B"H
Nein, ich bin kein Mitglied der chassidischen Gruppe Chabad (den Lubawitschern). Mehrere Jahre jedoch nahm ich an Vortraegen in der Jerusalemer Altstadt teil und habe Chabad eine Menge Wissen und Insights in die jued. Religion zu verdanken.
Einer der bekanntesten Chabad - Rabbis ist Rav Adin Steinsaltz aus Jerusalem. Der 1937 geborene und 1988 mit dem Israel - Preis ausgezeichnete Rav Steinsaltz ist vor allem beruehmt durch seine ins Englische uebersetzten Ausgaben des Babylonischen Talmuds (der Steinsaltz Edition). Ausserdem besitzt er die Ehrendoktorwuerde der Yeshiva University und der Bar Ilan University und ist Autor von mehr als 50 Buechern.
Aus einem seiner Buecher ( A Guide to Jewish Prayer) moechte ich einige interessante und nicht nur chassidische Einblicke in das juedische Gebet geben, welche vielleicht dem einen oder anderen den Zugang zum Gebet erleichtern oder zumindest ein besseres Verstaendnis geben.
Grundsaetzliches noch vorne weg: Juden beten dreimal am Tag zu vorgegebenen Zeiten; das Morgengebet Shacharith, das Nachmittagsgebet Mincha und das Abendgebet Ma'ariv. Zusaetzlich gibt es noch das Gebet (Shema) vor dem Einschlafen und den Tikkun Chazzot, den Mitternachtstikkun. Das zentrale Thema dieses Tikkun ist die Trauer um die Tempelzerstoerung und das Leben in der Diaspora. Im Talmud steht, dass G-tt selbst darum weint.
Ashkenazim, Sepharadim und Chassidim haben teilweise unterschiedliche Gebetsformen und Riten.
Kein Buch ist mit dem juedischen Herzen so sehr verbunden wie das Siddur (jued. Gebetsbuch). Es vereint das gesamte Judentum und ist selbst demjenigen vertraut, welcher nicht unbedingt Talmud lernt oder ueber sonstiges jued. akademisches Wissen verfuegt.
Ein jeder betet aus unterschiedlicher Motivation heraus und auch fuer individuelle Zwecke wie G-tt um etwas fuer sich oder fuer andere zu bitten, G-tt zu danken, Genesung, Freude etc. Gebet ist ein Ausdruck religioeser Emotionen und es ebnet den Weg zu einer Verbindung zwischen dem Betenden und G-tt. Die taeglichen drei Hauptgebete wurden von den Patriarchen Avraham, Itzchak und Ya'akov eingefuehrt (Talmud Berachot 26). Nach der Tempelzerstoerung ersetzen Gebete teilweise den ehemaligen Opferdienst, der zu Tempelzeiten stattfand.
Ueber die drei taeglichen Gebete hinaus, in denen der Ritus vorgeschrieben ist, kann jeder am Ende seine eigenen Worte und Gedankenanhaengen. Individuelle Gebete sind an keine Zeiten gebunden. Schon zu talmudischen Zeiten haben verschiedene Gelehrte ihre persoenlichen Gebete angehaengt.
Individuelle Gebete koennen ueberall und zu jeder Zeit stattfinden. Man braucht dazu keine Synagoge. Einige gehen dazu sogar in den Wald, wie die Breslover Chassidim. Persoenliche Gebete sind nicht verboten und werden von G-tt angenommen.
Das Wichtigste im rituellen sowohl als auch im persoenlichen Gebet ist, dass es vom Herzen kommt und nicht vom Intellekt. G-tt will dein Herz, so heisst es.
Die Mitzwa (das Gebot) zu beten besteht ebenso fuer Frauen wie fuer Maenner, wobei die Frau nicht immer auf eine Minyan warten muss. Sie kann ihre taeglichen Gebete auch alleine sagen, wodurch Frauen ihren eigenen Stil mit der Intimitaet entwickelt haben.
Neben der Mitzwa mit dem Herzen zu beten, sollte das Gebet ebenso Kavanah (Absicht, Konzentration) enthalten. Es heisst das ein Gebet ohne Kavanah wie ein Koerper ohne Seele ist. Die groesste Kavanah entsteht, wenn jemand G-tt spontan aus Sorge heraus um etwas bittet. Dann naemlich kommt das Gebet vom Herzen, da es zu eben jenem bestimmten Moment stattfindet. Uebrigens ist das Gebet mit Kavanah eine Halacha (eine relig. Vorschrift).
Kavanah (Absicht) besteht aus verschiedenen Leveln. Jede Neshama (Seele) ist eine einzigartige Welt in sich selbst und jeder von uns hat unterschiedliche Level von Spiritualitaet.
Es ist wichtig, das Bewusstsein zu erlangen vor dem Schoepfer zu stehen. Kavanah ist vergleichbar mit dem Gefuehl Musik zu hoeren oder eine Story zu lesen und sich vollkommen damit zu identifizieren. Identifikation mit den Worten des Gebetes.
Wie erreiche ich Kavanah ?
Vor allem ist es wichtig, regelmaessig zu beten. Regelmaessigkeit verbessert die Kavanah. Man sollte sich an einen ruhigen Ort begeben und sich auch in der Synagoge durch nichts ablenken lassen. Zuviel Drumherum oder Gedanken an Probleme stoeren. Die Umwelt ist ein wesentlicher Faktor. Viele erreichen ihre Kavanah durch jued. Meditation oder dem Singen von Nigunim (Melodien). Jeder nach seinem Level der Neshama (Seele).
Eine Mishna im Talmud Berachot schreibt 1 Stunde Meditation vor dem Gebet vor (wobei die Zeitangabe hier als metaphorisch anzusehen ist). Vor allem Chassidim meditieren vor dem Gebet um dadurch eine hoehere Kavanah zu erreichen.
Gebet und Musik
Seit fruehester Zeit ist Musik ein Teil des Services zu G-tt. Im Tempel nahm sie einen wichtigen Platz ein und selbst Koenig David verfasste seine Tehillim (Psalmen) mit Melodien.
Der Stil der Melodien ist bei Ashkenazim, Sepharadim und Chassidim hoechst unterschiedlich. Dazu kommt, dass jede chassidische Gruppe ihre eigenen Melodien entwickelt hat.
Nicht nur in Jerusalem, sondern vor allem in den USA, sind die Melodien des Shlomo Carlebachs sehr populaer. In Jerusalem gibt es mehrere Carlebach - Minyanim und Synagogen. Wer am Shabbat an die Klagemauer kommt, der wird garantiert eine Carlebach - Minyan finden.
Shlomo Carlebach hatte das grosse Talent durch seine Melodien einen jeden an eine spirituelle Welt zu fesseln. Wenn auch manchmal nur fuer Augenblicke.
Noch ein persoenlicher Tip von mir: Wer nicht immer dem gesamten Synagogengottesdienst folgen kann und wem alles viel zu schnell geht, der sollte sich in der Amida, dem Shemona Esre - Gebet, auf einen nach eigener Wahl bestimmten Vers besonders konzentrieren. Das ist wichtiger als alle Paragraphen gedankenlos herunterzurasseln.
Dienstag, Oktober 24, 2006
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