Donnerstag, Oktober 04, 2012

Chassidisches Judentum und warum es viele Konvertiten in den Chassidismus zieht




Kurz zum Videoinhalt:


Seit der Zerstörung des Zweiten Jerusalemer Tempels durch die Römer ist es einem Juden unmöglich, sämtliche 613 Gebote der Thora einzuhalten. Einerseits, weil sich viele der Gebote auf den Tempeldienst beziehen und da der Dritte Tempel noch nicht erbaut worden und der Meschiach noch nicht angekommen ist, gelten diesbezügliche Gesetze momentan nicht.

Zweitens kann ein Jude selbst mit dem Dritten Tempel und Meschiach nicht alle 613 Mitzwot erfüllen, denn vieles bezieht sich nur auf jüdische Männer oder die Cohanim (Tempelpriester und Nachfolger Aharons, welche, u.a., für die Tempelopferungen verantwortlich waren). Den Dienst der Cohanim darf kein anderer Jude ausführen. Unter 770 versteht man das Haus des letzten Lubawitscher (Chabad) Rebben Menachem Mendel Schneerson, welcher im Juni 1994 verstarb.


B"H

Ich selber wollte einmal Mitglied einer chassidischen Gruppe werden. Warum ? Weil ich auf einer Yeshiva (relig. Schule) lernte und in der chassidischen Ausrichtung des Judentums das perfekte Judentum an sich sah. Außerdem hatte (habe ich bis heute) viele Freunde in chassidischen Kreisen und eine Zeit lang wollte ich mein Leben genau so leben. Alles andere Weltliche erschien vollkommen unwichtig und mir machte es nichts aus, in alten Schuhen herumzulaufen oder nicht toll in den Urlaub fahren zu können.

Nach fast zwei Jahren in der Gesellschaft merkte ich, dass all das doch nicht mein Leben war und ich "stieg aus". Vielleicht gedanklich nie so ganz, doch heute führe ich ein anderes Leben. Dennoch spielen zahlreiche chassidische Richtlinien, Bräuche und Gedanken in meinem Leben eine starke Rolle und ich käme nie auf den Gedanken, mich dem nationalrelig. Judentum oder anderweitigen Ausrichtungen anzuschliessen.

In meiner Blogvergangenheit berichtete ich mehr als häufig von meiner Vergangenheit und den Erfahrungen, die ich machte. Weitaus nicht alles, doch dies ist momentan Thema eines Buches, an dem ich schreibe.

In den vergangenen Jahren machte ich in Jerusalem immer wieder die Erfahrung, dass es gerade Konvertiten zum Judentum zum chassidischen Judentum zieht. Nach ihrer offiziellen orthodoxen Konversion wollen sie chassidische Leben und einige Gruppen (u.a. Satmar, Toldot Avraham Yitzchak, Alexander) sind bereit, Konvertiten aufzunehmen. Nach einer längeren Probezeit, die in den meisten Fällen zwei oder drei Jahre dauert. Bei Chabad oder den Neureligiösen der Breslover Ausrichtungen (nicht zu verwechseln mit den original Breslover Chassidim aus Mea Shearim / Jerusalem, welche keine neuen Leute aufnehmen) braucht niemand auf eine Warteliste gesetzt zu werden, sondern man ist, in gewissem Maße, sofort Mitglied. Natürlich nicht im inneren Chabad Zirkel, denn der beinhaltet ausschliesslich gebürtige Chabadnikim. Man mag es kaum glauben, doch so offen, wie sich die Lubawitscher geben, sind sie nicht, denn auch bei ihnen herrschen strenge Hierarchien und ein Neurelig. hat, genau so wie in anderen Gruppen, weniger Chancen. Bedeutet, Neureligiöse sind innerhalb der Gruppe eingeschränkt und nie so akzeptiert, wie die gebürtigen Chassidim der Gruppe.

Wenn ich mir so ansehe, wie sich viele Konvertiten zum Judentum an die chassidischen Gruppen drängen, frage ich mich, ob da nicht eine gehörige Portion FASZINATION mitspielt. Die Leute scheinen allein von der chassidischen Kleidung fasziniert zu sein. Die Kleidung, die Tische mit dem chassidischen Rebben, die Musik, die Lieder, einfach alles. Da will man gerne mitmachen und man ist sich sicher, genau dieses Leben führen zu wollen.

Es gibt Konvertiten, die werden offiziell aufgenommen und führen ein Leben in der Gruppe. Andere scheitern an den hohen Anforderungen der Gruppe. Der chassidische Alltag jenseits der Tische und tollen Gesänge ist nicht einfach. Vor allem nicht für einen Neuling. Die Umgebung beobachtet und richtet einen und man selbst muss plötzlich auf viele Dinge im Leben verzichten. Zuerst mag man sich einreden, dass das halt am Anfang immer so ist und man lebe sich schon ein. Dies jedoch kann oft ein Trugschluss sein und es ist keine Schande aufzugeben. Der Chassidismus ist nicht für alle Juden und wer nicht nach den strengen Gruppenregeln leben kann, der hat die Möglichkeit, sich immer noch dem LIGHT CHASSIDISMUS wie den Carlebachern zuzuwenden. Nicht jeder muss unbedingt Mitglied irgendeiner Gruppe sein.

Ein Chassid sagte mir vor einiger Zeit, dass seine Gruppe RUDZHIN – BOYAN keine neuen Mitglieder aufnehme, eben weil die Gruppe schlechte Erfahrungen gemacht hat. Viele Interessierte verwechseln den chassidischen Alltag mit dem Glamour des chassidischen Tisches und der Kleidung. Seit einiger Zeit treibt sich ein holländischer Konvertit in Jerusalem herum, der von Gruppe zu Gruppe wechselt und niemand will ihn haben. Offiziell verkündet er, dass er Mitglied bei den Boyanern sei, was nicht stimmt. Mein Boyaner Bekannter erzählte mir, dass besagter Holländer noch nicht einmal zum Rebben vorgelassen worden ist, weil er keinen allzu normalen Eindruck mache. Laut eigenen Worten lernt der Holländer derweil in einer auf Neureligiöse ausgerichtete Yeshiva bei den Belzer Chassidim, aber ob er dort wirklich noch lernt, entzieht sich meiner Kenntnis. Ganz einfach, weil der Holländer sich jede Woche einer anderen Gruppe anschliessen will und bis heute allein dasteht.

Solche Fälle gibt es und wer einfach nur so eine Art HINGEZOGENHEIT verspührt ohne bereit ist, Opferungen zu erbringen, der scheitert am Ende. In meinem Fall besuche ich, nach wie vor, chassidische Synagogen, habe viele chassidische Freunde und Bekannte und lerne viel Chassidismus. Entweder mit einem Rabbiner in einer Gruppe der allein. Vielleicht bin ich deswegen kein so direkter Aussteiger, habe aber dennoch den Vorteil, dass ich mich nirgendwohin reinquetsche, wo ich nicht hingehöre und von daher die Leute viel lockerer Angehe. Und denen wiederum gefällt das, wohin gegen ihnen das Herumgeschleime und die Anbiederei der Neureligiösen auf den Keks geht.

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