B"H
Die Thoralesung für diesen Schabbat
"Vayeschev Yaakov be'Eretz Megurej aviv be'Eretz Canaan - Und Yaakov siedelte, lebte im Land seiner Väter, im Lande Canaan".
So lautet der erste Satz der dieswöchigen Thoralesung Vayeschev.
Die Frage ist, warum der Text hier besagt "Vayeschev" und nicht "Gar". Was ist der Unterschied zwischen den beiden Verben, die eigentlich beide "wohnen" andeuten ?
Rabbi Samson Raphael Hirsch aus Frankfurt beantwortete diese Frage wie folgt: "Lagur - Gar" deutet ein Wohnen an einem Ort an, an welchem einem das Land nicht gehört. "Vayeschev" hingegen bezieht sich auf ein Wohnen in einem Land, welches einem tatsächlich als Eigentümer zusteht. Und das Land Canaan gehört Avraham sowie den Nachfahren Yitzchaks; sprich, den JUDEN.
Bei "Vayeschev" und dessen Bedeutung fallen mir ebenso die heutigen Siedler ein, welche in der säkuleren israelischen Presse stets "Mitnachalim" genannt werden und nicht, wie eigentlich grammatikalisch richtig "Mityaschvim". Mityaschvim insoweit wie den Juden das Land tatsächlich gehört.
Schon von Beginn an tat sich ein riesiger Graben zwischen Yosef und seinen Brüdern auf. Yosef war des Vaters Darling und gab sich arrogant. Seine Brüder sahen ihn als eingebildeten Popanz, der sich die Augen schminkte und sein Haar hin und herstylte (siehe u.a. Ramban - Nachmanides). Meist gab sich Yosef lediglich mit den Kindern Bilhas ab, denn diese wurden als Konkubinenkinder von den Söhnen Leas verspottet. Benachteiligte tun sich gewöhnlich zusammen und so geschah dies auch im Falle Yosefs.
Andererseits gab Yosef sich auch nicht gerade als Unschuldslamm, denn er verpetzte seine Brüder beim Vater wo es nur ging. Kein Wunder, dass die so richtig sauer auf ihn waren und ihn als Querulanten ansahen. Warum aber retteten die Söhne Bilhas Yosef nicht vor dem Verkauf an die Ishmaeliten ? Hier vertritt die Midrasch Rabbah die Ansicht, dass Yosef über all seine Brüder beim Vater herzog.
Zu antiken Zeit genauso wie heute noch in der Beduinengesellschaft hüten die Schwächsten einer Familie die Schafherden. Die Dummies, sozusagen. Bei den Beduinen sind es heute fast immer die Frauen, die da als Hirten schuften. Yosef wurde als Dummie gesehen und er war es, der mit den Kindern der Konkubinen Bilhah und Silpah die Viehherden hütete. Auch den späteren König David kennen wir als Hirten, denn seine Brüder meinten, etwas Besseres zu sein und machten sich nicht gerne die Hände schmutzig.
Der Ramban ist ebenso der Ansicht, dass Yosef über die Söhne der Zweitfrauen von Yaakov bei seinem Vater ablästerte und deswegen hassten Dan, Naphtali, Gad und Asher ihn leidenschaftlich. Als die Söhne Leas sahen, wie sehr Yaakov den Yosef liebte und verzog, wurden sie neidisch. Yaakov liebte den Yosef, da er der Sohn seiner geliebten Rachel war. Andere Kommentare besagen, dass sich Yosef und Yaakov sehr ähnlich sahen.
Was auch immer Yaakov von seinen Vorfahren Schem (Sohn Noachs) und Ever (Sohn von Schem) gelernt hatte, lehrte er nun dem Yosef. Sämtliche Weisheiten und Geheimnisse der Thora.
Thora ?
Kam die Thora nicht erst später ins Spiel ?
Ja, schon, aber unsere Weisen lehren uns, dass die Vorväter schon vorab viele Gesetze der Thora einhielten, bevor diese überhaupt erst gegeben wurde.
Als Yosef dann auch noch den Traum hatte, in welchem sich seine Brüder vor ihm verneigen, war der Ofen ganz aus und ihr Hass kannte kaum mehr Grenzen. Nein, Yosef solle niemals irgendein König werde und über sie herrschen.
Yosef traf auf seine Brüder in Dotan, denn sein Vater hatte ihm aufgetragen, diese zu suchen. Zuerst wollten sie ihm umbringen, doch Ruven hielt sie zurück. Sie beschlossen, ihn in eine Grube zu werfen, um sich nicht ganz so schuldig an seinem direkten Tod zu machen. Der Ramban erwähnt an dieser Stelle, wie so oft, den Raschikommentar, der da besagt, dass die Thora ausdrücklich hervorhebt, die Grube sei LEER gewesen. Was interessiert es uns, ob die Grube leer war oder irgendwo eine kleine Wasserpfütze darin stand ?
LEER bedeutet in diesem Zusammenhang, dass sich nichts in die Grube wagte, denn diese war von Schlangen und Skorpionen bevölkert. Der erste aschkenasische Oberrabbiner Israels, Rabbi Kook (Kuk) sieht die Grube, in die Yosef geworfen wurde als Metapher für die Diaspora. Rabbi Kook vergleicht eine dunkle Grube mit derlei Getier mit der Diaspora. Gerade dort werden die Juden mit allen nur erdenklichen äußeren Einflüssen konfrontiert und ausgerechnet Yosef zeigt uns den Weg, wie wir dennoch unsere jüdische Identität und unsere Werte beibehalten. Yosef war der Meinung, dass wir uns den anderen Völkern mehr entgegenstrecken sollen. Mit anderen Worten, wir können uns nicht in abkapseln, sondern müssen genauso mit ihnen Leben. Zum Beispiel in der Geschäftswelt oder im Freundeskreis. Eine Öffnung bedeutet jedoch nicht "Mischehen - Juden heiraten Nichtjuden" einzugehen oder ihr Wertesystem zu übernehmen, denn auch für Yosef gab es eine Grenze der Offenheit. Die Thora und ihre Inhalte dürfen nie ad acta gelegt werden.
Yosefs Bruder Yehudah dagegen war mehr für die absolute Aufrechterhaltung der Heiligkeit (Keduscha) und der Separation. Rabbi Kook vergleicht beide Charaktäre mit dem Kampf der Makkabäer gegen die Griechen. Da die Parashat Vayeshev immer in die Chanukkah - Zeit fällt, suchen wir natürlich nach Zusammenhängen zwischen ihr und Chanukkah. Gerade zur Zeit der griechischen Besatzung verschrieben sich viele Juden dem Hellenismus. Man wollte so sein wie alle anderen Völker auch, nur G - tt spielte bei dem Spiel nicht mit. Das gleiche Schicksal wird auch uns irgendwann wiederfahren, wenn wir uns nicht an die Thora halten und meinen selbst entscheiden zu können was wir brauchen und was nicht.
Die Brüder sahen eine Karawane vorbeiziehen und Yehudah beschloss, denn Yosef einfach zu verkaufen. Wie konnten seine Brüder nur so grausam sein und Yosef in die Sklaverei verkaufen ? Hätte G - tt sie nicht unbarmherzig bestrafen müssen ? Und wieso rächte sich Yosef nicht später als er dazu imstande war ? Nebenbei erwähnt, Yosef erzählte später seinem Vater NIE, was die Brüder ihm angetan hatten. Die Thora gibt uns in den folgenden Parashot keinerlei Auskunft darüber. Als sein Vater Yaakov nach Ägypten zog, wohnten dieser und sein Sohn Yosef recht weit auseinander. Ein Kommentator ist der Ansicht, dass Yosef mit Absicht seinen Vater auf Distanz hielt, um so eventullen Detailfragen zu entkommen.
Der Arizal (der große mittelalterlich Kabbalist Rabbi Yitzchak Luria) ist der Ansicht, dass G - tt die Juden für den Verkauf des Yosef bestrafte. Und zwar zu der Zeit der römischen Besatzung vor 2000 Jahren als nach und nach berühmte Rabbiner wie Rabbi Akiva oder Rabbi Gamliel hingerichtet wurden. Die damaligen 10 Märtyrer repräsentieren die 10 Brüder. Dennoch kommt der Arizal genauso wie andere Kommentatoren noch zu einem ganz anderen Ergebnis. Die Brüder Yosefs sahen in ihrem Verhalten absolut nichts Unrechtes. In den vorherigen Generationen war es immer so der Fall gewesen, dass einer aus der Familie das schwarze Schaf war. So hatte Avraham einen Ishmael, der zuerst schlechten Charakters war (bis er zu G - tt zurückkehrte, siehe Talmud Traktat Bava Batra 16b) oder Yitzchak hatte einen Esav. Automatisch kamen die Söhne Yaakovs zu der Erkenntnis, dass auch ein ihrer Familie ein schwarzes Schaf umgeht; nämlich Yosef.
Aber können wir wirklich nur den Brüdern die Schuld in die Schuhe schieben ? Die Gemara im Talmud Traktat Schabbat 10b lehrt, dass ein Elternteil niemals ein Kind besonders bevorzugen soll. Dies rufe den Neid der Geschwister hervor. Und wenn unsere Vorväter auf solch einem hohen geistigen Level waren, wieso hielten sich sich nicht an diese einfache Regel ?
Yosef musste zwangsläufig in der Diaspora (Galut) landen, denn G - tt hatte vorbestimmt, dass die Juden in die ägyptische Diaspora gehen. Alles in unserem Leben ist vorbestimmt durch G - ttes Pläne und an dieser Stelle sind wir wieder zurück beim Thema des "Freien Willen". Wieviel "Freien Willen" haben wir wirklich in unserem Leben und was sieht G - tt für uns vor ?
Anscheinend müssen wir schwere Zeiten erleiden oder im Leben immer wieder Umwege gehen, um ans eigentliche Ziel zu kommen. Wenn wir sauer sind, diesen oder jenen Job nicht bekommen zu haben, dann sind wir enttäuscht vom Leben, weil wir glauben, gerade der Job sei das Richtige für uns gewesen ? Wäre er das wirklich ? Vielleicht hätte sich hinterher das genaue Gegenteil herausgestellt oder unser Leben wäre schlimmer geworden als zuvor. Nicht alles, was wir wollen, muss immer gut für uns sein und manchmal kommt es vor, dass G - tt uns vor zu schnellen Fehlern bewahren will. Das Problem ist nur, dass wir es in dem Moment nicht verstehen.
Der chassidische Kommentator Shem MiShmuel misst daher der Geschichte des Yosef ganz anderen Wert bei. Der Verkauf des Yosef musste erfolgen, um die Juden in die Diaspora nach Ägypten zu bringen. Und der ebenso große chassidische Rabbiner, der Chozeh (Seher) von Lublin, Rabbi Yaakov Yitzchak Horowitz, fügt noch einen weiteren philosophischen Gedanken hinzu. Sollen wir das Wort "Neid" immer nur negativ betrachten ? Nein, meint der, denn Neid kann durchaus positiv sein. Nämlich in dem Moment, indem ich andere Menschen um deren gute Eigenschaften beneide. Dies wiederum ruft eine innere Veränderung in mir hervor, die mich zum positiven bewegt. Bei den Brüdern hingegen war der Neid nur negativ.
Aber es gibt noch eine andere Verbindung zwischen dieser Thoralesung und dem am Freitag abend (11. Dez.) beginnenden Chanukkah - Fest. Yosef und die Makkabäer zeigen uns, dass es immer Hoffnung im Leben gibt. Und sei alles auch noch so trist, niemals sollten wir uns hängenlassen und aufgeben, denn schnell kommen auch wieder andere Zeiten.
Schabbat Schalom und vorab Chanukkah Sameach !
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