Montag, Februar 05, 2007

Giur und Halacha

B"H

Eines vielleicht erst einmal kurz vorweg:
Meiner Meinung nach sollten Konvertiten nach dem Giur ein neues Leben beginnen. Ohne ihr Altes zu vergessen, versteht sich. Manche Konvertiten leben auch nach dem Giur weiter mit dem Thema. Sobald allein schon das Wort GIUR auftaucht, wird das Thema sofort wieder aktuell.
Es muss im Leben weitergehen und man sollte mit dem Thema abschliessen, um sich auf ein Weiterleben "danach" konzentrieren zu koennen und nicht immer wieder alles neu aufrollen. Das Leben nach dem Giur besteht nicht nur aus Giur. Life goes on.
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Schon zur talmudischen Zeit gab es unterschiedliche Ansichten ueber die Aufnahme von Gerim (Konvertiten) ins Judentum. Einige Rabbiner (Talmud Pesachim 87b) begruessten die Aufnahme, andere dagegen sahen Gerim als eine Plage (Yevamot 47b).

Die Talmud Traktate Gerim und Yevamot beschaeftigen sich ausgiebig mit dem Thema Giur. In beiden Traktaten (Yevamot 47a) lehrt die Gemara, dass die Rabbis einen potentiellen Konvertiten darauf aufmerksam machen sollen, dass er sich eventuell einem Volk anschliesst, welches verfolgt und gehasst wird.
Daraufhin folgt eine Auflistung der Mitzwot (Gesetze), die der Konvertit mach dem Giur einhalten muss.

In Yevamot 47b heisst es, dass Konvertiten, die nach dem Giur keine Mitzwot halten, eine Plage fuer Israel seien. Rashi erklaert dazu, dass diese Gerim geborene Juden verleiten koennten, auch keine Mitzwot mehr zu erfuellen.
Die Tosafot haben eine ganz andere ueberraschende Meinung: Gerim halten sich oft strenger an die Mitzwot als geborene Juden und koennten somit die geborenen Juden vor G-tt in einem schlechten Licht erscheinen lassen.

Ein Ger, der einen geborenen Juden heiratet, aber keine Mitzwot mehr einhaelt, ist dennoch Jude und die Ehe ist gueltig (Yevamot 47b). Obwohl er "suendigt", behaelt er seinen juedischen Status (siehe auch Sanhedrin 44a, Rashi und Tur). Ein Konvertit muss in der Zeit, in der er in die Mikwe geht, bereit sein, die Mitzwot einzuhalten (Yevamot 47b).

Jemand der nur aus Liebe, Angst oder zwecks Heirat konvertiert, wird im Traktat Gerim, Kapitel 1, nicht als Konvertit gesehen. Man muss allein aus religioesen Motiven konvertiert sein. Offensichtlich gibt es einen grossen Unterschied, mit welcher Intension jemand in die Mikwe geht.
Nach saemtlichen Auflistungen folgen am Schluss des Traktates Komplimente, dass G-tt ernsthafte Konvertiten liebt.

Die Realitaet schaut heute weitgehend anders aus, wobei zwischen nationalreligioesem und haredischem Beit Din unterschieden werden muss. Bei Nationalreligioesen herrscht die Meinung, dass wer schon zwecks Ehe konvertiert, zumindest juedische Kinder haben soll. Und wer weiss, vielleicht werden die ja sogar einmal religioes.
Haredim haben natuerlich strengere Vorstellungen und schon allein das Aufnahmeverfahren in den Giurprozess verlaeuft anders.

Nicht jeder Giur ist gleich Giur. Ich hoerte einige Stories von Freunden, die beim Rabbanut (Oberrabbinat) konvertiert waren, doch im Endeffekt bei eben jenem Rabbanut auf Schwierigkeiten stiessen, eine Heirat bewilligt zu bekommen. Ploetzlich begannen die Rabbiner mit Nachforschungen ueber den religioesen Background. Vor allem, wenn ein Konvertit einen geborenen Juden heiraten will.
Heiratet ein Konvertit einen anderen Konvertiten, so gibt es gewoehnlich keine Probleme.
Ein Bekannter von mir (in der Yeshiva Machon Meir konvertiert und religioes) wollte die Tochter eines Cohen (halachisch einwandfrei) heiraten und hatte die groessten Probleme, eine Bewilligung zu bekommen.

Laut kabbalistischen Quellen findet waehrend der Mikwe ein Seelenaustausch statt und der Konvertit bekommt, wenn er ernsthaft bei der Sache ist, eine neue juedische Seele (Neshama).

Vor dem Eintritt in einen Giurkurs sollte sich jeder auf alle Faelle informieren; werden der Kurs bzw. das Beit Din hinterher anerkannt und von wem und wo ?

Etwas mehr zum Thema Giur gibt es am Donnerstag in meiner woechentlichen Thoraparsha. In YITRO diese Woche konvertieren Yitro (Moshes Schwiegervater) und die Israeliten. Die Mefarshim (Kommentatoren) haben eine Menge zu dem Thema zu sagen; vor allem der Vilna Gaon.

3 Kommentare:

  1. Danke Miriam - das war sehr interessant :-)

    Ja du hast schon irgendwie recht, man sollte es "hinter sich lassen", aber ich sehe das wie eine Einwanderung: Als Neuzugang hat man eine spezielle Geschichte, und die finde ich interessant und nichts, für das man sich schämen sollte. So eine Erfahrung macht nicht jeder an jeder Ecke, und daher begleitet sie einen.

    Wegen den Motiven ist es so, daß es kein schwarz oder weiß gibt. Mir ist niemand begegnet (ich habe wirklich Dutzende kennengelernt), die aus Zwang oder wirklich nur wegen einer Heirat übergetreten wären. Es war immer der Wunsch dabei, eine jüdische Familie zu gründen, und die Anlässe, bei denen man als Mitgleid einer Familie dabei ist, mit Sinn zu erfüllen. Ich weiß noch, Pesach war für mich immer so eine Zeit, in der ich am meisten dazugehören wollte. Wenn dieser Wunsch nicht da ist, dann schafft man es sowieso nicht, oder man wendet sich anderen Wegen zu, die einfacher und schneller sind. oder man läßt es gleich ganz sein - heiraten kann man auch so.

    Sinn und Unsinn von Gijurim werden glücklicherweise bei den Nationalreligiösen nicht darauf aufgehängt, wie dati derjenige hinterher lebt. Der Gijur gilt als "gelungen", wenn derjeniger hinterher in keiner Kriche betet, kein Weihnachten feiert und nicht bei Tiv Taam einkauft. Und das alles finde ich mit Verlaub - abstoßend.

    Ich werde jedenfalls weiter über das Thema und meine Erfahrungen berichten :)

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  2. B"H

    Ich finde es auch gut, wenn du Erinnerungen schreibst und anderen vielleicht weiterhilfst. Wobei ich mit meiner Einleitung nicht nur dich meinte, sondern eher allgemein.
    Aber an dem Thema haengen, ich weiss nicht. Irgendwann ist es ja auch einmal fuer dich abgeschlossen.

    Miriam

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  3. Weil es abgeschlossen ist (mehrere Jahre inzwischen) schreibe ich ja ;) Man lernt über sich selbst immer erst im Rückblick. Ob es wem hilft weiß ich nicht, aber schön wäre es.

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