dann solle man doch da oder dort hingehen. Dies kann man nicht gerade Brainwashing nennen. Eher wird einem zu etwas geraten und wer will, der kann hingehen und teilnehmen. Wer keine Lust hat, dem wird nichts aufgedrängt und er kann jederzeit sagen "Thank you very much and see you later". Jedem ist es freigestellt zu entscheiden und wer absagt, der ist trotzdem willkommen und wird mit Respekt behandelt. Für mich jedoch waren diese Angebote damals interessant, denn ich suchte Vorträge, um mehr Details über das Judentum zu lernen. Und nicht nur mir ergeht es so; Tausende anderer kommen jedes Jahr nach Jerusalem mit dem Ziel, mehr über ihre jüd. Wurzeln zu erfahren.

Das Heritage Hostel ein fast kostenloses Hostel. Eine Spende von 25 Schekeln (5 Euro) wird wochentags verlangt. Nicht direkt verlangt, denn wer will, der kann das Geld in eine Holzbox stecken. Wer kein Geld hat, kann trotzdem bleiben. Am Schabbat werden unter den gleichen Bedingungen 50 Schekel (10 Euro) verlangt.
Das Hostel besteht aus zwei voneinader getrennten Gebäuden; eines für Frauen und eines für Männer. Geleitet wird es von Rabbi Me'ir Schuster und seinem Team.

Wer einchecken will, der sollte zwei grundsätzliche Bedingungen erfüllen: Erstens ist das Hostel NUR für Juden gedacht (oder potentielle Konvertiten in einem ernsten orthodoxen Konversionsprogramm) und zweitens gibt es eine Altersgrenze, die sich bis auf ca. 35 Jahre beläuft. Wer älter ist und einen speziellen Grund hat zu kommen, der kann mit dem Management anderweitige Vereinbarungen treffen. Und Juden nur deswegen, weil das Heritage House eine bestimmte Ideologie verfolgt. Und zugegeben, im Heritage House mit Juden ist es wesentlich angenehmer als in anderen Hostels wie das "Petra", wo sich christliche Missionare und andere Idioten die Klinke in die Hand geben.

Beide Gebäude sind sauber und die Angestellten sind freundlich und hilfsbereit. Zu jeder Zeit ist es etwas ganz Besonderes im Gebäude der Frauen im Bett zu liegen und den Sonnenaufgang über der Klagemauer mitzuverfolgen.
Beide Hostels verfügen über eine koschere milchige Küche und geben jedem Gast freien Internetzugang. Wer zum Schabbat eincheckt, den erwartet freitags abends ein gemeinsames Kerzenanzünden sowie Schabbatessen bei verschiedenen Familien. Auf diese Weise lernte ich vor Jahren viele neue Leute kennen, mit denen ich bis heute in Verbindung stehe. Bis vor wenigen Jahren bot das Heritage House allabendlich tolle Schiurim (Vorträge) von unterschiedlichen Rabbinern an. Leider ist dem heute nicht mehr der Fall, denn aufgrund des arab. Terrors bleiben viele Touristen weg. Obwohl sich die Lage wieder etwas erholt, fehlen manchmal doch die Touristen und es gibt nicht genügend Teilnehmer am Schiur. Dabei sollte jeder einmal in Israel gewesen sein – besonders die Juden.

Der Grund, warum einige zögern, sih im Heritage House einzuquartieren ist der Curfew. Das Hostel ist tagsüber geschlossen (von 9.00 – 17.00 Uhr). Im Winter und am Schabbat gelten andere Zeiten, die auf der Website einzusehen sind. Wochentags ist das Hostel von 17.00 – 24.00 Uhr geöffnet.

Trotz des Curfews ist es dennoch fast ein Wunder, dass solch ein Hostel überhaupt existiert. Der Gründer und Leiter, Rabbi Me'ir Schuster, stammt ursprünglich aus Milwaukee (Wisconsin). Er lernte auf einer Yeshiva und zog im Jahre 1968 nach Israel. Als ich ihn fragte, was ihm denn die Idee gab, soetwas wie das Heritage House aufzubauen, sagte er, dass als er nach Jerusalem zog, viele Leute sah, die keine Unterkunft fanden. Das war der Auslöser. Seit 1972 ist er regelmäßig vor der Klagemauer anzutreffen, um Juden einen Platz am Schabbat zu verschaffen. Zuerst tat er dies bei Familien, heute übernachtet man im Heritage House und ißt bei Familien.


Rabbi Me'ir Schuster


Im Jahre 1984 eröffnete das Frauenhostel und vier Jahre später das Männerhostel. Seither konnte das Heritage House Tausende von Gästen verzeichnen. Meist junge Juden jeglicher Herkunft. Viele nahmen an relig. Programmen teil, andere wieder nicht. Rabbi Schuster erklärt seine Ideologie, die da lautet, die Leute in die Yeshiva zu bekommen. Nun mag jeder Reformer, Säkulerer oder Internetkritiker denken, dass das ja wohl total übertrieben sei; Yeshiva jedoch bedeutet nicht alles. Wenn sich ein Gast des Heritage Houses entscheidet, an einem Programm teilzunehmen, hilft ihm dies schon seine jüdischen Wurzeln besser kennen zulernen. In den USA sowie Großbritannien liegt die Anzahl der Ehen zwischen Juden und Nichtjuden bei ca. 50 %, und wer auch immer an den besagten relig. Programmen teilnimmt, der denkt hinterher sicherlich zweimal nach, ob er sich in einen nichtjüdischen Partner verlieben soll oder lieber nicht. Dies ist ein äußerst relevanter Punkt, in dem das Heritage House erfolgreich ist.

Auf Nachfrage empfiehlt das Heritage House unterschiedliche Kurse, Seminare oder Yeshivot. Von Aish HaTorah, Ohr Sameach, Machon Me'ir bi shin zu den Frauenyeshivot Neve Yerushalaim, Shearim oder Nishmat. Rabbi Schusters Ziel ist die Expansion, doch fehlt hierzu oftmals das nötige Kleingeld. Das Heritage House finanziert sich durch Spenden und wenn diese einmal nur langsam fließen, muß gespart werden. Immerhin wurden in acht israel. Städten weitere Programme unter dem Titel "Shorashim" eröffnet. Und wer über ein paar Millionen verfügt und nicht recht weiß, was er damit anstellen soll, der kann sich an das Heritage House wenden. Teilweise können nur so die Spezialprogramme an Rosh HaShana, Yom Kippur sowie Sukkot, aufrecht erhalten werden.

Das Heritage House im Internet:


In unserer Zeit hat der "Kiruv" eine besondere Bedeutung erlangt. Juden sollten immer an ihre Religion, ihr Erbe, ihre Geschichte und ihre Aufgabe in dieser Welt denken. Und jene, die dazu bisher keine Gelegenheit hatten, sollten sich zumindest bemühen, einige Inhalte zu lernen. Das eigene Judentum zu ergründen. Dies wiederum bedeutet nicht, dass ich nächste Woche als Haredi (Ultra – Orthod.) in Mea Shearim einziehe, sondern vielmehr eine gewisses Bewußtsein erlangen, was es heißt, Jude zu sein.

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