Montag, Januar 24, 2011

Wie verhalte ich mich in einer Synagoge ?


Photo: Miriam Woelke

B”H

Immer wieder kommt innerhalb der Leserschaft die Frage auf, wie man sich denn nun in einer Synagoge verhalten soll. Dies insbesondere als eventueller nichtjüdischer Gast.

Vor einiger Zeit war es in manchen orthodoxen Gemeinden Deutschlands üblich, dass ein Nichtjude vorher um Erlaubnis fragt, ob er denn am Schabbat in die Synagoge kommen darf. Zum einmaligen Besuch, damit er einen Eindruck erhält. Ich selbst erlebte es zu meiner deutschen Zeit in der Fürther Gemeinde, dass sich zuviele Nichtjuden richtig breitmachten und vielen Juden erklären wollten, was hier jetzt im G – ttesdienst ablaufe. Oder anders ausgedrückt: Ich erlebte viele Christen als absolute Wichtigtuer in der Synagoge und manchmal nervte es mich dermassen, dass ich gar nicht mehr in die Synagoge gegangen bin.

Aus dieser schlechten Erfahrung heraus rate ich jedem christlichen Besucher sich auf einen einmaligen Besuch einzurichten und nicht hinterher jede Woche die Tür der Synagoge einzurennen. In Israel ist der Synagogengang meist komplizierter, denn es kann vorkommen, dass ein Nichtjude sofort verwiesen wird. Dabei werden vor allem schlimme Erinnerungen mit christlichen Missionaren angeführt. Ferner handelt es sich bei einer Synagoge um ein jüdisches G -–tteshaus und ist nicht für übereifrige christliche Gutmenschen gedacht !



In der chassidischen Kossov Synagoge im nordisraelischen Zfat.
Bildmitte: Rabbi Mordechai Siev vom Chabad Hostel "Ascent". Wer sich wundert, warum da eine Frau inmitten der Sektion der Männer steht: Der Rabbi führte uns Ascent - Seminarteilnehmer herum und so standen wir an einem Morgen alle samt mitten in der Synagoge. 

Photo: Miriam Woelke

Verschlägt es einen Nichtjuden einmal in eine Synagoge, sollten gewisse Verhaltensnormen selbstverständlich sein. Zuerst einmal sollte eine Frau einen Rock tragen. Nicht auffällig rot oder in kunterbunten scheinenden Farben, sondern eher dunkel. Der Rock sollte mindestens bis zum Knie reichen. Lange Ärmel müssen nicht immer sein, doch sollte der Ellbogen bedeckt bleiben.

Bei den Männern ist eine Kipa selbstverständlich. Wer keine hat, kann sich allenfalls mit einer Baseballkappe, einem Hut oder einer Mütze behelfen. Niemand erwartet von einem Nichtjuden das perfekte Verhalten. Bedeutet, dass er weiss, wann was gebetet wird und wer wann beim Gebet steht oder sitzt. Aschkenazische und sephardische Juden haben oftmals eh unterschiedliche Bräuche, wer wann beim Gebet sitzt oder steht. Deswegen also keine Panik an den Tag legen. Ferner braucht jetzt nicht jeder ein Sidur (Gebetbuch) hervorzukramen und krampfhaft nach der Seite fragen, um darin mitzulesen bzw. zu beten. Der G – ttesdienst erfolgt in hebräischer Sprache und wer versteht dabei schon alles ?

Wer in die Synagoge geht, der sollte die Trennung zwischen Mann und Frau beachten. Chassidische Synagogen benutzen vielmals getrennte Eingänge und der Besucher sollte sich im voraus erkundigen, wer wo durch welche Tür geht. Die Geschlechtertrennung also einhalten, hinsetzen und ruhig sein. Was bleibt einem sonst übrig ? Auf das Reden sollte verzichtet werden. Vor allem dann, wenn der der Aron HaKodesch (Thoraschrein) geöffnet und die Thorarolle herausgeholt wird. Ebenso wird bei der gesamten Lesung aus der Thora geschwiegen.

Was, wenn die Leute mich anglotzen und merken, dass ich gar nicht zur Gemeinde gehöre ? Na und, lasst sie starren. Selbst in Israel werden Juden angestarrt, die sich in andere Synagogen begeben.

Soll ich so tun als ob ? Eindeutig nein, denn man weiss ja eh, dass Ihr ggf. kein Jude seid. Wieso also eine unnötige Show abziehen ?
Mein Rat: Geht hin, schaut Euch alles an und bringt viel Geduld mit. Es ist nicht einfach, drei Stunden in einer Synagoge zu sein und eigentlich kein Wort zu verstehen.

Pünktlich müsst Ihr nicht auf der Matte stehen. Fast alle erscheinen später. Gehen könnt Ihr auch, wann Ihr wollt und keiner ist gezwungen, von Anfang bis Ende dazusitzen. Nur solltet Ihr am Schabbat oder den Feiertagen vielleicht nicht gerade während der Thoralesung hinausgehen, sondern warten, bis diese beendet ist.
Notizen solltet Ihr während des G – ttesdienstes keine machen, denn das Schreiben ist am Schabbat verboten. Stellt auch Euer Handy aus und lasst es nicht klingeln ! Müsst Ihr auf das stille Örtchen, schaltet dort am Schabbat das wahrscheinlich angemachte Licht nicht aus, damit kein Jude gezwungen ist, nach Euch im Dunkeln zu sitzen oder das Licht ggf. anzuknipsen.

Im Grunde genommen sind diese Benimmregeln nicht schwierig und so ziemlich alles, was Ihr beachten solltet. Gebt Euch einfach ganz normal und wundert Euch nicht, wenn ein Verantwortlicher auf Euch zukommt und eventuell fragt, wer Ihr seid. Das ist ganz normal und gehört zur Sicherheitsroutine. 

Achtet ganz besonders darauf, dass Ihr keine Diskussionen zum Christentum beginnt. Hört Euch die jüdische Seite an und belasst es dabei. In einer Synagoge will niemand die Ideologie Eures christlichen Glaubens wissen. Also behaltet dies für Euch !

5 Kommentare:

  1. Shalom,
    ... ich meide nach Möglichkeit Kabbalt Shabbat, da mir da immer zu viele Leute zum Judengucken da sind. Zu den normalen Morgeng´ttesdiensten sind wir zum Glück unter uns, da das diesen Leuten wahrscheinlich einfach zu anstrengend ist.
    Baruch hashem, Samuel Caspar

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  2. B"H

    Zu meiner Zeit war das in der Fuerther Synagoge immer genau umgekehrt: Bei der Kabbalat Schabbat war tote Hose (ausser mir und einer Chabadnikit), beim morgentlichen G - ttesdienst tauchten dann aber schon Nichtjuden auf. Eine, die viel spaeter irgendwie konvertierte, stiftete der Synagoge sogar Sidurim und Machzorim (Gebetbuecher) und machte sich deshalb besonders wichtig. Man muesse Ihr ja so dankbar sein und so auf die Art. Graesslich !

    Insgesamt war der schlimmste Tag der Schabbat waehrend der Woche der Bruederlichkeit. Da gab es dann nur Nichtjuden in der Synagoge und einer fragte mich, ob der christliche J. auch so gefeiert habe.

    Kein Wunder, dass das den Juden dann auf den Geist geht. Einmal offener Schabbat bei der Woche der Bruederlichkeit und nie wieder !

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  3. Shalom,

    tut mir leid, bis auf die grundsätzlichen Verhaltensregeln muss ich Dir konsequent widersprechen.

    Ein Nichtjude kann jederzeit die G-ttesdienste besuchen solange er sich an die Regeln hält und nicht nur als einmaliger Besucher.

    "dass sich zuviele Nichtjuden richtig breitmachten und vielen Juden erklären wollten, was hier jetzt im G – ttesdienst ablaufe. "

    Ja das ist traurig, traurig für die Gemeindemitglieder wenn sich Nichtjuden besser auskennen und auch bereit sind zu helfen. Warum hat niemand aus der Gemeinde den G-ttesdienstablauf erklärt?

    "Ferner handelt es sich bei einer Synagoge um ein jüdisches G -–tteshaus und ist nicht für übereifrige christliche Gutmenschen gedacht !"

    Das ist ein Missverständnis, eine Synagoge darf jeder Besuchen der sich an die Regeln hält.

    "Denn mein Haus soll ein Bethaus sein für alle Völker" Jesaja 56:7

    Ich bin der erste der gegen Missionare vorgeht und das in der schärften Form, aber ich kann einen Nichtjuden der sich an die Regeln hält nicht der Synagoge verweisen!

    "Der G – ttesdienst erfolgt in hebräischer Sprache und wer versteht dabei schon alles ?"

    Über 90% der Gemeindemitglieder in Deutschland verstehen kein Wort.

    Du musst in Deutschlang davon ausgehen das die Deutschen allgemein massive Berührungsängste uns gegenüber haben, da traut sich kaum jemand überhaupt in die Synagoge. Ausserdem sind wir Multiplikatoren, an uns wird gemessen wie Leute später über Juden allgemein reden.

    Ich kann Deine Angst oder deine Wut auf christen nicht nachvollziehen. Deren Ansichten sind zwar falsch, aber für Nichtjuden sind die eben annehmbar. Wer soll ihnen sonst von G-tt erzählen wenn nicht wir?

    Wenn Leute missioniert werden, dann ist es unser Fehler und da müssen wir ansetzen. Dann müssen wir eben mehr Aufklärung betreiben.

    An anderer Stelle erwähnst Du Yad Vashem und die Spendengelder von christen. Wenn man das Geld nicht nimmt, kann man Yad Vashem dichtmachen, so einfach ist das. offensichtlich spenden wir selbst nicht genug.

    Sieh es mal so, die Missionare geben Milliarden aus und erreichen fast garnichts.

    Nebenbei, die Woche der Brüderlichkeit ist eine der grössen Schwachsinnsveranstalungen die ich kenne. Ich denke Du weisst welcher "Rabbiner" da mitmischt.

    Kol Tuv

    Joshua

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  4. B"H

    Nein, ich weiss nicht, welcher Rabbiner da mitmischt !


    Es gibt jued. relig. Gemeinden, die nehmen weder Geld von Christen noch Geld von Juden, die den Schabbat nicht einhalten. Nur einmal soviel zu den Prinzipien.

    Natuerlich kann jeder in eine Synagoge, doch solltest Du doch die deutschen Gutmenschen kennen. Wer ihnen freie Bahn gewaehrt, der wird sie nicht mehr los und sie mischen sich in alles ein. Solch eine Frau hatten wir in der Gemeinde und irgendwann bestimmte sie allein ueber den Friedhofsschluessel. Ja, zugegeben, weil sich sonst niemand kuemmerte, aber deswegen muss man einer Nichtjuedin noch lange kein Monopol einrichten. Mittlerweile konvertierte sie, erlabt sich jedoch auch am Geld fanatischer Freikirchen und sogar der Freimaurer, wie ich neulich in einer Lokalzeitung las.

    Bei Spenden sollte man immer Vorsicht walten lassen, denn gerade die Freikirchen haben da ihre eigene Agenda. Sie wollen sich so einkaufen und einen Fuss in der Tuer haben. Nimmst Du die Spenden an, wirst Du sie auch ab und an zu Veranstaltungen einladen etc. Das wiederum nehmen sie auf Video auf und zeigen es ihrer fanatischen Gemeinde im Internet. Die sind dann alle voll happy, dass man jetzt mit den "Juden zusammen ist".

    Es gibt viele ehrliche Nichtjuden, die sich fuer einen Synagogengang interessieren, dennoch sind viele dt. Gemeinden nicht begeistert, da oft die Synagoge mehr voll Christen ist als Juden anwesend sind.

    In London sah ich uebrigens keine Christen in der Synagoge von Golders Green, in der ich war. Solch eine Eigenart kann man dort nicht. Aber wie gesagt, es liegt wohl viel mit an der deutschen Vergangenheit.

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  5. "Es gibt jued. relig. Gemeinden, die nehmen weder Geld von Christen noch Geld von Juden, die den Schabbat nicht einhalten. Nur einmal soviel zu den Prinzipien."

    Das muss in Deutschland auch keine Gemeinde, dafür zahlt man Kultussteuer.
    Welche Gemeinde in Deutschland nimmt den keine Spenden heutzutage? Es ist doch jeder froh wenns mehr gibt.

    "deutschen Gutmenschen kennen"

    Absolut, aber gerade die kommen ein paarmal und verschwinden dann schnell wieder auf Nimmerwiedersehen. Woran das liegt? Weil die meisten Gemeindemitglieder russisch sprechen und andererseits religiös gesehen kaum Wissen haben.
    Ich war einmal erschrocken wie gut ein evangelischer Mann die Bibel kannte, ich meine jetzt nicht sein "NT". So gut kennt bei uns kaum jemand den Tanach. Da müssen wir ansetzen und Bildung vermitteln und nicht nur verwalten.

    "der wird sie nicht mehr los und sie mischen sich in alles ein."

    Da ist dann er Vorstand gefragt. Leider sind russische Vorstände viel zu anti-religiös und/oder zu naiv.

    "Nimmst Du die Spenden an, wirst Du sie auch ab und an zu Veranstaltungen einladen"

    Gut, dann kommt dann mal einer und guckt ängstlich zu während der Vorstand um ihm rumtanzt, das stimmt.
    Die kommen einmal und dann ist auch gut.

    "Die sind dann alle voll happy, dass man jetzt mit den "Juden zusammen ist". "

    Gut, sowas kenne ich nicht. Mag sein das es einige Durchgeknallte gibt, aber es gibt trotzdem wirklich Nichtjuden die das Judentum kennenlernen wollen ohne zu missionieren, die meine ich.

    "da oft die Synagoge mehr voll Christen ist als Juden anwesend sind."

    Das war vor Jahren mal so ähnlich. Problem ist, wie gesagt, die Sprachbarriere. Jüngere Russen sprechen fliessend Deutsch, kommen aber nicht in die Gemeinde. Ältere Russen kümmert es nicht was Nichtjuden da machen.

    "in der Synagoge von Golders Green"

    In Antwerpen wirst Du sowas auch nicht sehen, das liegt an der gesamten Infrastruktur.
    Ich persönlich finde es auch besser wenn wir in "offenen Ghettos" leben.

    Bei mir ist es einfach so das ich selbst vor fanatischen christen keine Hemmungen habe. Die sind sehr berechenbar und noch einfacher zu widerlegen.

    "Solch eine Eigenart kann man dort nicht. Aber wie gesagt, es liegt wohl viel mit an der deutschen Vergangenheit."

    Deutsche Juden waren in der Mehrheit nicht religiös und so ist es heute leider auch. Ausserdem gibt es faktisch keine deutschen Juden mehr.

    Solange Nichtjuden nicht übertreiben, können sie gerne kommen. Die meisten Deutschen trauen sich aus Angst schon garnicht in die Synagoge.

    Joshua

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