B"H
In London oder New York ist alles anders. Diesen Spruch hoere ich staendig von Amerikanern oder Englaendern. In diesen Staedten naemlich ist jeder gezwungen zu arbeiten und lebt nicht einfach so vom Staat.
Hintergrund: Die Haredim (Ultra - Orthodox) in Israel bekommen, wenn sie in einer Yeshiva / Kollel (relig. Schule) eingeschrieben sind, staatliche finanzielle Unterstuetzung. Die Unterstuetzung geht auf ein Gesetz aus den 50iger Jahren zurueck. Da naemlich machte der damalige Premier David Ben Gurion ein Abkommen mit den Haredim, dass sie nicht zur Armee muessen und Unterstuetzung erhalten. Damals allerdings gab es nur ganz wenige Haredim, wogegen wir heute Tausende haben.
Die nichtreligioese Bevoelkerung sieht diese Unterstuetzung fuer die Haredim mit gemischten Gefuehlen. Die Ansichten reichen von Beschimpfungen (Parasiten) bis hin zur Duldung oder Akzeptanz.
Bis vor drei Jahren lebten viele Teile der israelischen Bevoelkerung (sozial Schwache) vom hohen Kindergeld. Das wird monatlich gezahlt und war, so fand ich jedenfalls, im Vergleich zu europ. Laendern unverschaemt hoch. Aufgrund der hohen Staatsverschuldung kuerzte der damalige Finanzminister Benjamin Netanyahu das Kindergeld. Alle beschwerten sich, doch das Gesetz trat in Kraft.
Seit dem Zeitpunkt ging es mit der haredischen Bevoelkerung bergab. Die staatl. Unterstuetzung allein reicht nicht mehr aus, wenn auch noch das Kindergeld weggekuerzt wird. Die Haushaltsausgaben sind immens, denn haredische Familien haben gewoehnlich mehr als sechs Kinder.
Haredische Familien mussten also umdenken. Statt Talmud und Thora zu lernen, wurden ploetzlich Wege gesucht, einen Job zu finden. Wenn es geht, nicht gerade als Rabbiner oder in relig. Institutionen, denn da wird schlecht, wenn ueberhaupt, gezahlt. Das weiss ich aus eigener Erfahrung.
Die eigentliche Verschuldung der Haushalte entsteht aber durch einen ganz anderen Faktor, den viele Leute nicht wahrnehmen:
Bei den Haredim, egal ob litvish oder chassidisch, ist es Brauch, dass bei einer Hochzeit die Eltern der Braut die Mehrheit der Kosten uebernehmen. Und wer einen guten Shidduch (geplante Ehe) will, der muss schon einiges bieten. Die Eltern der Braut sollten dem neuen Paar eine Wohnung kaufen. Das ist einmal Grundvoraussetzung (nur die Chassidut Gur ist hier die Ausnahme!!!).
Heutzutage ist ein Shidduch nicht nur etwaige Liebe oder Romantik, sondern ein Geschaeftsabkommen.
Koennen sich die Eltern der Braut keinen Wohnungskauf leisten, so wird es schon schwieriger, einen Shidduch zu finden.
Dann gibt es das Thema Moebelkauf und die Bezahlung der Hochzeit. Wobei wiederum zu bedenken ist, dass mind. 500 Gaeste, wenn nicht mehr als 1000 eingeladen werden.
Und, die normale haredische Familie hat nicht nur eine Tochter zu verheiraten, sondern einige Toechter.
Ich hoerte von vielen Familien, die deshalb so in der Schuldenfalle haengen, dass sie kaum etwas zu essen haben.
Und im Ausland sei alles anders, weil die Haredim in New York, London oder Antwerpen oftmals eigene Unternehmen haben und sich etwas leisten koennen. Wer weiss, vielleicht sind dort auch die Hochzeitsbedingungen anders als in Israel.
Nicht zu vergessen: Auch die Nationalreligioesen leiden unter der Kindergeldkuerzung. Bei ihnen jedoch arbeiten fast alle und die Hochzeitsbedingungen liegen wesentlich anders. Die Kosten von Hochzeit und sonstigen Ausgaben des jungen Paares werden meistens zwischen den Schwiegereltern aufgeteilt.
In haredischen Kreisen gibt es sehr viel Kritik ueber das System und die Auswirkungen, aber keiner kaempft dagegen an. Um einen guten Shidduch zu finden und nicht aufzufallen, spielen alle mit.
Freitag, März 23, 2007
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In der Thora steht doch, dass jeder für seinen Lebensunterhalt auch arbeiten soll. Gilt das nicht für die Haredim? Aus meiner Sicht nur Recht und Billig. Sich auf Kosten des Staates für den ganztätigen Jeschiwabesuch zu bedienen, ist eine Mitnahmementalität, die sich auch Israel nicht mehr leisten kann. Und was nützt das Lernen, wenn ich nicht es außerhalb auch lebe? Ich denke, die Mitzwot sind so nicht gedacht.
AntwortenLöschenB"H
AntwortenLöschenUeber dieses Thema koennte man endlos diskutieren.
Es heisst genauso, dass die Welt durch Thorastudium aufrechterhalten wird und viele chassid. Gruppen bekommen viel Geldspenden aus den USA.
Andererseits gab es bis vor 50 Jahren keine Foerderungen vom Staat und fast alle Rabbis in Osteuropa, so auch der Chafetz Chaim, hatten ihre eigenen Geschaefte und arbeiteten. In den USA ist das heute genauso.
Realistisch betrachtet koennen die Haredim nur mit der Yeshiva - Ausbildung auf dem Arbeitsmarkt kaum Jobs finden. Schwer vermittelbar.