Samstag, März 15, 2008

Die Qual der Wahl

B"H

Vielleicht sollte ich die Erlebnisse dieses gerade ausgeklungenen Schabbates in mehrere Teile zerstückeln, denn soviel ist geschehen. Spezifische Sachen halte ich vorerst hintenan, nur um zu einem späteren Zeitpunkt näher auf sie einzugehen.

Das Wetter am gestrigen Erev Schabbat (Freitag Abend) war kühl und windig. Das mag vielleicht der Grund gewesen sein, warum abends weniger aussenstehende Tischbesucher unterwegs waren als gewöhnlich. Mit einer Freundin begann ich den Schabbat mit dem Abendgebet (Maariv) bei der chassidischen Gruppe Karlin - Stolin in Mea Shearim. Normalerweise sind dort am Freitag Abend nur ganz wenige Frauen auf der Frauenempore vorzufinden, doch als wir gestern eintraten, waren recht viele Frauen versammelt. Unten bei den Männern herrschte ein Andrang und die Betenden standen sogar im Mittelgang zwischen den Bänken. Mindestens 300 Chassidim, wenn nicht mehr.
Was war los ?
Der Rebbe der Karliner war anwesend und es war zugleich das erste Mal, dass wir ihn live sahen. Sein eigentliches chassidisches Zentrum hat er im nahegelegenen Givat Zeev und daher kommt er nur alle paar Monate einmal nach Jerusalem. An diesem Schabbat war es dann soweit und alles war vollständig versammelt.

Rebbe Baruch Yaakov Meir Schochet von Karlin-Stolin in Jerusalem



Nach dem Gebet wurde auf Jiddisch verkündet, dass der Rebbe einen Tisch gibt und als ich eine Frau nach Einzelheiten befragte, erzählte sie mir, dass der Tisch nur für die Männer sei. Als ich sagte, dass dies ja für die Frauen schade sei, meinte sie, dass im extra aufgebauten Zelt halt zu wenig Platz sei. Traurig darüber war sie jedenfalls nicht. Draußen sahen wir dann das Zelt und viele Chassidim gegenüber in die Satmarer Synagoge (gehört zu einem der zwei New Yorker Satmarer Rebben, zu Rebbe Zalman Leib Teitelbaum) rennen, nur um dort zu essen und dann wieder zum Tisch bei Karlin auf der Matte bzw. im Zelt zu stehen.
Auch wir machten uns zum Essen auf; nämlich bei Rabbi Mordechai Machlis im benachbarten Stadtteil Maalot Dafna.

In der Mea Shearim Street trafen wir auf einen haredischen Bekannten und nicht lange nachgedacht, sandte ich ihn hinein in die Synagoge der geheimen anti - zionistischen Gruppe "Mischkenot HaRoim". Diese chassidische Gruppe gleicht eher einer Organisation, welche von Rabbi Chaim Rabinovicz geleitet wird. Sie sind Mitglied der anti - zionistischen Dachorganisation "Edah HaCharedit" und geben sich geheimnisvoll. Seit längerem versuche ich dort Anschluss zu bekommen, doch immer erfolglos, weil es ein reiner Männerclub zu sein scheint. Scheint, aber nicht ist.

Die "Mischkenot HaRoim". In der Mitte sitzend mit weissem Schal: Rabbi Avraham Yitzchak Ullmann von der Chassidut Dushinsky



Unser Bekannter ging hinein, stellte sich jedoch bei seiner Fragerei etwas ungeschickt an. Das hat man dann davon, wenn man Männer losschickt, die kaum denken können. Ein Chassid der Mischkenot HaRoim schaute uns an und meinte, wir können kommen. Allerdings nur morgens zum Gebet. Super, dann weiss ich gleich, wo ich demnächst hingehen werde

Relativ spät (gegen 22.45 Uhr) kamen wir zurück nach Mea Shearim und ich war mir sicher, dass jetzt, eine Woche vor Purim, fast alle Rebben einen chassidischen Tisch geben werden. Selbst jene, die ansonsten in Bnei Brak bei Tel Aviv leben. Wer sich für Chassidut Gur interessiert, dem sei gesagt, dass der Gerer Rebbe das Purim - Fest in Jerusalem verbringen wird. Mit Tisch und allem, was dazu gehört.
Der Rebbe von Karlin - Stolin hingegen wird Purim in Givat Zeev verbringen. Natürlich wird bei Karlin in Jerusalem der G - ttesdienst stattfinden, doch allerdings ohne den Rebben.

Wir gingen die Hauptstrasse Mea Shearim Street und ich dachte mir, warum nicht bei den "Schomrei Emunim - Hüter des Glaubens" reinschauen. Und tatsächlich, dort fand ein Tisch statt. Der Rebbe war aus Bnei Brak angereist. Die "Schomrei Emunim" sind die erste Abspaltung der Toldot Aharon und werden von Rebbe Avraham Chaim Roth geleitet.
Bei ihnen herrscht immer einer Hauch des "Ursprünglichem". Rebbe Roth hält die Tradition seines Vaters vielseits aufrecht; im Gegensatz zu den Rebben der Toldot Aharon und Avraham Yitzchak, wo viele fremde Einflüsse von Satmar oder Vishnitz an der Tagesordnung sind. Auch die kleine Synagoge der Schomrei Emunim gehört zu meinen persönlichen Mea Shearim - Attraktionen.

Wir kamen verhältnismaessig früh an und Rebbe Roth hatte erst begonnen. Der Rebbe nimmt alles sehr ernst und lässt sich beim Kiddusch (Segnung des Weines) viel Zeit. Die Lieder der Chassidim gehören zu den besten in der chassidischen Welt. Zwar sind nur ca. 70 Leute anwesend, aber es herrscht eine begeisterte Atmosphäre.

Der Rebbe der "Schomrei Emunim": Rabbi Avraham Chaim Roth



Es war erst das zweite Mal, dass wir an diesem Tisch teilnahmen, doch wir waren restlos begeistert. Leider ist auf der Frauenempore nur wenig Platz vorhanden und man kann den Rebben und das Geschehen nur verfolgen, wenn man in einer bestimmten Richtung durch die Mechitzah (Trennwand) schaut. Und eben jene Mechitzah ist nur ca. 4 Meter lang und wenn riesen Andrang herrscht, hat man halt Pech. Wir hatten Glück und sahen alles. Jedenfalls solange, bis mehr Frauen eintrafen und wir so richtig zerquetscht wurden. Das war der Zeitpunkt, an dem wir uns verabschiedeten. Leider, denn ich wäre liebend gerne noch dort geblieben. Ich hoffe wirklich, dass kommenden Freitag dort wieder ein Tisch stattfindet.

Nächstes Ziel: Chassidut Toldot Aharon, wenige Meter entfernt.
Dort war kein ein Durchkommen. Mehrere Hundert Frauen belagerten die Frauenempore und wir hatten Null Chancen, einen Platz zu finden, geschweige denn etwas zu sehen. Einmal durch die beiden Räume auf der Empore gelaufen und schnell den Hinterausgang genommen.

Nächstes Ziel: Die zweite Abspaltung der Toldot Aharon - die Chassidut Avraham Yitzchak.

Und hier beginnt der zweite Teil unserer Erlebnisse, welchen ich morgen in den Blog stellen werde. Die Ereignisse, welche uns dort erwarteten, sind einen eigenen Artikel wert.

Auf meinem chassidischen Blog stelle ich derzeit einen chassidischen Tisch - Guide auf. Bisher berichtete ich von den Belzer Chassidim sowie von der Chassidut Dushinsky. Morgen stelle ich die Chassidim von Slonim ein. In den Berichten erfahrt Ihr alle Details zum jeweiligen chassidischen Tisch.

Freitag, März 14, 2008

Die chassidische Welt Jerusalems

B"H

Der Rebbe der Chassidut Belz, Rabbi Yissachar Dov Rokeach, bei einem Besuch im Jerusalemer Shaarei Zedek Hospital. Vor wenigen Tagen besuchte der Rebbe die Verletzten des Attentates auf die Mercaz HaRav Yeshiva.




Kikar Schabbat, der Schabbat - Platz, im ultra - orthod. Ge'ulah / Mea Shearim.



Die Hauptstrasse Mea Shearims

Pläne

B"H

Konkrete Pläne für diesen Schabbat, von einigen Ausnahmen einmal abgesehen, habe ich noch keine. Ein Freundin von mir, die in der vergangenen Woche zum Judentum konvertiert war, gab eine kleine Feier nach einem Shiur (relig. Vortrag). Und so stopften wir uns alle voll Kuchen und Fruchtsalat.

Wenige Minuten nach 17.00 Uhr beginnt in Jerusalem der Schabbat und ich schleife eben jene Freundin mit zum Abendgebet (Maariv) bei den Chassidim von Karlin - Stolin in Mea Shearim. Das Maariv - Gebet am Schabbat bei Karlin ist einzigartig, wie ich schon viele Male zuvor berichtete. Ekstasische Gebete und eine tolle Atmosphäre. Für mich wird der Gang zu Karlin - Stolin zu einem fast festen Ritual.

Danach gehen wir zu einem Schabbatessen, nur um kurz darauf wieder nach Mea Shearim zurückzukehren und an den chassidischen Tischen der unterschiedlichen Gruppen teilzunehmen. Besonders die Woche vor Purim, und natürlich an Purim selbst (nächste Woche), werden alle Rebben und sämtliche chassidische Gruppen Tische und große Feiern geben. Es wird eine Menge geboten sein.

Dann erst einmal SCHABBAT SCHALOM an alle Leser und ich hoffe, dass Ihr, wo immer Ihr auch seid, einen tollen Schabbat verbringt.

Donnerstag, März 13, 2008

Parashat Vayikra - פרשת ויקרא

B"H

Die Thoralesung für diesen Shabbat

In der Parashat Vayikra erleben wir etwas, was uns noch einige Male in der Thora begegnen wird. Allerdings nur in der Thora mit der hebräischen Originalsprache und nicht in Übersetzungen.

Gleich das erste Wort "Vayikra" (und Er rief…) endet mit einem kleinen Aleph א. Die vorherigen Buchstaben Vav Yud Kuf und Resch sind in normaler Buchstabengröße geschrieben, nur der letzte Buchstabe Aleph steht kleingedruckt dahinter.
Im weiteren Verlauf werden wir in verschiedenen Thora - Parashot noch einige Besonderheiten erleben. Seien es nun Buchstaben oder andere Zeichen, welche immer eine Bedeutung haben, denn wie wir wissen, ist nichts in der Thora überflüssig.

"Und Er rief Moshe und sprach zu ihm…" so die Anfangsworte dieser Parasha. Laut Rashi wurde Moshe von G - tt immer vorher erst gerufen und danach fand ein Gespräch statt (siehe auch Sifra und Maharal). Der Thora – Kommentator Ohr HaChaim sieht das vorherige Rufen als eine Art Respekt von G - tt gegenüber Moshe, was sich auch in dem kleinen Buchstaben Aleph ausdrückt.
Hierzu hörte ich einmal die Interpretation von Rabbi Mordechai Machlis, dass auch wir, wenn wir anderen Menschen etwas zu sagen haben, diese erst rufen bzw. adressieren sollen und nicht einfach so drauflos reden.

Die Worte G - ttes konnte nur Moshe selbst hören (Rashi). Die Art, in der Moshe Prophezeihungen empfing, war vollkommen einzigartig (Talmud Yevamot 49b). Kein anderer Prophet erreichte jemals wieder den Level von Moshe. Die späteren Propheten erhielten ihre Prophezeihungen nur anhand von Visionen und Träumen. Selbst Avraham erreichte nie Moshes Level, denn ihn rief G - tt durch einen Engel (Rabbi Moshe Alshich). Bei Moshe dagegen kam alles direkt von G - tt selbst (u.a. Rabbeinu Bachya und Shaar Ruach HaKodesh von Rabbi Yitzchak Luria).

Die Thora wurde von G - tt so verfasst, dass sie für unseren menschlichen Verstand verständlich ist. Unser weltlicher Verstand kann nur Dinge begreifen, wenn diese in unserer vermenschlichten Sprache zum Ausdruck gebracht werden (Talmud Berachot 7a). So lesen wir an dieser Stelle, dass G - tt rief, sprach oder das er das Aroma der Opferungen genoß. Wer sich nicht in der Symbolik der Thora auskennt, der könnte diese Worte glatt wörtlich nehmen.
Übrigens bedienen sich auch der Talmud, die Midrash, die Aggadot (Legenden) und natürlich die Kabbalah unentwegt der symbolischen Sprache und es ist angebracht, diese Schriften mit einem Lehrer zu lernen und nicht allein. Zumindest sollte man die Schriften anhand von guten Kommentatoren, den Talmud mit Ein Yaakov und die Kabbalah mit dem Yedid Nefesh, lernen.

Die Parashat Vayikra befasst sich überwiegend mit den Opferungen, und so manchen (auch mich) mag die Endlosaufzählung der Tiere langweilen.

Das hebräische Wort für Opferungen auf dem Altar im Tabernakel bzw. in beiden Tempeln ist KORBANOT.
Korbanot jedoch kann in keine andere Sprache übersetzt werden (Rabbi Samson Raphael Hirsch). Es einfach mit Opferung wie im Deutschen oder Englischen zu übersetzen, ist gänzlich falsch.
Korban (Opfer) stammt von dem hebräischen Wort "lehitkarev", was heißt, dass man einer Sache oder etwas näher kommt. Das ist die eigentliche Bedeutung der Korbanot. Wenn wir in Korban (Opfer) bringen, kommen wir so G - tt näher, denn Er in Seiner unendlichen Gnade vergibt unsere Vergehen. Im kabbalistischen Buch Zohar steht, dass im Zusammenang mit den Korbanot immer G - ttes Namen Yud Keh Vav Keh benutzt wird, welcher Gnade bzw. Güte ausdrückt. Unsere Vergehen werden uns anhand der Opferungen vergeben, doch muss dabei die richtige Kavanah (Konzentration) vorhanden sein, heißt, man sollte Reue zeigen (Mishna Thora – Hilchot Teshuva und Hilchot Korbanot 4:11, Rambam).

Tieropferungen deshalb, weil die Vergehen der Menschen dem Verhalten von Tieren gleichkommen, welche nicht die Allmächtigkeit G - ttes anerkennen (Rashi zum Talmud Traktat Eruvin 69b). Wir akzeptieren Opferungen von jüdischen Sündern und geben ihnen damit gleichzeitig die Möglichkeit, ihre Vergehen zu bereuen (Talmud Eruvin 69b). Die Gemara fährt jedoch fort mit der Erklärung, dass einige jüdische Sünder selbst von den Opferungen ausgeschlossen sind: jemand, der einem Götzen Wein opfert sowie derjenige, der öffentlich den Shabbat bricht. Hieraus sehen wir, wie schwerwiegend diese beiden Vergehen sind.

Nichtjuden kamen genauso zum Tempel und gaben ihre Opferungen. Rabbi Samson Raphael Hirsch kommentiert, dass Nichtjuden die "Sieben Noachidischen Gesetze" einhalten sollen und mit ihrer Tieropferung die Allmacht des EINEN G - ttes anerkennen.

In der Gemara befindet sich ein großer Widerspruch:
Jüdischen Götzenanbetern ist es verboten ein Opfer zu bringen, doch jeder Nichtjude kann freiwillig im jüdischen Tempel ein Opfer bringen. Auch dann, wenn er Götzenanbeter ist.
Die Talmud Traktate in Eruvin 69b, Chullin 5a und 13b gehen näher auf diese Aussage ein. Laut Chullin 5a wird ein Jude, der einem Götzen Wein opfert, betrachtet als hätte er gegen die gesamte Thora verstossen. G - tt machte einen Unterschied zwischen den Juden und Nichtjuden, indem Er den Juden die Thora und den Nichtjuden die Sieben Gesetze Noachs gab. Durch die Thora sind Juden vielmehr verpflichtet als Nichtjuden und somit sind die Strafen für einen Juden wesentlich härter. Zu Tempelzeiten kamen Nichtjuden nach Jerusalem, um im Tempel freiwillig Opferungen darzubringen. Vor allem am jüdischen Feiertag Sukkot (dem Laubhüttenfest).

Um zur Symbolik in der Thora zurückzukommen:
Es heißt, dass der Rauch der brennenden Opferungen aufstieg und G - tt das gute Aroma gefiel. G - tt riecht nicht. Vielmehr gefiel Ihm, dass die Menschen zum Zeitpunkt der Opferung ernsthaft ihre Taten bereuen (das kabbalistische Buch "Schushan Sodot").

Und was sagen uns heute die Opferungen ? Seit der Zerstörung des Zweiten Tempels gibt es gar keine Tieropferungen mehr. Jedenfalls nicht bis zur Ankunft des Meschiach und dem Bau des Dritten Tempels. Erst dann beginnen wieder die Opferungen.
Welche Gelegenheiten haben wir heute unsere Vergehen zu bereuen und G - tt näher zu kommen ?

Da sind zuerst einmal die wirkliche Reue und Yom Kippur bzw. Rosh HaSchana (Neujahrsfest). Wobei wir täglich bereuen koennen und nicht unbedingt auf diese Feiertage warten müssen.
Weiterhin haben wir Gebete, wobei der chassidische Kommentator Sefat Emet vor allem das Amidah – Gebet als einen Ersatz für die Tempelopferungen sieht. Auch werden Teile des Mussaf – Service als Ersatz für die Opferungen gebetet. Zum anderen kommen wir G - tt anhand von Torah und die Erfüllung der Mitzwot näher (Shem Mi Shmuel).

Aber nicht nur die reguläre Parashat Vayikra wird an diesem Schabbat in den Synagogen gelesen, denn zusätzlich handelt es sich bei diesem Schabbat um den Schabbat vor Purim. Jeder Schabbat vor Purim wird "Schabbat Zachor" genannt, an welchem wir ebenfalls die Parashat Zachor lesen. Hierbei geht es um die ewige Erinnerung an das, was der Enkel Esavs, Amalek, uns in der Zeit Moshes antat. Aus diesem Grund werden an diesem Schabbat zwei Thorarollen aus dem Aron HaKodesch (Thoraschrein) herausgenommen.

Rein zufällig, obwohl es im Judentum den Begriff "Zufall" nicht gibt, denn alles ist von G - tt vorbestimmt, traf ich gestern Abend Avivah Gottlieb - Zornberg wieder. Vor Jahren ging ich regelmässig zu ihren Vorträgen zum Thorawochenabschnitt, verlor aber irgendwann den Kontakt, denn sie reiste länger im Ausland.

Eine Freundin zeigte mir gestern Abend ihre Synagoge im Stadtteil Nachlaot. "Kol Rina" - die etwas flippige Carlebach - Synagoge. Und wer saß darin und gab einen Vortrag ? Avivah Gottlieb - Zornberg.

Obwohl wir nur noch die letzten Minuten des Vortrages mitbekamen, hörte ich von Avivah einen interessanten Gedanken, den ich hier weitergeben will:

Mit jedem Tieropfer, welches der Mensch gibt, fällt zugleich ein unendliches Schuldgefühl und somit eine Last von ihm herab. Es ist so als entstehe ein Vakuum, aus dem er wieder neu schöpfen kann. Selbstverständlich mit dem Willen, beim nächsten Male alle besser zu machen.

Schabbat Schalom

Aufschrei !!!

B"H

Noch vor einigen Monaten ging ich in der Masse unter. Wenn ich zu einem chassidischen Tisch kam, sprachen einige chassidische Frauen mit mir und ich stellte Fragen. Das war alles.
Am Freitag abend (Erev Schabbat) rein in in die Synagoge zum Tisch, gelegentlich Fragen gestellt, den Tisch und die Atmosphäre genossen, und dann wieder heimgegangen. Mehr nicht.

Zwischenzeitlich hat sich jedoch alles grundlegend verändert. Chassidische Frauen haben begonnen, mich wiederzuerkennen. Besonders jene weiblichen Mitglieder der extremen chassidischen Gruppe Toldot Aharon, bei denen ich unzählige Male am Tisch des Rebben teilgenommen habe. Kürzlich hatte ich eine längere intensive Diskussion mit einigen ihrer Frauen während eines Tisches. Und fragt lieber erst gar nicht, mit wievielen ihrer Frauen ich bei der Hochzeit des Enkels von Rebbe David Kahn (vor gut zwei Wochen) sprach. Zusätzlich nahm ich einige Male am Morgengebet (Schacharit) am Schabbat teil. Am letzten Schabbat kam eine Frau direkt nach dem Schacharit auf mich zu und wir wechselten einige Worte miteinander. Sie erzählte mir unter anderem, dass ihre Eltern vor dem Krieg in München gelebt haben.
Tage darauf erfuhr ich von einem Vishnitzer Chassid, dass ausgerechnet jene Frau ein Familienmitglied einer der höchsten und angesehensten Rabbiner in der Chassidut Toldot Aharon ist.

Seit geraumer Zeit stören mich vor allem zwei Dinge:
Zum einen trage ich innerhalb der Woche oft Hosen und was geschieht, wenn mich die Chassidim so sehen ?

In Jerusalem, und ich nehme an in jeder weiteren haredischen (ultra – orthod.) Gemeinde auf der Welt, wird ein jeder sofort gemäß seiner Kleidung gerichtet. Eine Frau trage gefälligst einen langen Rock und ausschließlich Langärmeliges. Hierüber gibt es keinerlei Diskussionen, sondern das ist einfach so. Punkt.
Eine Frau, die Hosen trägt, ist säkuler. Sie muß säkuler sein, denn sonst würde sie schließlich nicht auf die Idee kommen, eine Hose überzustreifen.

Und hiermit kommen wir zu einem Punkt, der mich extrem stört:
Das Richten nach der Kleidung.
Aber was diskutiere ich hier lange herum ?
Es gibt darüber keine Diskussionen und Ausreden, denn die Verhaltensregeln sind festgelegt, und damit basta. Die haredische Gesellschaft wird sich aufgrund meiner Beschwerden garantiert nicht ändern, dies weiß ich sehr gut. Zu gut.

Nicht, dass ich mich unaufhörlich in haredischen Stadtvierteln bewege und mich so der Gefahr des Erkennens aussetze. Nichtsdestotrotz muß ich einmal pro Woche den haredischen Stadtteil Ge'ulah (neben Mea Shearim) durchqueren. Es gibt keinen Weg drumherum. Theoretisch könnte ich durch die Bar Ilan Street laufen, doch dieses bedeute einen riesen Umweg.

Jeden Dienstag gegen 20.15 Uhr durchquere ich die Strauss und gehe dann die Yechezkel hinab. Rabbi Mordechai Machlis in Maalot Dafna (hinter Ge'ulah und Mea Shearim gelegen) gibt einen Shiur (relig. Vortrag). Jeder Dienstag abend, wenn ich in Hosen durch Ge'ulah laufe, wird für mich zum Spießrutenlauf. Bei jedem Schritt muß ich aufpassen, dass ich ja niemandem begegne, der mich kennt. Vor zwei Wochen, zum Beispiel, stand ich an einer roten Ampel am Kikar Schabbat. Genau gegenüber auf der anderen Straßenseite erspähte ich eine Toldot Aharon Frau, die ich kenne. Sie war leicht wiederzuerkennen, denn sie ist einer meiner Tanten sehr ähnlich. Die Frau sah mich nicht, denn sie war mitten im Gespräch mit zwei Mädels. Und ich war busy mich zu verbergen. Vorgestern passierte mir fast das Gleiche wieder. Ständig kommt es mir vor als starren mich alle an.

Nun könnt Ihr sagen, dass ich ja meine Kleider vorher austauschen kann. Was ist das große Problem ?
Nur habe ich vorher keine Gelegenheit heimzugehen, um mich "anständig" anzuziehen.

Weiterhin kann man behaupten, dass ich mich endlich einmal entscheiden soll, was ich in meinem Leben machen will. Habe ich nicht genügend Zeit verplempert ? Soll ich nicht lieber endlich zusammenreissen und ansatzweise in die haredische Gesellschaft zurückkehren ?

Ja, das stimmt vollkommen, aber momentan sehe ich mich selbst nicht am großen "Zusammenreissen". Den Grund dafür habe ich noch nicht analysieren können. Insgeheim mag jene Angst eine Rolle mitspielen, dieselben Fehler wie vor einigen Jahren zu begehen und wieder in einer nervlichen Krise zu enden.

Auch kann man anmerken, dass ich ja schließlich meine Kleidung an dem Ort wechseln kann, an dem ich mich vorher aufhalte.
Gibt es da keine Toilette oder so ?

Dieses Argument ist das beste und ab kommendem Dienstag werde ich es genauso halten. Somit habe ich mein "Dienstagsproblem" zeitweilig gelöst.


Eine andere Sache, die mich extrem stört ist, dass ich den Toldot Aharon immer noch nicht mitgeteilt habe, dass ich im Internet schreibe. Fast jede andere chassidische Gruppe habe ich es soweit wissen lassen: Karlin – Stolin, Dushinsky, Vishnitz, Belz, Gur, bei Kretchnif befinde ich mich auf dem ernsthaften Weg dorthin, bei Avraham Yitzchak ist es einem Ehepaar bekannt. Aber zur Chassidut Toldot Avraham Yitzchak plane ich künftig noch viel mehr.

Trotz allem hat es sich soweit noch nicht ergeben, mit den Toldot Aharon Frauen über meine Aktivitäten zu sprechen. Irgendwie kamen wir nie richtig auf den Punkt zu sprechen. Manchmal entwickelte sich ein Gespräch annähern in die Richtung, aber im letzten Moment versagten meine Nerven.

Andere Chassidim sowie Freunde meinten, ich solle halt auf eine günstige Gelegenheit warten und es den Toldot Aharon dann mitteilen. Und das ist genau die Warteposition, in der ich mich momentan immer noch befinden. Mittlerweile ist es so, dass wenn ich zu deren Tisch gehe, ich fast explodiere und es geradezu herausschreien möchte. Niemand kann sich vorstellen, wie sehr mich der Zustand belastet. Es ist mir sehr wichtig, dass die Gruppe Bescheid weiß, denn ich bin nicht der Typ, der beabsichtigt, mit ihnen oder anderen Spielchen zu betreiben.

Mittwoch, März 12, 2008

Das Mahl des Achaschwerosch

B"H

Weiteres zum Purim - Fest, welches wir in der nächsten Woche feiern:

In den ersten Sätzen des "Buches Esther" (Megillat Esther) wird uns von einem riesigen Fest erzählt, welches der persische König Achaschwerosch für sich und seine führenden Untertanen aus 127 Ländern gab. Das Fest gab er im dritten Jahr seiner Herrschaft in der damaligen Hauptstadt des persischen Reiches, in Schuschan.

In der Gemara (rabbinische Diskussionen) des Talmud Traktates Megillah 12a wird eine interessante Frage aufgeworfen, welche von Rabbi Schimon Bar Yochai und seinen Schülern diskutiert wurde.
Die Schüler fragten Rabbi Schimon, warum die Juden zu Zeiten Esthers, Mordechais und Achaschweroschs von G - tt ausgelöscht werden sollten.

Sie fragten und lieferten gleichzeitig die Antwort:
"Weil die damaligen Juden mit größter Freude am Fest des Bösewichts Achaschwerosch teilnahmen."

Rabbi Schimon Bar Yochai aber gab sich mit der Antwort nicht zufrieden.

Wenn dem nämlich tatsächlich so gewesen wäre, dann hätten folglich nur die Juden in Schuschan sterben müssen und nicht jene, die nicht in der Hauptstadt lebten. Schließlich nahmen nur Juden aus Schuschan am Gelage teil.

Die Schüler des Rabbi Schimon gaben auf und baten ihn um die richtige Antwort, die folgendermassen lautete:

"Die Juden hatten es verdient zu sterben, weil sie sich zu Zeiten Nebuchabnezzars (babylonischer König, der den Ersten Tempel in Jerusalem zerstörte und die Juden ins babylonische - später persisches Exil - zwang) vor einer Statue verneigten.

Die Schüler begannen, Rabbi Schimon herauszufordern:
"Wenn die Juden sich zu den Zeiten wirklich vor einer goldenen Statue verneigten, hätte G - tt in dem Fall nicht Gnade walten lassen können ?"

Rabbi Schimon gibt hierauf eine erstaunliche Antwort:
"Die Juden vollführten den Akt des offenbaren Götzendienstes nur äußerlich, weil sie sich vor Nevuchadnezzar fürchteten. Innerlich jedoch glaubten sie nicht an die "Hokuspokus - Goldstatue".
Ähnlich verhält es sich später zu Zeiten von Mordechai, Esther und Achaschwerosch. G - tt inszenierte den Konflikt mit Haman nur "äußerlich", um die Juden zu ängstigen und zur Teschuva (Umkehr zu G - tt) zu bewegen. "Im Inneren" jedoch dachte Er niemals auch nur eine Sekunde daran, die Juden wirklich auszulöschen."

Kommentare:

Die Schüler gaben an, dass die Juden am Fest des Achaschwerosch mit großer Freude teilnahmen.
Was genau bedeutet das ?

Achaschwerosch hatte sich, wie schon einer seiner Vorgänger (Belshazzar), verkalkuliert. Beide glaubten nämlich, dass die Zeit der Rückkehr der Juden nach Israel abgelaufen sei. Die Babylonier / Perser kannten die Prophezeihungen der jüdischen Propheten, machten aber jedesmal den gleichen Fehler, sich zu verkalkulieren, um dann behaupten zu können, G - tt habe die Juden abgeschrieben und Er denke gar nicht mehr daran, sie nach Israel zurückzubringen.
Achaschwerosch feierte somit die auf ewig anhaltende Zerstörung des Ersten Tempels, und alle Juden, die begeistert am Fest teilnahmen, erweckten den Eindruck, dass auch sie der Meinung des Königs zustimmten.

Bezüglich des Niederbeugens vor einer Goldenen Statue zu Zeiten des Nevuchadnezzar:

Der große Kommentator Raschi sagt, dass nur Chananiah, Mishael und Azariah sich weigerten, vor der Statue niederzuknien; alle anderen Juden taten es.


Vielen ist das Purim - Fest, unter anderem, auch als eine Art "Karneval" bekannt. In Israel sieht man seit Tagen Kinder verkleidet zu Purim - Parties gehen und es gibt wohl keine Schule im Land, die keine Parties abhält.

Die Verkleidungen sind vollkommen unterschiedlich; die Säkuleren tragen andere Kostüme als die Religiösen. Bei relig. Mädchen ist das Top - Kostüm "Königin Esther". Jede will Esther sein und das seit vielen Jahren. Bei den Jungen geht es gemischter zu. Vom Polizisten bis hin zum Piraten ist alles vertreten.
Warum aber der Brauch des Verkleidens an Purim ?
Sicher gibt es hierzu viele Meinungen, doch eine ganz interessante fand ich im chassidischen Kommentar "Ner Israel" der Chassidut Rodzhin.

Im Wort "Esther" verbirgt sich das hebrä. Wort "Nistar". Und "NISTAR" heißt "VERBORGEN". Alles ist im Buch Esther (Megillat Esther) verborgen und offiziell greift G - tt nicht ein. Nicht immer muß G - tt unverzüglich tolle Wunder vollbringen; vielmehr greift Er oft anhand der Natur ein, was uns normalerweise verborgen bleibt. Wir glauben halt, es sei die Natur.

Im Buch Esther tritt G - tt nur verborgen und anhand der Natur auf. Im Verborgenen vollbrachte Er die Wunder. Folglich verkleiden (verbergen) wir uns an Purim, um nicht erkannt zu werden und erkennen so die Wunder, die G - tt vollbrachte, an. Und insgeheim hoffen wir natürlich auch heute, dass diese Wunder ihre Wiederholung finden werden.

Dienstag, März 11, 2008

Neues vom israelischen Konversionssektor

B"H

Lange schon habe ich es aufgegeben, überhaupt noch irgendetwas zum Thema "Konversion zum Judentum in Israel" zu verstehen. Rabbis wollte ich dazu interviewen, aber die harte Realität schaut derweil so aus, dass sich fast monatlich die Regelungen ändern.

Soweit ich weiß, ist nun jeder Konversionswillige verpflichtet, sich vor dem Eintritt in einen israel. orthod. Konversionskurs eine Bewilligung vom Misrad HaPnim (Innenministerium) zu holen. Dort gibt es seit geraumer Zeit ein extra eingerichtetes Kommittee, welches in Abwesenheit des Antragstellers darüber entscheidet, wer eine Bewilligung bekommt, an einem Konversionskurs teilnehmen zu dürfen. Ohne diese Bewilligung darf nicht mehr konvertiert werden und der Erhalt der damit verbundenen israel. Staatsbürgerschaft wird gleich ganz verweigert.

Im Klartext bedeutet dies:

1. Vorsprechen bei einem Konversionskurs

2. Beantragung der Bewilligung beim Innenministerium

3. Abwarten, denn besagtes Kommittee trifft sich nur alle Jubeljahre.

4. Falls bewilligt wird, darf mit dem Konversionskurs begonnen werden.

5. Konversion

6. Hinter dem Erhalt der israel. Staatsbürgerschaft steht dennoch ein grosses Fragezeichen.

Sicher werden sich viele Fragen "Warum dies alles ?"

Kurz gesagt, unsere derzeitige Regierung will nicht zuviele relig. Konvertiten, die dann eventuell gegen sie stimmen. Stattdessen sieht es das Innenministerium als seine Aufgabe, es dem orthod. Oberrabbinat (Rabbanut) so schwer wie möglich zu machen. Nichts da mehr mit Massenkonversionen und hinterher wollen die Leute gleich die Staatsbürgerschaft.

Auch hat das Ministerium die Nase voll von all den Konvertiten und läßt nur noch jene zu, die niemals ihr Visum überzogen, ihre finanziellen Verhältnisse nachweisen und sich allein finanzieren können, und alle weiteren, die niemals unangenehm auffielen. Ohne dieses Kommittee läuft gar nichts mehr. Das Rabbanut hingegen will dagegen angehen, kann sich aber derzeit kaum richtig durchsetzen.

Jetzt wurde bekannt, dass auch das Rabbanut abdriftet. Der sephardische Oberrabbiner Shlomo Amar ernannte zehn neue rabbinische Richter (Dayanim), wovon acht zur ultra - orthod. Szene gehören. Einige von ihnen sassen sogar als Dayanim im Beit Din (rabbinisches Gericht) des haredischen Bnei Braker Rabbi Nissim Karelitz.

Was auf die neuen Konvertiten zukommt, ist noch nicht abzusehen. Viele von ihnen befürchten sogar eine Ablehnung ihres vorherigen Giur (Konversion zum Judentum).
Dies betrifft allerdings nur jene Fälle, bei denen Leute frisch konvertiert sind und noch auf ihre offiziellen Papiere warten.

Sind die Papiere erst einmal da, kommt gleich die nächste Katastrophe:
Der Kampf mit dem Innenministerium um die israelische Staatsbürgerschaft.

Und wer nun gar meint, im Ausland zu konvertieren sei da von Vorteil, der liegt ebenso falsch. Das Innenministerium tut sich momentan auch mit ausländischen Konversionen schwer und erteilt keine sofortigen Staatsbürgerschaften mehr.

Leute, ihr seid nicht zu beneiden, wenn ihr gerade irgendsoetwas in der Richtung plant.

Montag, März 10, 2008

Purim Meschulasch

B"H

Jerusalem ist nicht wie andere Städte. Jerusalem ist nicht nur etwas Besonderes und Einmaliges, Jerusalem ist die Heilige Stadt. Selbst wenn dies für so mancherlei Besucher oder Einwohner nicht immer ganz offensichtlich ist.

An Purim aber wird die Einzigartigkeit Jerusalem besonders deutlich, denn wir feiern nicht nur Purim, sondern gleich Purim Meschulasch (Dreieck).

Der Talmud Traktat Megillah gibt gleich auf der allerersten Seite (2a) eine Begründung:
Bewohner jener Städte, welche zu Zeiten Joshua Bin Nuns (Nachfolger Moshes) von einer Stadtmauer umgeben waren, lesen die Megillah (das Buch Esther) am 15. Adar. Alle anderen lesen die Megillah am 14. Adar.

Die Stadt Schuschan, in der die Purim - Story ihren Verlauf nahm, war von einer Stadtmauer umgeben und feierte Purim am 15. Adar (siehe Buch Esther 9:18). Der Rambam (Maimonides), der Ramban (Nachmanides) sowie der Ritva sind der Meinung, dass die Regelung der Mischna auf von einer Mauer umgebene Stadt in Israel sowohl als auch im Ausland zutrifft. Allerdings bezieht sich die Stadtmauer ausschließlich auf die Zeit des Joshua Bin Nun.

In Jerusalem gab es damals eine Stadtmauer, denn die Stadt existierte schon unter den Jebusiten. Daher wird in Jerusalem, in Tiberias oder in Cäsarea "Purim Meschulasch" gefeiert. Dies heißt im Klartext, dass in diesem Jahr die Megillah am Donnerstag abend (20. März) sowie am Freitag morgen (21. März) in den Synagogen gelesen wird. Das eigentliche Purim - Fest mit allem RambaZamba jedoch findet erst am darauffolgenden Sonntag statt.

Außer in besagten Stadtmauer - Städten jedoch ist Purim am Freitag abend schon wieder vorbei. Wenn andere Orte auf der Welt Purim beenden, geht es in Jerusalem erst richtig los, denn wir feiern aufgrund der Mischna - Regelung immer einen Tag später. Und da diesesmal der Schabbat noch dazwischen liegt, verschiebt sich daher gleich noch mehr.

Warum aber muß die Stadt ausgerechnet zur Zeit des Joshua Bin Nun von einer Mauer umgeben gewesen sein ? Sollte es nicht eher darauf ankommen, ob die Stadt eine Mauer zu Zeiten der Ereignisse in Schuschan (Esthers und Mordechais) besaß ?

Der Jerusalemer Talmud (Talmud Yerushalmi) antwortet:
Zu der Zeit als sich das Purimwunder zutrug, besaß Israel keine Städte, welche von einer Mauer umgeben waren, denn die Babylonier hatten alles restlos zerstört. Um gerade Israel davor zu bewahren als irgendwie "minderwertig" betrachtet zu werden, erfolgte die Regelung, dass die Stadtmauer zu Zeiten Joshua Bin Nuns gestanden haben muß. Ansonsten wäre Israel ausgeschlossen gewesen und nur ausländische Städte, wie Schuschan selbst, könnten Purim Meschulasch feiern.

Des Weiteren verbinden Juden das Purim - Fest immer mit dem Erzfeind "Amalek".

Amalek war der Enkel Esavs (der abtrünnige Bruder Yaakovs), der das Jüdische Volk vernichten wollte. Und es war Joshua Bin Nun, der die Israeliten erfolgreich gegen Amalek in die Schlacht führte.

Der Bösewicht Haman aus der Megillah ist ein Nachfahre jenes Amaleks und plante erneut, die Juden auszulöschen. Im Judentum haben wir die Regel, uns immer wieder an Amalek und den damit verbundenen Gefahren zu erinnern. Insbesondere an unsere antisemitischen Feinde. Aber nicht nur, denn Amalek befindet sich genauso in jedem einzelnen Juden selber.

Das hebräische Alphabet ist nicht nur so ein Alphabet wie Englisch oder Deutsch. Die hebräischen Buchstaben besitzen eine hohe kabbalistische Bedeutung und stehen gleichzeitig auch für Zahlen. So steht der erste Buchstabe "ALEPH" für die 1 und der zweite Buchstabe "BEIT" für die 2, etc.

Anhand dieses Systems, welches offiziell "Gematria" genannt wird, sind wir in der Lage, ganze Wörter oder sogar Sätze in Zahlenwerte umzuwandeln. Viele unterschiedliche Wörter mit einer bestimmten Zahleneinheit ergeben plötzlich eine Verbindung. So hat "Amalek" zum Beispiel denselben Zahlenwert (240) wie "Safek - Zweifel".

Hieraus sehen wir, dass Amalek ebenso viel mit "ZWEIFEL" zu tun hat.
Und welcher Zweifel ist hier gemeint ?
Der Zweifel in jedem einzelnen Juden.
Zweifel an G - tt, keine Lust zur Synagoge zu gehen, keine Lust auf Gesetze (Halachot) einhalten, und und und.
Der Zweifel ist der Amalek in jedem Juden, und Amalek will uns "einreden" dieses oder jenes nicht zu tun.

Besonders die Chassidut (Chassidismus) legt in ihren Konzepten äußerst hohen Wert, Amalek oder besser gesagt, die Yetzer HaRah (die schlechte Seite in einem jeden von uns) zu überkommen und alles in etwas Positives umzuwandeln.

Die Purim - Story umfaßt soviel mehr als "nur" das Buch Esther, gutes Essen, Verkleiden und ausgelassen feiern.
Purim enthält sehr viel Mystisches und gerade jetzt kurz vor dem Fest werde ich mich viel zum Thema verfassen. Dennoch kommt die Kaschrut (Koschergesetze) nicht zu kurz, denn auch im Buch Esther geht es um koscheres / unkoscheres Essen.

Sonntag, März 09, 2008

Die mündliche Gesetzesüberlieferung

B"H

Wieso eine mündliche Gesetzesüberlieferung, fragen sich nicht wenige Nichtjuden oder sogar Juden.
Reicht die Thora allein nicht aus ?
Sehen wir nicht alles aus ihr heraus ?
Und wer sagt uns, dass die mündlichen Gesetze wirklich von am Berg Sinai von G - tt an Moshe weitergegeben worden sind ?
Ist das nicht alles einfach eine Erfindung der Juden bzw. ihrer Rabbiner ?

Diese stereotype Meinung kommt leider immer wieder zum Vorschein.

Nach einigen Nachdenken intensiveren Nachdenken, kämen solche Fragesteller vielleicht von selbst darauf, dass nicht alles ausdrücklich in der Thora geregelt ist und wir ohne die mündliche Überlieferung gar nicht in der Lage wären, viele Thoragesetze präzise auszuführen. Und die mündliche Überlieferung "Torah she be - al peh" schließt eben auch jene Gesetze mit ein, die nicht ausdrücklich in der Torah geregelt sind.

Es ist immens wichtig sich klarzumachen, dass die Thora von G - tt an die Juden gegeben wurde. Nichtjuden sind verpflichtet, die "Sieben Noachidischen Gesetze" einzuhalten.
Weiterhin wurde die Thora von G - tt and menschliche Wesen in einer materiellen Welt gegeben. Und die Halacha bzw. die gesetzlichen Auslegungen der Thora macht nicht G - tt, sondern der Sanhedrin (zu Tempelzeiten) oder ein rabbinisches Gericht (in unserer Zeit).

Zusammen mit der schriftlichen Überlieferung wurden Moshe ebenso dessen Auslegungen mitgegeben. Auf diesen Interpretationen wiederum beruhen die späteren rabbinischen Gesetze / Erlässe. Es wäre absolut unvorstellbar, dass die Thora allein sämtliche Lebenssituationen und deren Gesetzesanwendung beschreibt. Außerdem ergeben sich ständig neue Situationen, auf welche die Halacha angewandt werden muß. Somit nehmen Rabbiner die Gesetze, welche Moshe am Berg Sinai erhielt, als Grundlage für neue Erlässe bzw. Zusätze zur Halacha. Wobei jedoch der Ursprung und die Thora nie verloren gehen oder für irrelevant erklärt werden.

In der Halacha heißt es, dass die Thora vom Himmel ist. Der Ursprung der Halacha ist im Himmel, angewandt werden tut sie aber auf Erden. Die Thora ist nicht im Himmel, sondern nur vom Himmel. Hierin sehen die Rabbiner keinerlei Widerspruch. G - ttliche Gesetze, die wir auf Erden weiterinterpretieren und anwenden sollen. Wobei mit "weiterinterpretieren" ein Sanhedrin bzw. ein richtiges rabbinisches Gericht gemeint sind und keine Reformer oder sonstige, die alles auslegen, wie es ihnen gerade paßt.

Die Halacha ist denjenigen gegeben, die damit umzugehen wissen; nämlich einem rabbinischem Gericht mit außergewöhnlichen Richtern bzw. Rabbis.

Nachmanides (der Ramban) kommentiert hierzu:
"Selbst wenn Dir absolut klar ist, dass die halachische Authorität sich irrte, sollst Du tun wie sie sagen".

Daraus folgt, dass wir halachischen Angelegenheit immer dem Sanhedrin bzw. einem rabbinischen Gericht folgen müssen. Es sei denn, wir beweisen eindeutig, dass sie sich im Unrecht befinden. Sind wir außerstande, dies zu tun, dann müssen wir die halachische Entscheidung akzeptieren, denn die Gesetztesüberwachung wurde von G - tt an die Menschen (in diesem Falle angesehene Rabbiner) übergeben.

"Du sollst das Zicklein nicht in der Milch der Mutter kochen"

B"H

"Du sollst das Zicklein nicht in der Milch der Mutter kochen" - dieser eine Satz aus der Thora gibt vielen Leuten ein absolutes Rätsel auf.

Inwieweit ist es Juden erlaubt, Milch und Fleisch zusammen zu verzehren ?

Darf man es überhaupt zusammen verzehren ?

Und besagt der obige Satz aus der Thora nicht ausdrücklich nur, dass wir das Zicklein nicht in der Milch der Mutter kochen dürfen ?

"Kochen" steht dort und nicht "essen".

Der berühmte Satz aus der Thora findet dreimal in ihr Erwähnung:

Und zwar in Exodus 23:19, 34:26 sowie in Deuteronomy 14:21.
Der Talmud Traktat Chullin genauso wie der Schulchan Aruch (Code of Jewish Law), Yoreh Deah 87 - 108, gehen ausführlich auf dieses so komplizierte Thema in der Kaschrut ein.

Die Gemara (rabbinische Diskussionen) in Chullin 113a + 115b sowie der Schulchan Aruch, Yoreh Deah 87:1, sehen allein in dem einen Satz drei definitive Verbote:

"Du sollst das Zicklein nicht in der Milch der Mutter kochen"

1. Dürfen Fleisch und Milch NICHT zusammen gekocht werden.

2. Wenn Fleisch und Milch zusammen gekocht wurden, besteht das Verbot des Verzehrs.

3. Wenn beides nicht verzehrt werden darf, so darf es auch nicht an einen Dritten weiterverkauft werden. Somit ist es verboten, einen positiven Nutzen aus der Sache zu ziehen.

Die Tannaim (die Verfasser der Mischna, unter anderem Rabbi Akiva) sind der Auffassung, dass dieses biblische Verbot ausschließlich für koscheres Fleisch sowie koschere Milch gilt.

Allen dürfte durchaus klar sein, was koscheres Fleisch ist, doch was ist koschere Milch ? In Israel ist es üblich, die Milch, die am Schabbat gemolken wurde, nicht zum Verzehr freizugeben. Es ist klar, dass jede Kuh gemolken werden muß; auch am Schabbat. Nur wird diese Milch als unkoscher betrachtet und nicht verwertet.
Dies nur als kleines Beispiel.


Wie kommt der Talmud zu der Behauptung, dass es des Weiteren verboten ist, aus dem unkoscheren Gekochten einen positiven Nutzen zu ziehen (z.B. durch Verkauf) ?

Die Gemara stellt die gleiche Frage und gibt Orlah als Beispiel an.

Orlah = Wenn ein Jude einen Baum pflanzt, dann ist es ihm untersagt, während der ersten drei Jahre die Früchte des Baumes zu verzehren (Leviticus 19:23).

Die Gemara im Talmud Traktat Pesachim 22b schließt daraus, dass sowohl der Verzehr als auch das Ziehen eines Nutzens der Ware verboten sind.

Wenn also der Ziehen eines positiven Nutzens im Falle der Orlah verboten ist, dann trifft dies folglich auch auf den Fall zu, in dem Milch und Fleisch zusammen gekocht worden sind (Chullin 115a).

Dies nur in Kürze als kleine Erklärung eines so wichtigen Themas, welches immer wieder neu missinterpretiert wird. Das Thema "Kaschrut" ist dermassen umfangreich, dass es sinnvoller ist, alles anhand kleiner Einzelbauteile zu erklären, damit keine grosse unnötige Verwirrung aufkommt.

Zusätzlich muß erwähnt werden, dass in vielerlei Kaschrut - Bereichen halachische Unterschiede zwischen aschkenazischen sowie sephardischen Juden besteht.

Chassidischer Tisch - Guide

B"H

Auf meinem chassidischen Blog habe ich damit begonnen, einen kleinen Guide bezüglich der chassidischen Tischbesuche einzurichten.

Der erste Tisch, den ich beschreibe, ist von der Chassidut Belz.

Tischandrang

B"H

Perfektes Schabbatwetter mit über 20 Grad erwartete uns alle.
Die Bäume stehen längst in voller Blüte und es herrschte geradezu ein Hauch von Sommer. Selbst die Nächte sind derzeit schon verhältnismässig warm. Dennoch dürfen wir nicht vergessen, dass es erst Anfang Mätz und der Winter somit noch nicht vorüber ist.

Mit einer Freundin begann ich den Schabbat beim Abendgebet (Maariv) der Chassidim von Karlin - Stolin in Mea Shearim. In meinem englischen Blog steht Karlin - Stolin weit abgeschlagen auf dem ersten Platz der Synagogenanfragen. Religiöse jüdische Touristen fragen regelmässig an, wie sie zur Synagoge der Karliner Chassidim kommen. Obwohl die Karliner auch in New York vertreten sind, scheinen dennoch viele sie in Mea Shearim in voller Action sehen zu wollen, denn ihre Gebetsservice sind berühmt für ekstasische Gebete. So intensiv, dass die Worte geradezu herausgeschrien werden. Ein bewegendes Schauspiel, welches uns auch an diesem Erev Schabbat wieder erwartete. Karlin - Stolin gehört für uns fast schon zum Ritual. Die Chassidim sind sehr freundlich und es ich leicht, Kontakte aufzubauen. Übrigens verfügt die ursprünglich aus Lithauen stammende chassidische Gruppe über ihr eigenes Sidur (Gebetbuch).

Nach Karlin - Stolin machten wir uns auf zum Schabbatessen bei Rabbi Mordechai Machlis. Ein weiteres Ritual am Erev Schabbat. Obwohl der Rabbi am Schabbat keine politischen Reden in seinem Haus haben will, begann das Essen vorerst mit ein paar Eindrücken zum Terrorattentat auf die nationalrelig. Yeshiva (relig. Schule) Mercaz HaRav im Stadtteil Kiryat Moshe, bei der acht Studenten erschossen worden waren. Der Rabbi hatte ca. 30 Minuten vor dem Attentat das Gebäude verlassen und ein gemeinsamer Bekannter von uns befand sich während des Attentates im oberen Stockwerk des Gebäudes, wo alle Anwesenden dachten, dass jemand unten Knallkörper herumwerfe. Wenig später wurden sie dann Zeuge von dem, was wirklich passiert war.

Nach dem Essen, was relativ spät endete (22.30 Uhr), gingen wir direkt zur chassidischen Gruppe Dushinsky. Deren Synagoge liegt nur fünf Minuten vom Machlis - Haus entfernt. Leider war fast die gesamte Frauenempore überfüllt und wir konnten kaum sehen, was im Erdgeschoss bei den Männern vor sich ging. Ein kurzer Blick auf Rebbe Yosef Zvi Dushinsky und das war es auch schon. Wir versuchten es weiter bei der ebenso nahegelegenen Synagoge der Kretchnifer Chassidim. Gück gehabt. Die Frauenempore war fast leer und kurz darauf kam die Rebbitzen mit ihrem Familienanhang herein.
Das Problem bei Kretchnif ist die Mechitzah (Trennwand zu den Männern). Obwohl Metallstäbe die Sicht etwas versperren, war es bis vor einigen Wochen möglich, alles gut zu überblicken. Dann kam man auf die fatale Idee, die Sicht zusätzlich mit einer Art Plane zu versperren und wer jetzt länger durch die Plane schaut, dreht sich irgendwann im Kreis. Die Mischung zwischen Papier und Plastik ist nicht besonders gut für die Augen.

Nach ca. 20 Minuten zogen wir davon, denn ich wollte unbedingt schauen, ob es bei den Shomrei Emunim (den "Hütern des Glaubens" und der Ursprung der extremen Gruppe Toldot Aharon) einen Tisch gibt. Deren Rebbe Avraham Chaim Roth wohnt in Bnei Brak und kommt nur alle Jubeljahre einmal nach Jerusalem. Leider hatten wir Pech und es gab keinen chassidischen Tisch.

Zuvor jedoch hatten wir die Synagoge der geheimen chassidischen Gruppe "Mishkenot HaRoim" passiert. Wenn man sie überhaupt eine chassidische Gruppe nennen darf, denn eigentlich sind die Mischkenot HaRoim eine Art Zusammenschluß oder Organisation mit Rabbi Chaim Rabinovicz als Oberhaupt. Sie sind die geheimste Gruppe in der anti - zionistischen Dachorganisation "Edah HaCharedit" und geben sich äußerst bedeckt.

Als wir ihr Gebäude passierten, standen alle Türen einladend offen und im Inneren wurde gesungen. Das große Problem ist nur, dass beide Eingänge auschließlich für Männer sind und wir als weibliche Wesen keine Chance sahen. Auch ein Suchen nach einem dritten Eingang war erfolglos. Also dachte ich mir, dass ich auf anderem Wege Näheres herausfinde. Nämlich dann, wenn ich die Synagoge der Neturei Karta besuche.

Und was war wohl unser nächstes und letztes Ziel ?
Genau, der Tisch des Rebben der Toldot Aharon, Rebbe David Kahn. Aber dort war es mehr als gerammelt voll. Hunderte Frauen drängten sich auf den Metalltribünen und wir quetschten uns nur ca. eine halbe Stunde hinter die Glasmechitzah. Im Erdgeschoß befanden sich Hunderte von Chassidim sowie viele Gäste von ausserhalb, die mit dem Rebben den chassidischen Tisch feierten. Kurz gesagt, bei dem schönen Wetter herrschte der totale Andrang, denn alle waren ausgezogen, etwas zu sehen.

Zum Morgengebet Schacharit lag die Versuchung nahe, zur Neturei Karta Synagoge zu gehen, was ich dann aber auf den nächsten Schabbat verschob. Irgendwie landete ich doch wieder bei den Toldot Aharon, wo ich diesesmal nicht unbedingt einen spirituellen Synagogenservice verbrachte. Als ich ankam, war es genauso voll wie am Abend zuvor. Platz fand ich auf der Hinterbank und ob es jemand glaubt oder nicht, ich war fast drei Stunden dort und sah nichts von dem, was unten bei den Männern vor sich ging. Zu hören war auch kaum etwas und so kämpfte ich die ganze Zeit über mit meinem Gehör, um vielleicht annähernd herauszufinden, in welchem Teil des Gebetes wir uns gerade befanden. Mehr oder weniger erfolglos.
Dafür fand ich genügend Zeit mich ein wenig zu unterhalten und den Frauen zuzuschauen. Ihre Kleidung auseinanderzuhalten und ein paar ganz junge Mädels hatten frisch geheiratet. Sie konnten nicht älter als 18 Jahre alt gewesen sein und nicht alle von ihnen sahen unbedingt happy aus.

Und dann berichtete mir meine Banknachbarin, dass auch heute wieder ein Schabbat Chatan sei. Ein Schabbat an dem diejenigen Männer, die in der kommenden Woche heiraten werden, zur Thora aufgerufen werden. Da ich nichts sah, zählte ich zumindest mit und es werden wenigstens drei Hochzeiten stattfinden, wenn nicht sogar vier.

Am nächsten Schabbat werde ich ganz sicher nicht mein Morgengebet bei den Toldot Aharon verbringen, obwohl einige Frauen fragten, ob ich wiederkomme. Ich hätte gerne etwas vom Synagogenservice gesehen und vor allem das Wesentliche mitbekommen. Aber wer bei den Toldot Aharon nicht pünktlich um 9.00 Uhr früh auf der Matte steht, hat kaum noch eine Chance. Vielleicht findet er einen guten Sitzplatz, doch gibt es keine Garantie für das Hören der Gebete.

Freitag, März 07, 2008

Tragischer Schabbat

B"H


Das tragische Ereignis von gestern Abend wirft weite Schatten auf den anstehenden Schabbat. Obwohl wir halachisch verpflichtet sind, am Schabbat Freude zu empfinden und nicht zu trauern, fällt dies etwas scher.

Wie auch immer, meine Pläne sind die gleichen. Das ekstasische Abendgebet Maariv am Erev Schabbat bei den Chassidim von Karlin - Stolin in Mea Shearim. Hinterher Schabbatessen bei Rabbi Mordechai Machlis, wo ich einen Leser meines engl. Blogs treffen werde.

Und die chassidischen Tische kommen heute Abend auch nicht zu kurz.
Morgen früh dann das Morgengebet Shacharit eventuell bei den Toldot Aharon in Mea Shearim. Festgelegt habe ich mich noch nicht ganz.

Allen einen tollen Schabbat und einen ebenso tollen neuen Monat Adar B.
Schabbat Schalom und Chodesh Tov.

Donnerstag, März 06, 2008

Parashat Pekudei

B"H

Die Thoralesung für diesen Schabbat

Den anstehende Schabbat kann man alles nennen, nur keinen gewöhnlichen Schabbat.

In diesem laufenden Jahr gemäss des jüdischen Kalenders befinden wir uns in einem Schaltjahr und somit haben wir zwei Monate Adar. Den Adar A, welcher gestern zuende ging, und den Adar B, dessen Monatsbeginn (Rosch Chodesch) wir morgen (Freitag) und am Schabbat feiern. Des weiteren steht Purim vor der Tür und in an den Schabbatot (Mehrzahl für Schabbat) vor Purim lesen wir alle unterschiedliche Zusätze in den Thoralesungen am Schabbat, wie Schabbat Parah, Schabbat Zachor und eben an diesem Schabbat, dem Schabbat Schekalim.
Kurz gesagt, es wird ein langes Schabbatgebet in den Synagogen geben. Dabei werden schon allein drei Sefer Torah (Thorarollen) aus dem Aron HaKodesch (Thoraschrein) zur Thoralesung geholt. In Deutschland kann ich mir vorstellen, dass nicht jede Gemeinde einfach mal eben über gleich drei Thorarollen verfügt, aber in anderen Städten mit mehreren Tausend Juden ist dies Normalität.

Neben der eigentlichen Thoralesung werden an diesem Schabbat auch noch die Parashat Schekalim (Abgabe des halben Schekels in der Thoraparasha Ki Tisa / im Buch Exodus) sowie die Parasha für den neuen Monat (Segnung des neuen Monat in der Thoraparashat Bo / im Buch Exodus) verlesen.

Die vorherige Parashat Vayakel sowie die aktuelle Parashat Pekudei ähneln sich ziemlich, denn in beiden Parashot ist vom Mischkan (dem Tabernakel) die Rede. Und so mancher, unter anderem auch ich selbst, mag das alles für langweilig halten. Die vollständige Aufzählung der Einrichtung des Mischkan samt deren Farben.
Selbstverständlich kann jeder einfach so darüber hinweglesen. In kabbalistischer Literatur hingegen nimmt dies alles ein weites Spektrum ein. Auch die Farben der Gegenstände werden im Buch Zohar detailliert erklärt.

Und was ist überhaupt mit dem Mischkan (Tabernakel), welches die Israeliten auf G - ttes Geheiß bauten ? Was haben wir damit heute zu tun, wenn wir doch nach der Einnahme Jerusalems zwei Tempel hatten ? Was soll also der ganze Zirkus um das Mischkan ?
Rabbi Samson Raphael Hirsch stellt etwas Offensichtliches fest, was wir nur zu leicht übersehen. So war es ausgerechnet das Mischkan, welches niemals von einem Feind der Israeliten eingenommen und zerstört wurde. Beide Tempel jedoch wurden von unseren Feinden zerstört. Im Jahre 586 vor der Zeitrechnung durch die Babylonier und 70 nach Beginn der Zeitrechnung durch die Römer.
Weiterhin wurde das Mischkan immer von der Anwesenheit G - ttes überstrahlt. Immer und nicht nur zeitweilig wie der Erste Tempel. G - tt war im Mischkan ständig präsent, wobei Seine Anwesenheit zwischen den beiden Cheruvim, den Engeln auf dem Aron HaKodesh (der Bundeslade) allgegenwärtig war. Zu Zeiten des Ersten Tempels war dies nur eingeschränkt der Fall, denn sobald sie die Juden nicht mehr an G - ttes Gesetze hielten und Ihn ignorierten, zog Er Seine Anwesenheit zurück.
Im Zweiten Tempel war schon keine Bundeslade mehr vorhanden und der Talmud Traktat Yoma gibt uns nähere Auskunft darüber, warum der Zweite Tempel niemals die "Heiligkeit (Keduscha)" des Ersten Tempels erlangte.

Aber das Mischkan hatte noch eine weitere immense Bedeutung und nicht nur in der Kabbalah und dem Chassidismus findet dies ausgesprochen viel Erwähnung. Das Mischkan gilt als Symbol für die Welterschaffung G - ttes und somit als unsere eigene Welt in Miniaturformat. Jedes Bauteil spiegelte seinen Gegenpart bei der Welterschaffung wieder; das Dach den Himmel, etc. Der Baal Schem Tov (und nicht nur er) kommentiert, dass das irdische Mischkan einen Gegenpart in der oberen spirituellen Welt hatte.
Was bedeutet das genau ?
Durch unsere Gedanken bei der Kavanah (Beten mit absoluter Konzentration) bauen wir ein Mischkan in der oberen spirituellen Welt.

Die oberen spirituellen Welt sind, wie gesagt, nur spirituelle und keine real existierenden Welten wie unsere eigene Welt. Wenn wir unsere Gebete mit extremer Konzentration beten, dann verändern wir die oberen Welten zum Positiven und bewirken einen Tikkun (eine Art Reparatur).
Wir erinnern uns: Sämtliche Welten wurden beim Vergehen von Adam und Eva (Chava) im Paradies "beschädigt" und unsere Aufgabe ist es, die einstmalige Perfektheit dieser Welten wieder herzustellen.
Wie ?
Indem wir den Willen G - ttes tun.

In der Chabad - Chassidut wird die Frage gestellt, welcher der beiden Monate Adar in einem Schaltjahr der wichtigere ist. Ist es nicht so, dass wir Adar A zwar ausgiebig feiern, denn Adar ist ein Monat der Freude ? Im Adar B dagegen setzten wir dem Ganzen noch einen drauf und somit gewinnt dieser Monat an zusätzlicher spiritueller Bedeutung.

Wer im Adar A Geburtstag hat, der fragt sich nicht selten, wann genau er denn jetzt den Geburtstag feiern soll ? Schließlich haben wir zweimal den gleichen Monat hintereinander (in einem Schaltjahr). Einige meiner Bekannten feierten im ersten und andere feiern im zweiten Monat. Nur brachte so mancher Gast die Daten durcheinander.

Der Sefat Emet (ehemaliger Rebbe der Chassidut Gur) betrachtet den Monat Adar als Monat der Teschuva (Umkehr zu G - tt). Und zwar Umkehr aus Liebe zu G - tt und nicht, weil man es eben einmal so muß. Insbesondere durch die Parashat Schekalim wird der Wille in uns erweckt, G - tt dienen zu wollen.

Die an diesem Schabbat angehängte Parashat Schekalim handelt davon, wie G - tt Moshe beauftragte, dass jeder Israelis einen halben Schekel abzugeben habe. Anhand der Anzahl dieser Schekel sollte die aktuelle Anzahl der Israeliten bestimmt werden.
Man darf sich den halben Schekel jetzt nicht als Münze vorstellen. Vielmehr handelte es sich dabei um eine Gewichtseinheit.
Weiterhin ist es im Judentum nicht erlaubt, Juden einfach so zu zählen. König David missachtete einmal dieses Gesetz und löste ein Massensterben als Strafe aus.

Bis heute vermeiden relig. Juden sogar ihre Kinder zu zählen und wer nach der Kinderzahl fragt, bekommt oft nur verdeckte Hinweise. Stattdessen gaben die Juden in der Wüste einen halben Schekel und hinterher konnte so ihre genaue Anzahl ermittelt werden.

War die damalige Abgabe des halben Schekels nur einfach so eine Abgabe ?

Die Thorakommentatoren sehen dies anders. Unter anderem sagt der chassidische Kommentator Shem MiShmuel, dass solch eine Abgabe auch gleichzeitig als eine Vergebung der eigenen Seele (Neschama) diente. Zwar dienten nur die Korbanot (Tieropferungen) als eine Sühne für diverse Vergehen gegen G - tt; die Abgabe des halben Schekels war keine reine Sühneabgabe, sondern stärkte vielmehr das Zusammengehörigkeitsgefühl des Volkes. Jeder war daran beteiligt und gab den gleichen Betrag ab. Ganz gleich ob arm oder reich. Und gerade dies zeigt uns einmal wieder mehr, dass alle Menschen vor G - tt gleich sind. Vor G - tt kann niemand seine Reichtümer ausschütten und damit angeben bzw. Privilegien einfordern.

Der derzeitige Rebbe der Chassidut Slonim in Jerusalem, Rabbi Shmuel Brozowsky sagt, dass jeder durch die Abgabe des halben Schekels ein Teil eines Ganzen wurde. Der Rebbe geht sogar soweit zu kommentieren, dass die Abgabe eine reine Selbstaufgabe symbolisierte. Jeder wollte Teil des Ganzen sein und legte in dem Moment keinen Wert auf eine individuelle Identifikation. Überhaupt spielt die Selbstaufgabe im Chassidismus eine überaus hohe Rolle. Eine Selbstaufgabe um G - tt zu dienen und nicht nur seinen eigene privaten Interessen im Kopf zu haben. Ein hochgestecktes Ziel, welches schwer ist, zu verwirklichen. Vielleicht sollten wir uns am Schabbat einmal Zeit nehmen und nachdenken, inwieweit jeder von uns auf seine eigenen Interessen schaut und ob alles Materielle wirklich glücklich macht.

Schabbat Schalom und ebenso einen tollen neuen Monat Adar B.
שבת שלום וחודש טוב

Huhn in Milch

B"H

Selbst wenn es manchmal für das Hirn überaus anstrengend ist, ich liebe talmudische Shiurim (Unterricht). Jeden Mittwoch abend nehme ich an einem Shiur teil, welcher von Rabbi Chaim Eisen geleitet wird. Ein ursprünglich aus New York stammender nationalrelig. Rabbi mit überragenden talmudischen Kenntnissen. Außerdem ist er eine Größe in den Lehren des Rambam (Maimonides).

Der Mittwochs - Shiur trägt den Titel
"Wieviele Wahrheiten gibt es in der jüdischen Halacha (Gesetz) ?"
Der Titel mag etwas lahm klingen, aber wer am Shiur teilnimmt, der wird überwältigt. Ganz besonders auch von den Kommentaren der ca. 10 Teilnehmer. Wir sind eine kleine Gruppe, was seine Vorteile hat, denn jeder kommt zu Wort.

Gestern ging es um ein anderes Thema, doch nach dem Shiur hatten wir eine interessante Diskussion mit einem Ehepaar.
Der Rabbi war gerade jemandem nachgerannt, um ihm etwas zu sagen und wir blieben allein zurück. Ich weiß nicht mehr, wie wir auf das Thema "Huhn" kamen, doch das Ehepaar, welches übrigens etwas hippiemässig ist, begann zu behaupten, dass man Huhn in Milch kochen darf, denn ein Huhn sei parve. Deshalb sei ebenso erlaubt, Käse auf das Hühnerfleisch zu platzieren und zu essen.
Natürlich erregten sich sofort die Gemüter und alle anderen waren entsetzt. Das sei ja nicht koscher, Huhn und Milch zusammen, und was das Ehepaar da nur von sich gebe. Das Ehepaar aber blieb hartnäckig und berichtete, dass dies zu talmudischen Zeiten durchaus koscher war.

Nebenbei bemerkt:
In den Koschergesetzen (der Kaschrut) ist PARVE ein neutraler Zustand. Parve bedeutet weder milchig noch fleischig und darf mit allem anderen zusammen gegessen werden. Zum Beispiel gibt es Parve - Kuchen, welcher ohne Milchzutaten gebacken worden ist. Oder Parve - Eiscreme. Alles nur Erdenkliche. Insgesamt Parve hat den Vorteil, dass man z.B. nach dem Fleischverzehr ein Parve - Eis essen kann, ohne die vorgeschriebene Zeit warten zu müssen. Wir wir wissen, ist im Judentum das gemeinsame Essen von Milch - und Fleischspeisen verboten. Wer also fleischig ist (zuvor Fleisch verzehrte), der kann ohne Bedenken Parve - Produkte essen, aber keine Milchprodukte.


Ich schlug dem Paar vor, doch zu warten bis der Rabbi wiederkomme, doch das Paar machte sich auf den Heimweg. Wir baten sie zu bleiben, bevor sie jetzt nach Hause rennen und ihr Huhn in der Milch kochen. Dies war sarkastisch gemeint.
Das Ehepaar jedoch wartete nicht und zog von dannen. Bis nächsten Mittwoch.

Als Rabbi Eisen wenige Minuten später zurückkehrte, sprach ich ihn auf diese obskure Behauptung an und er setzte sich mit uns zusammen und erklärte Details. Details, denen ich in den kommenden Tagen etwas nachgehen will, denn er gab mir sämtliche talmudische sowie halachische Quellen dazu.

Unter anderem berichtete der Rabbi von einer Mischna im Talmud Traktat Chullin, nach der es erlaubt gewesen sei, Käse und Huhn zusammen zuverspeisen. Er meinte jedoch gleichzeitig, dass diese Mischna sehr kompliziert sei und halachisch dies heute keine Anwendung mehr findet. Heutzutage ist das Huhn NICHT parve und es ist verboten, es zusammen mit Milchspeisen aller Art zu verzehren. Zu talmudischen Zeiten machte Rabbi Eliezer eine Ausnahme, welche Rabbi Akiva jedoch nicht gelten liess. Aber dazu demnächst etwas mehr aus dem Talmud und dem Schulchan Aruch (Code of Jewish Law).

Für mich war es interessant mitanzusehen, wie manche Leute irgendwo eine Halacha oder talmudische Begründung aufschnappen (wie das besagte Ehepaar) und dann meinen, alles zu verstehen, ohne nachzufragen und der Sache auf den Grund zu gehen.

Mittwoch, März 05, 2008

Test bestanden ?

B"H

Eine Freundin von mir hatte frühmorgens einen Termin beim Beit Din (rabbinischen Gericht) und sie sollte heute ins Judentum aufgenommen werden. Der Termin wurde ihr erst vor einer Woche mitgeteilt und seitdem lief sie auf dem Zahnfleisch.
Was soll sie lernen ?
Und ihr größtes Problem überhaupt war die Namenwahl.
Welchen Vornamen ?
Welchen Nachnamen ?
Bis fast Mitternacht nervte sie mich gestern.

Sie legte höchsten Wert darauf, nur ganz wenigen Leuten von ihrem heutigem Termin zu erzählen. Obwohl wir wenigen ihr alle zuredeten, sah sie sich schon am durch die Prüfung rasseln.
Und was werden dann die Leute sagen ?

So ging das gestern den gesamten Abend und sie gestand, nichts mehr zu wissen. Selbst ihren Namen habe sie vergessen und wie soll sie da heute ein Beit Din bestehen.

Vielleicht sollte ich sie anrufen, will aber nicht stören, denn vielleicht steht sie jetzt in der Mikweh (Ritualbad). Jedenfalls, wenn sie bestanden hat.

Penetranz

B"H

Die Involviertheit in der Religion kann in Jerusalem ungeahnte hohe Grade annehmen. Für jeden ist etwas dabei und jeder findet, wenn er daran arbeitet, irgendwo seine Nische. Dies kann manchmal etwas dauern, aber schließlich hat jeder einmal Glück. Eines jedoch kann ich versprechen: Langweilig ist das relig. Leben in unserer Stadt nie. Wenn ich morgens aufstehe, kann ich kaum vorausahnen, was mir der Tag wieder einmal bringt.

Vorgestern kam ein litvischer Haredi (Ultra - Orthod.) auf mich zu und fragte mich einfach so, ob ich zur "Megillat Esther - dem Lesen des Buches Esther in den Synagogen am Purimfest in zwei Wochen) gehe. Hinter dem Litvischen stand eine überaus blonde junge Frau, die mich mit grossen Augen anstarrte. Zuerst hatte ich gar nicht bemerkt, dass der Litvische sie mit im Schlepptau hatte.

"Ja, ob ich die Blonde denn mitnehmen könne nach Mea Shearim. Sie wolle das halt auch einmal da sehen und so."

"Nein", sagte ich entschieden.

Die Blonde drehte sich auf dem Absatz um und ging.

Der Litvische stand verdutzt da und ich sagte ihm, dass er die Blonde selber irgendwo mit hinnehmen kann. "Naja, gab er zurück, sie wolle halt einmal die Chassidim sehen."

Das einzige Problem, dass der Litvische dabei übersah ist, dass die Chassidim die Blonde nicht sehen wollen.

Es sind nicht nur Nichtjuden, die sich romantische Vorstellungen vom ultra - orthodoxen Mea Shearim und dessen Bewohner machen. Auch die litvischen Juden haben keinerlei Ahnung, wenn es um chassidische Angelegenheiten geht. Jedenfalls die meisten Litvischen, die ich bisher kennengelernt habe.

Man geht nicht einfach mal eben so Mea Shearim und Chassidim schauen. Sind wir jetzt alle im Zoo, um beglotzt zu werden und damit sich hinterher viele brüsten können, sie seien einmal in einer richtigen Mea Shearim Synagoge gewesen. Ist das nicht cool ? Jetzt habe ich Ahnung und darf auch einmal mitreden.

Insbesondere viele Nichtjuden übersehen, dass es im Judentum Grenzen gibt. "Woche der Brüderlichkeit" und so, ja, aber es werden gewisse Richtlinien abgesteckt. Dies ist nicht neu und war schon zu Tempelzeiten so, wo Nichtjuden zwar auch Tempelopferungen bringen durften, sich ihr Zutrittsrecht allerdings nur auf einen begrenzten Bereich im Tempel bezog.

Vor ca. zehn Jahren gingen die Uhren in Mea Shearim noch anders. Es kam sogar vor, dass Nichtjuden am Schabbat eingeladen waren. Irgendwann jedoch hatten die Chassidim die Nase gestrichen voll, denn viele Besucher bezeugten nur ihre Neugier, um zu sehen, wie die Chassidim so ihr Wohnzimmer einrichten. Glotzen und sich brüsten.

Seit mehr als fünf Jahren hat Mea Shearim allem einen Riegel vorgeschoben. Gäste werden nur noch aus Yeshivot (relig. Schulen) akzeptiert und halt jene Newcomer, die einer chassidischen Gruppe sehr nahe stehen.

Es wäre schön, wenn sich viele Nichtjuden klarmachen täten, dass es in jüdisch - relig. Kreisen gewisse Spielregeln gibt und man nicht überall einfach seine Nase dabei haben muß. Die Synagogen Mea Shearims sind nichts für Nichtjuden und wer es dennoch penetrant wagen will, der kann sich schnell auf der Straße wiederfinden.

Dienstag, März 04, 2008

Bar Mitzwah in Belz

B"H

Wer gerade Zeit hat, der kann sich unverzüglich zur großen Synagoge der Chassidut Belz in Kiryat Belz / Jerusalem begeben, denn dort findet zur Stunde die Bar Mitzwah eines Enkels des Rebben Yissachar Dov Rokeach statt. Alle Chassidim werden vollzählig versammelt sein und es wird mit Sicherheit viel Interessantes zu sehen geben.

Die Belzer Beit Midrash in Jerusalem mit ihren 7000 Plätzen

"Und es war in den Tagen des Achaschwerosch"

B"H

"Und es war in den Tagen des Achaschwerosch - VaYehi Be'Yamei Achashverosh" - so lauten die ersten Worte der Megillat Esther (dem Buch Esther) welches wir an Purim zweimal laut in den Synagogen verlesen.

Der Talmud Traktat Megillah gibt außerordentliche Einblicke in das Buch Esther. Einblicke, die wir aus dem Buch selber nicht so offenbar erhalten. Entweder sind sie versteckt im hebräischen Originaltext oder es bedarf des Zusatzes der Midrasch - Literatur.

Schon das erste Wort der Megillah überhaupt wird ausgiebig unter die Lupe genommen. "VaYehi ויהי - Und es war / geschah", ein Wort, welches wir auch wiederholt zu Beginn einiger wöchentlichen Thoraparashot sowohl als auch in den Propheten finden. Die Gemara (rabbinische Diskussionen) im Talmud Megillah 10b klärt uns auf, dass immer dort, wo "VaYehi" auftaucht, etwas Negatives bzw. Schmerzhaftes folgen wird.

Man muß sich einfach einmal die Tragödie vorstellen, welche die Zerstörung des Ersten Tempels durch die Babylonier mit sich brachte. Da stand mehrere Hundert Jahre lang ein Tempel in Jerusalem, erbaut von König Salomon . Ein Tempel, in dem alltägliche Wunder an der Tagesordnung waren. Ein Zustand, der für uns heute kaum noch vorstellbar ist. Ein besonderes Wunder war schon G - ttes ständig "Schechinah - Anwesenheit". Es gab das "Lechem HaPanim - Shewbread", Schabbatbrote, die von Woche zu Woche frisch blieben.

Anscheinend sind dies für uns alles unbeschreibliche Wunder, doch die damaligen Einwohner Jerusalems gewöhnten sich an alles und begannen, sich von G - tt abzuwenden. Somit war die Katastrophe nur noch eine Frage der Zeit. Und dann kam der babylonische Brutalo - König Nevuchadnezzar, zerstörte den Tempel und schleifte die jüdische Elite in sein Königreich.

Und jetzt in den Tagen des Achaschwerosch sollten die Juden ganz vernichtet werden. Besonders im Talmud werden die Katastrophen des Jüdischen Volkes immer wieder eingehend diskutiert. Warum fand es statt und was war G - ttes Anlaß ? Denn wie wir alle wissen, geschieht nichts auf der Welt, ohne dass G - tt einen Grund dafür hat.

Was also war der Grund, dass sie Juden zu Zeiten Mordechais und Esthers vernichtet werden sollten ?
Der Talmud Megillah 11a sieht den Anlaß der "Bitul Torah - der Vernachlässigung der Thora". Die Juden lernten einfach nicht mehr genügend Thora und wollten nicht verstehen, warum sie anders sind als andere Völker und diverse Gesetz einhalten sollen.

Haman hatte leichtes Spiel König Achaschwerosch für seinen Vernichtungsplan zu gewinnen. Er wandte dabei Argumente an, die ich bis heute nicht selten höre. "G - tt habe die Juden verstossen und hat Seine Schechinah (Anwesenheit) von ihnen zurückgezogen." Argumente, die bis heute von christlichen Missionaren angewandt werden. Aber nicht nur von ihnen, sondern sind offensichtlich viele gläubige Christen dieser Ansicht, um so ihre selbstentworfene "Zugehörigkeit" zu rechtfertigen.

Aber wie der Talmudkommentator Maharsha und viele andere Kommentatoren schreiben, bleibt G - ttes Anwesenheit in alle Ewigkeiten unter den Juden. Eine Tatsache, wozu wir nicht unbedingt die Kommentatoren benötigen, sondern schon ein einfacher Blick in die Thora genügt. Auch als die Israeliten in Ägypten waren, war G - tt immer mit ihnen.

Der große Kommentator Rashi vertritt die Ansicht, dass Nevuchadnezzar und Achaschwerosch Brüder waren (zu Talmud Megillah 11a). Keine Brüder im biologischen Sinne; vielmehr ähnelten sie sich durch ihre Grausamkeiten. In der Gemara heißt es, dass Nevuchadnezzar den Ersten Tempel zerstörte und sein Nachfolger Achaschwerosch war ebenso an einer Tempelzerstörung beteiligt.
Wie das ?
Aus dem Buch Ezra erfahren wir, dass zu Zeiten des direkten Vorgängers Achaschweroschs, König Cyrus, einige Juden nach Jerusalem zurückkehrten und mit dem Bau des Zweiten Tempels begannen. Die in Israel ansässigen fremden Nationen jedoch wollten diesen Bau unbedingt verhindern und griffen ein. Als Achaschwerosch den Thron bestieg, brachte er den begonnen Tempelbau zum Erliegen. Und dies betrachtet der Talmud wie eine Tempelzerstörung an.

Manchmal ist es direkt unglaublich, wie entweder Juden sich selbst behinderten oder andere Völker den Bau eines jüdischen Tempels verhindern. Bezüglich der Juden erscheint es gerade so als wollen sie viele einfach keinen Tempel mehr. Jeder hat sein eigenes Leben irgendwo in der Welt und wer will schon sein "tolles" Dasein in der Diaspora aufgeben, um nach Israel zu kommen und irgendwelche Tiere opfern ?

Selbst nach dem Ende der babylonischen Diaspora war dies nicht anders. Nur ein Bruchteil der Juden ging nach Jerusalem, um den Zweiten Tempel zu errichten. Aber nicht alle blieben in Babylon, wo es ihnen wirtschaftlich hervorragend ging. Zu eben jenen Zeiten gab es sogar schon kleine Gemeinden in Deutschland (im Rheinland).
Was haben Juden ausgerechnet dort zu suchen, wenn in Jerusalem ein Zweiter Tempel gebaut wird ?

In der Literatur jüdischer Gelehrter gibt es eine Ansicht, dass jene deutschen Gemeinden ihre Strafe zur Zeit des ersten Kreuzzuges erhielten, in dem sie niedergemetzelt worden sind.

Aber wie wird eine solche für den einen oder anderen radikale Ansicht gerechtfertigt ? Haben wir nicht weiter oben von einem G - tt gehört, der niemals seine Anwesenheit (Schechinah) aus dem Jüdischen Volk zurückzieht ? Und ist Er kein vergebender G - tt ?

Tatsächlich zieht G - tt Seine Anwesenheit niemals zurück.
Im gleichen Zuge aber sind Juden verpflichtet, sich an Seine Gebote zu halten und wenn dies nicht geschieht, kann dieses Verhalten Folgen haben. Hierbei will ich jetzt um Himmels Willen in keine Theorien verfallen, wer warum bestraft wird. Genau wissen wir das eh nicht, denn wir sind nicht G - tt und können daher nur spekulieren.

Juden können oftmals ihr Schicksal selbst bestimmen, indem sie G - ttes Willen erfüllen oder nicht. Gemäß jüdischer Tradition haben sie fast immer eine Chance, ihre negativen Taten zu bereuen und Teschuva (Umkehr zu G - tt) zu begehen (siehe Ausnahmen in der "Mischna Thora - Hilchot Teschuva" des Rambam - Maimonides).
Jedenfalls haben das die Juden zu Zeiten Esthers getan und so ihre Vernichtung verhindert.

Auch zu unserer Zeit sind die Probleme die gleichen geblieben und unsere Aufgabe besteht darin, einiges an Teschuva zu leisten.

Montag, März 03, 2008

Woche der Brüderlichkeit ?

B"H

In einigen deutschen Zeitungen las ich Mitteilungen, dass derzeit in den deutschen Landen die "Woche der Brüderlichkeit" stattfindet. Soll ich dazu etwas schreiben oder es ganz einfach lassen ? Was geht mich das an ? Ich lebe ja in Israel.

Was mir nur etwas sonderbar vorkam war, dass ich beim Lesen verschiedener Online - Sites fast immer auf Vorträge von Prälaten oder Pfarrern stieß. Dies fiel mir natürlich ins Auge, denn geht es bei der Woche der Brüderlichkeit nicht um Verständnis ? Aber wessen Verständnis ?

Meiner Meinung nach sollten Vorträge das Judentum betreffend gerade in der Woche von Juden gehalten werden. Natürlich füge ich hier an "von religiösen Juden", denn was nützt mir ein Vortrag, bei dem der Referent alles aus dem Internet zog und nie auf einer Yeshiva, Yeshiva University oder Sonstiges lernte. Lektüre allein hilft nicht, denn die Zuhörer wollen gelebtes Judentum und keine Gute - Nacht - Geschichten ohne jegliche Kompetenz.

Die Woche der Brüderlichkeit steht in diesem Jahr unter dem Schatten des alltäglichen Kassam - Raketenhagels auf die israel. Städte Sderot sowie Aschkelon. Es würde mich interessieren, ob solch aktuelle Themen in der Woche der Brüderlichkeit auch Gehör finden oder sich nur alles auf ein paar wenige Einblicke ins Judentum beschränkt.

Und wie vermittelt man überhaupt kleine Einblicke ins Judentum, wenn die überwiegenden Mehrheit keine Ahnung hat ?

Da zum Shiur (relig. Unterricht) des Rabbi Mordechai Machlis nach wie vor der in Jerusalem voluntierende Priester (Mönch) kommt, jener, der mir vor Wochen eine e - mail schrieb und um ein Treffen incl. Fragen zum orthodoxen Judentum bat, kann ich mir die Fragen, Unwissenheit und die Basis des Interesses von Nichtjuden am Judentum etwas besser ausmalen. Zumindest anhand der Fragen des Priesters. Und auch bei ihm sehe ich grundlegende Unwissenheiten und viele viele Fehlinformationen. Jedenfalls sieht er durch den Shiur jetzt vielleicht einiges etwas klarer oder eher das Gegenteil: Alles wurde noch viel komplizierter.

Ob die Woche der Brüderlichkeit etwas bringt, weiß ich nicht. Manche Veranstaltungen scheinen reine geschlossene Gesellschaften zu sein und diesbezüglich sehe ich keinen Sinn darin, einen Rabbi mit dem Bürgermeister, irgendwelchen Vorsitzenden und Prominenten etc. zusammensitzen zu lassen.
Eher sehe ich den Erfolg, wenn es denn einen gibt, in der breiten Öffentlichkeit. Nicht nur kleine nette Friedhofsführungen oder Synagogenbesuche. Was nützt das, wenn die nichtjüdischen Besucher keinen Schimmer von dem haben, was da eigentlich genau abgeht. Der G - ttesdienst ist auf Hebräisch und was spielt sich ab ?
Wenn ich Vorträge halte und die Gruppe einen Besuch bei Haredim plant, dann bereite ich erst alle Teilnehmer eingehend darauf vor. Nicht einfach mal so hopplahopp. Nimm und friß.

Vielleicht argumentieren jetzt einige Leser, dass ja für derlei Vorbereitung schließlich keine Zeit wäre. Wie denn in der einen Woche ? Und falls ja, wie will man alle auf einen gemeinsamen Nenner bringen ? Jeder Teilnehmer verfügt über einen anderen Kenntnisstand.

Dies sind für mich keine Argumente, denn ein guter Referent muß in der Lage sein, dieses wettzumachen. Ich kriege auch monatliche neue Zuhörer mit gar keinem, wenig, viel oder übermässigem Wissen und wer länger im Geschäft ist, weiß eine Basis zu finden.

Wer von den Lesern an den dieswöchigen Veranstaltungen zur Woche der Brüderlichkeit teilnimmt, dem wünsche ich viel Vergnügen. Scheut Euch bloß nicht, direkte und neugierige Fragen zu stellen, wenn etwas unklar ist. Dumme Fragen gibt es keine.

Sonntag, März 02, 2008

Ad de lo yadah

B"H

Ad de lo yadah = Solange, bis man nichts mehr weiss.

Eine Anspielung auf das sich betrinken an Purim und zugleich ein bekannter jüdisch - relig. Song.

In gut drei Wochen steht Purim vor der Tür und es wird höchste Eisenbahn, sich allmählich näher mit dem Feiertag auseinander zusetzen.

Purim, dass ist die Story der Königin Esther, die im babylonischen Exil König Achaschwerosch heiratete und die gleichzeitig die Ausrottung des Jüdischen Volkes verhinderte. Am Feiertag selbst lesen wir zweimal die "Megillat Esther - Das Buch Esther", einmal abends und einmal morgens am Purim - Tag.

Purim ist nicht nur ein Feiertag, an dem ausgelassen gefeiert wird, sondern hat ebenso einen ernsthaften historischen Hintergrund. Der Talmud Traktat Megillah informiert uns über sämtliche Details zu dem Fest (hebrä. Chag) und der Schulchan Aruch (Code of Jewish Law) vermittelt uns die mit dem Feiertag verbundenen Halachot (Gesetze).

In diesem Jahr haben wir laut dem jüdischen Kalender ein Schaltjahr und den Monat Adar, in welchem das Purim - Fest normalerweise gefeiert wird, gibt es gleich doppelt. Adar A und Adar B.

Die Mischna im Talmud Megillah 6b lehrt, dass sobald Purim in ein Schaltjahr mit einem zweiten Monat Adar fällt, wir das Fest im zweiten Adar (Adar B) begehen.

Ich weiß nicht, wie es anderen ergeht, doch in Jerusalem ist es keine Seltenheit, auch in diesem ersten Monat Adar so manche verkleidete Leute zu sehen. Die Kostümierung ist vielleicht vergleichbar mit dem deutschen Fasching, doch Purim hat einen relig. sowie historischen Hintergrund.

Selbst die traditionellen Hamantaschen (dreieckiges Gebäck mit verschiedenen Füllungen wie Schokolade, Marmelade oder Dattelcreme) sind schon zu haben. Letzte Woche sichtete ich sie im haredischen (ultra - orthod.) Stadtteil Ge'ulah.

In der Gemara des Talmud Megillah heißt es, dass Königin Esther selbst die Weisen darum bat, die Megillah zu verfassen und sie am Purim - Fest verlesen zu lassen. Die Weisen antworteten ihr folgendermassen: Damit wirst Du den Zorn der anderen Nationen auf uns (die Juden) ziehen, da diesen behaupten werden, dass wir den Untergang unserer Feinde feiern. Esther schrieb zurück: Ich erscheine sowieso schon in den Chroniken der Könige von Persien und Media.

Esther wollte, dass ihre Story und der damit verbundene Lebenswillen des Jüdischen Volkes an alle folgenden Generationen weitergegeben wird. Der Bösewicht der Megillath Esther ist Haman, der wiederum ein Nachfahre des Amalek (Enkel des Esav) war. Amaleks Ziel ist es, dass Jüdische Volk zu vernichten und bis heute erinnern wir uns, dass es einen Amalek gab und immer noch gibt. Nicht nur ist Amalek eine Person, die vor weit mehr als Tausend Jahren starb, sondern Amalek befindet sich in jeder Generation. Es sind jene Menschen, welche die Juden vernichtet sehen wollen, wie die Römer, die Deutschen zu Zeiten Hitlers oder der derzeitige iranische Präsident.

Der Thora - u. Talmudkommentator Rashi sieht es als positiv, wenn alle anderen Nationen von der Story erfahren. So seien sie wenigstens in der Lage zu sehen, was den Todfeinden des Jüdischen Volkes geschieht.

Jeder hat so seine Vorlieben für einen Feiertag oder etwas, was er daran nicht mag. Ich weiß nicht warum, aber bisher konnte ich zu Purim keine richtige Verbindung aufbauen. Vielleicht weil die Leute betrunken herumtorkeln. Sich zu betrinken ist eine Mitzwah (Gesetz) an Purim. Ich kann dem nichts abgewinnen und finde es gräßlich, wenn an Purim alle durchdrehen.

Einen positiven Hinweis dazu bekam ich aber von einem guten Bekannten. Er sagte mir, dass er jedesmal beim Beten immer nur nachdenke, nichts falsch zu machen. Hat er auch ja die richtige Kavanah (Konzentration), kommt das Gebet bei G - tt an, was auch immer. Wenn er sich dagegen an Purim volllaufen läßt, ist er endlich in der Lage ohne all die störenden Gedanken zu beten. Einfach frei heraus, aber nur nicht umkippen.

Purim macht uns besonders deutlich, dass das Jüdische Volk nach all den Exilen und Pogromen immer noch sehr lebendig ist. Wieviele Male wurden wir schon totgeglaubt und sind immer wieder auferstanden ?

Und wo sind all die großen Imperien und Feinde, die uns einstmals an den Kragen wollten ? Wo sind die Assyrer, die Ägypter, Kannaniter, Babylonier, Griechen, Römer, Kreuzritter und wo ist das Tausendjährige Hitlerreich ?

Alle sind längst Vergangenheit, doch wir sind immer noch sehr lebendig und stehen nicht verstaubt in einem Museum herum.

Haya Sameach - היה שמח

B"H

"Haya Sameach" im israelischen Slang hat eine besondere ironische Bedeutung wie "wenigstens war es nicht langweilig".

Es war sonnig warm am vergangenen Schabbat und viele relig. Juden nutzten die Gelegenheit zu Spaziergängen. Und so war der ultra – orthodoxe Stadtteil Jerusalems, Mea Shearim, voll mit Leuten. Nicht unerwähnt sollte bleiben, dass Mea Shearim zwar der bekannteste solcherlei Stadtteile ist, doch bei weitem nicht der einzige. Nur befinden sich die meisten chassidischen Tische gerade dort, aber viele chassidische Synagogen sind genauso in Kiryat Belz, Mattersdorf, Sanhedria, Ge'ulah, Ramot oder Romema zu finden.

Freitag Abend erschien es gerade so als seinen Touristenbusse eingefallen, um ihre Ladung auszuschütten. Natürlich gibt es am Schabbat keine Busse in Mea Shearim, aber an israelischen Besuchern fehlte es ganz sicher nicht.

Ausnahmsweise nahm ich eine Freundin mit auf Tour und wir begannen mit dem Abendgebet Maariv bei den Karlin – Stolin Chassidim. Überflüssig zu erwähnen, dass die Karliner wieder voll in Action waren. Ekstasische Gebete mit größter Kavanah (Konzentration) und am Ende des G – ttesdienstes bekamen die kleinen Jungen ihre Süssigkeiten ausgeteilt. Dies ist ein Brauch in den meisten chassidischen Synagogen. Die Jungen bekommen am Freitag abend einen kleinen Plastikbeutel mit gemischten Süssigkeiten und die Mädels sind beim Morgengebet (Schacharit) an der Reihe.

Hinterher ging es, wie gewohnt, zum Schabbatessen zu Rabbi Mordechai Machlis und gleich darauf wieder zurück nach Mea Shearim. Die chassidische Gruppe Toldot Aharon sollte Sheva Berachot geben.
Sheva Berachot heißt übersetzt "sieben Segen" und es handelt sich um eine allabendliche Zeremonie, welche sieben Tage lang nach einer Hochzeit stattfindet. Ein Essen mit mehreren Gästen, bei denen die männlichen Anwesenden mehrere Segen zum Wohle des Brautpaares sagen.

Die Frauenempore der Toldot Aharon war überfüllt und dann war auch nur ein Raum der vorhandenen zwei zugänglich. Offensichtlich war der zweite Raum nur für die Familie der Braut geöffnet und so mußte sich der Rest in einen Raum quetschen. So drängte sich alles auf die Stufen der aufgestellten Metallgestelle und jedesmal, wenn eine Frau wieder auf die Idee kam, das Gerüst zu erklimmen, kam alles ins Wanken. Wir standen nur an der Seite, konnten aber dennoch kurze Blicke auf den im Erdgeschoß sitzenden Rebbe David Kahn werfen. Rechts von ihm sass der Bräutigam und links des Rebben jüngerer Bruder. Aber auch das Erdgeschoß war restlos überfüllt. Ich denke einmal, dass aufgrund der Festlichkeiten auch die Toldot Aharon Chassidim angereist waren. Es war kaum noch ein Stehplatz zu ergattern, aber trotzdem waren auch Besucher wie litvische Haredim oder Nationalreligiöse mit von der Partie.

Dann stürmte auch noch eine komplette Gruppe nationalrelig. Girls auf die Frauenempore und jedesmal wenn dies geschieht, gibt es kein Entkommen für die Toldot Aharon - Frauen. Ihnen bleibt nichts übrig als sich ihrem Schicksal zu ergeben, sprich den oft frechen Girls (Chutzpaniot). Alle nur erdenklichen Fragen prasseln auf die Frauen nieder und insbesondere die jüngeren Gruppenmitglieder finden dies sehr amüsant. Immer irgendwie mit einem ironischen Lächeln in Richtung der nationalrelig. Girls.

Die Rabbi Kook Fans (der erste zionistische Oberrabbiner Israels, und an dieser Stelle sind sarkastischweise die nationalrelig. Girls gemeint) breiteten sich in Windeseile aus und wir flüchteten zur nahegelegenen Toldot Avraham Yitzchak Synagoge. Allerdings fand dort kein Tisch statt und ich glaube, dass Rebbe Shmuel Yaakov Kahn den Tisch stattdessen in Beit Schemesch schmiss.

Und wo kann man sonst noch hingehen ?
Wer liegt in unmittelbarer Nähe ?

Richtig, die Slonim, bei denen wir seit Oktober schon nicht mehr waren.

Also gingen wir zu den chassidischen Slonim, über die so manche sarkastische Zunge behauptet, dass sie ja wohl eher den litvischen Juden gleichen. Na, lasst das mal keinen von den Slonim hören.

Übrigens ist es immer wichtig zu erwähnen, welche Slonim.
Die aus Bnei Brak oder jene in Jerusalem, denn sie sind in eben jene zwei Gruppen gespalten. Zwei Gruppen, die sich untereinander nicht ausstehen können.

Bei den Slonim war viel Platz auf der Frauenempore. Obwohl sie in Mea Shearim eine große bekannte chassidische Gruppe sind, scheinen sie auswärtigen Besuchern eher unbekannt zu sein. Und so war die Frauenempore fast leer. Wenn ich eines nicht verstehe, dann nicht warum die Slonim Frauen nicht am Tisch teilnehmen. Muß wohl ein interner Brauch sein. Und bei den Slonim brauche ich immer etwas Gewöhnungszeit für den Anblick der schwarzen Kaftane. Wenn man von den Toldot Aharon oder Karlin kommt, ist man das Schwarz nicht mehr gewöhnt und sieht nur noch seidig hellbraun. Die Slonim hingegen tragen am Schabbat nur schwarz. Genauso wie Gur und Belz.
Und ich muß ehrlich zugeben, dass mich die Melodien (Niggunim) der Slonim nicht unbedingt begeistern. Zu militärisch klingend. Bisher haben die Belzer auf mich den besten Niggunim – Eindruck gemacht, obwohl die Toldot Aharon über die beste Klezmer – Band verfügen.

Wie auch immer, Rebbe Shmuel Brozovsky hält seinen Tisch knapp. Er macht Kiddusch (Segnung des Weines) und danach wird nur noch gesungen. Essen, wie andere Rebbes beim Tisch, tut er nicht.
2 – 3 Stunden höchstens und alles ist vorbei. Und die Hälfte der Zeit war schon herum als wir eintrafen. Danach entschlossen wir uns zu einem weiteren Toldot Aharon – Anlauf. Ich war ganz einfach zu müde, um mich zu Kretchnif oder Dushinsky aufzumachen. Selbst bei den Schomrei Emunim vorbeizuschauen, vergassen wir.
Unser zweiter Anlauf war wesentlich erfolgreicher. Die nationalrelig. Girls waren auf dem Weg zum Ausgang und wir dachten erst, es sei jetzt eine Menge Platz. Fehlanzeige, denn die Toldot Aharon – Frauen hatten die Show übernommen. Es gab wieder keinen Platz, doch schließlich zog uns ein Gruppenmitglied auf das Metallgerüst hinauf und wir konnten alles mühelos überblicken. Rebbe David Kahn war in bester Laune, was anscheinend auch auf seine Chassidim übersprang. Man konnte die Frauen alles fragen und wir bekamen prompt sämtliche Antworten. Die Nationalrelig. hatten ihren besten Tag erwischt und machten sich mit vielen Infos und viel Gedankenstoff auf den Heimweg.

Weitere gesichtete Tischbesucher bei Toldot Aharon:
Viele Frauen von Dushinsky und Satmar.


Am nächsten Morgen kehrte ich zur Toldot Aharon Synagoge zurück. Ein kurzer Blick hinein genügte, um die Flucht zu ergreifen. Es war wieder nur ein Raum vorhanden und ich wollte bei dem schönen Wetter nicht eingequetscht mit Hundert Frauen irgendwo sitzen. Mich rief die Natur und die Sonne und so ging ich zur Klagemauer (Kotel), um am G – ttesdienst von Rabbi Mordechai Machlis teilzunehmen. Ich war froh, für das Morgengebet Schacharit nicht in Mea Shearim geblieben zu sein. Nach Toldot Aharon hatte ich erst Breslov oder Stropkov in Erwägung gezogen. Ehrlich gesagt, dachte ich dann aber an den Sonnenschein und fühlte, dass ich eine Pause brauchte. Draußen sitzen und die Natur geniessen. Oder wie die Breslover Chassidim sagen würden: "G – ttes Schöpfung geniessen und ein wenig Hitbodedut betreiben".

Ich gehöre keiner bestimmten chassidischen Gruppe an und bin froh darüber. Manchmal aber fühle ich mich zu sehr zu den Toldot Aharon hingezogen. Nicht immer ist das gut und deswegen gebe ich ihnen und mir eine Pause. Ansonsten reichen sie mir demnächst ein Aufnahmeformular und ziehen mich in ihre Gruppe.

Bleibt noch das Mittagessen am Schabbat bei Rabbi Mordechai Machlis:
Nach mehr als einem Jahr war es einmal wieder soweit. Ein christlicher Missionar aus Washington versuchte sein Missions – Glück. Er stand auf und zitierte etwas aus den Propheten. Rabbi Machlis korrigierte ihn und meinte, wenn er schon zitiere, dann möge er dies gemäss dem Original tun und nicht anhand falscher Übersetzungen. Der Missionar stand recht perplex da und fuhr fort, dass wir Juden ja offenbar ein Problem mit dem Verständnis haben, denn seitdem der Tempel weg sei und wir J. nicht als den Meschiach anerkennen, G – tt uns mit Blindheit straft. Der Papst läßt hier freundlichst grüßen.

Ich habe keine Lust mehr die Dummheit solcher Ideen zu erklären und lasse dies einfach einmal so stehen.

Rabbi Machlis reagierte perfekt und konterte. Auch die anwesenden Gäste hatten langsam die Nase voll und das Interesse war auf dem Nullpunkt. Der Missionar gab auf und jemand anderes ergriff das Wort mit einer witzigen Story. Danach stand Ron Ovadiah auf und hielt eine mehr als ergreifende Rede, wobei er sich an den Missionar wandte:

Seine Mutter sei in Auschwitz gewesen und führe nun seit drei Jahren israel. Jugendgruppen durch das KZ. Das Haus der Machlises sei ein Haus, welches die Thora live lebe. Gastfreundschaft und Güte (Chesed). Der Rabbi sei ein großer Rabbiner und da komme so ein naiver Missionar daher, der von Tuten und Blasen keine Ahnung hat und meint, im Hause des Rabbis seinen Müll ablassen zu müssen. Wie lange soll der Auschwitz – Ausrottungsprozeß eigentlich noch anhalten ? Erst wurden die Juden in Vernichtungslagern umgebracht und nun strömen die christlichen Missionare aus, wobei sie sich nicht schämen, sich vorher bei den Juden ordentlich durchzufressen.

Der Missionar war platt und wird nicht mehr erscheinen. Vielleicht gibt ihm all das ja etwas zu Denken und es bewirkt etwas Positives.

Samstag, März 01, 2008

Marathon

B"H

Es war ein sonniger warmer Schabbat und auch jene Leutchen, die sonst nicht viel am Schabbat unternehmen, waren unterwegs auf den Strassen.

Um meine Erlebnisse aufzuzählen, benötige ich einige Zeit. Hier nur eine kurze Inhaltsangabe:

1. Freitag Mittag: Besuch an der Kotel (Klagemauer) incl. der Jüdischen Altstadt, wo ich einige meiner früheren Chabad - Bekannten traf.

2. Freitag Abend: Abendgebet (Maariv) bei der chassidischen Gruppe Karlin - Stolin in Mea Shearim. Danach Schabbatessen bei Rabbi Mordechai Machlis.
Hinterher chassidische Tische: Scheva Berachot (Sieben Tage andauernde Feiern nach einer Hochzeit) bei den Chassidim von Toldot Aharon sowie chassidischer Tisch bei den Slonim (Jerusalem).

3. Schabbat Morgen: Aus organisatorischen Gründen war die Frauenempore bei den Toldot Aharon eingeschränkt und es gab statt den üblichen zwei nur einen Raum. Bei dem schönen Wetter wollte ich mich jedoch nicht mit 100 Frauen in engen Synagogenraum quetschen und entschied mich stattdessen, zur Klagemauer zu gehen. Dort nahm ich am G - ttesdienst von Rabbi Mordechai Machlis teil.

4. Schabbat Mittag: Mittagessen bei den Machlises, wo wieder mal ein christlicher Missionar seine Stories loswerden wollte, jedoch kläglich scheiterte. Später die traditionelle dritte Schabbatmahlzeit bei den Machlises.

Einen ausführlichen Bericht gibt es morgen.

Bis dahin, eine Gute Woche - Shavua Tov - שבוע טוב