Montag, Januar 12, 2009

Gelebte Orthodoxie

B"H

Meist ist das "orthodoxe Judentum" als fundamentalistisch, weltfremd und gänzlich unbeweglich" verpönt. Es falle schwer, sich mit all dem "Konservativem" zu identifizieren bzw. all diese Gesetze einzuhalten. Ginge es da nicht auch einfacher ? Zeitgemässer halt.

Unnötig zu erklären, dass dies nicht unbedingt der Sinn und Zweck des Judentums ist. G - tt gab uns die Thora mit all ihren Inhalten am Berge Sinai und war dabei keineswegs der Meinung, dass die darin enthaltenen Gebote (Mitzwot) für den Menschen zu kompliziert sind, sie einzuhalten. Ganz im Gegenteil, denn unsere Schriften lehren uns, dass G - tt keinem einzigen Menschen auf dieser Welt zuviel aufbürdet. Will damit sagen, dass jeder, habe er auch noch soviele Probleme am Hals, in der Lage ist, diese irgendwie zu meistern. Es mag höhnisch klingen, doch auch Krankheiten sind damit gemeint. Nicht, dass jedermann sich nur seiner inneren Kräfte bewusst werden muss und sofort ein Heilungsprozess einsetzt, sondern dass der Mensch die innere Kraft findet, mit der Krankheit und allem drumherum umzugehen.

Wer sich mit dem orthodoxen Judentum näher befasst, wird feststellen, dass es nicht ganz so unbeweglich und starr ist, wie vielseits angenommen oder behauptet. Dies beginnt schon allein damit sobald sich jemand den Lehrplan einer Yeshiva oder eines intensiven Religionskurses anschaut. Vom Thorastudium (mit all den Kommentatoren) hin über den Talmud, der Kabbalah (den Geheimnissen der Thora), der Halacha (jüdisches Religionsgesetz), der jüdischen Geschichte, der Ethik - Mussar (vor allem des Rabbi Israel Salanter und anderen), der Philosophie (Rambam - Maimonides, Avraham ben David Ibn Da'ud, Joseph Albo, Chasdai Crecas, Rabbi Avraham Yitzchak Kook - Kuk, Joseph Soloveitchik, etc.) sowie all der unterschiedlichen Strömungen (Chassidismus, litvische Haredim und Anhänger des Gaon von Vilna sowie Nationalrelig.). Das orthod. Judentum beinhaltet ein weitreichendes Spektrum; allein wenn ich nur an Rabbi Yehudah HaLevi und sein Buch "Der Kuzari" denke.

Andere Strömungen im Judentum unterrichten diese Sparten sicherlich auch, doch wenn ich mir die Inhalte und Beiträge auf anderen Sites, allein schon falsch dargestellte talmudische Zusammenhänge anschaue, wird die Laienhaftigkeit erst richtig deutlich. Viele reform - oder konservative Konvertiten sagten mir, dass sie, wenn sie etwas lernen wollen, sich zur Orthodoxie bemühen, denn das sei das Richtige und ernsthaftes Lernen sei Pflichtprogramm.

Aber auch in der Orthodoxie gibt es gewisse Knackpunkte im Lehrplan. Heutzutage steht leider die Philosophie nicht gerade hoch im Kurs in den Yeshivot oder anderweitigen Programmen. Wahrscheinlich meinen viele Rabbiner, den Leuten erst einmal die Halachot beibringen zu müssen, damit ein interessierter Jude auch ja in der Lage ist, relig. jüdisch zu leben.

Keine Frage, dass dies wichtig ist, doch sollte auch das "freie" Denken" geformt und nicht nur halachische "Zombies' herangezogen werden. Wenn wir ins Mittelalter schauen oder sogar schon zur Zeit des Rabbi Saadia Gaon bzw. des gesamten 9. / 10. Jahrhunderts, wird uns nur allzu sehr verdeutlicht, wie phantasievoll und erfindugsreich das damalige Judentum unterhalb der Gelehrten war. Nicht wenige neoplatonische oder aristotelische Gedanken flossen bei so manchem mit ein. Verglichen mit der Zeit des frühen und späteren Mittelalters bewegt sich unser heute gelebtes Judentum tatsächlich an der Grenze der rabbinischen Starre.

Persönlich interessiere ich mich für viele Themen im Judentum und habe so meine Phasen. Einmal mehr Philosophie, dann wieder Geschichte oder Kabbalah, dann Halacha oder anderes. So der Reihe durch und da ich recht flexibel bin, hänge ich nicht nur an einem Thema fest. Ich lese fast alles, aber, zugegeben, in einem gewissen Rahmen und keine so dahingeschriebene Literatur von Leuten, die das Judentum nicht unbedingt leben. Dennoch gehört der in Deutschland geborene und später nach Israel ausgewanderte Philosoph Gershom (Gerhard) Scholem zu meinen Lieblingsautoren und ich halte mich häufig in der "Scholem - Bibliothek" in Jerusalem auf. Dort lernte ich auch Scholems ehemalige Sekretärin Etti Liebes kennen, welche die Bibliothek nach wie vor leitet.

Gershom Scholem war nicht gerade das, was man einen religiösen Juden nennt, dennoch verteidigte er die Orthodoxie. Auch Martin Buber gegenüber, dessen chassidische Geschichten im allgemeinen von Chassidim und Leuten, die sich aktiv und professionell mit dem Chassidismus auseinandersetzen, abgelehnt werden. Buber in der Chassidut ? Nein, danke. Da schon lieber Eli Wiesel, der selber chassidisch aufwuchs und das chassidische Vokabular bis heute beherrscht.

Scholem war der Erste, der begann, historische kabbalistische Schriften zeitlich zu ordnen. Wer Kabbalah hört, denkt meist an dicke Wälzer, durch die man sich quälen muss. Dem ist jedoch ganz und gar nicht so, denn viele mittelalterliche Schriften bestehen oft nur aus ein paar Blättern. Selbst das Buch "Book of Creation - Sefer Yetzirah" besteht aus einer oder wenigen Seiten. Kommt darauf an, welcher Version man mehr Glauben schenkt.

Für meine Scholem - Zitate wurde ich auf meinem engl. Blog schon gerügt, denn Chassidim wollen ausschließlich ihre eigene Literatur zitiert wissen. Mea Shearim oder Boro Park (New York) verkauft keinen Buber, Scholem, Mendelssohn und nur bedingt Joseph Soloveitchik. Bei der Soloveitchik - Familie gab es einen Bruch, denn ursprüglich war sie extrem antizionistisch. Bis heute ist sie dies teilweise geblieben, doch mit Joseph Soloveitchik kam ebenso ein mehr oder weniger zionistischer Part in die Familie und nicht nur stures antizionistisches "Brisk - Denken". Bis heute lehrt der antizionistische Soloveitchik - Teil in seinen Brisker Yeshivot den Antizionismus und ist ebenso in der antizionistischen Dachorganisation "Edah HaCharedit" in Mea Shearim vertreten.

Meiner Meinung ist nicht alles, was nicht gerade Mea Shearim entspricht, grundsätzlich abzulehnen. Wer, zum Beispiel, den Rambam (Maimonides) verstehen will, der lerne auch etwas Aristoteles.
Aristoteles ? Uuhh, da bekommen richtige Orthodoxe schon einen Schock und meinen, man komme jetzt vom richtigen Glauben ab und lande in den Tiefen des Säkularismus. Besonders Rabbi Nachman von Breslov verbat seinen Chassidim das Studium des "Moreh Nevuchim - Führer der Unschlüssigen" vom Rambam. Dessen halachische Schriften wie das Studium der "Mishna Torah" hingegen sind erlaubt.

Das orthodoxe Judentum kann flexibel sein, dennoch aber genau das Gegenteil. Es kommt immer darauf an, mit welcher Gruppenideologie man sich umgibt. Klar lerne ich bei den Satmarer Chassidim weniger Philosophie als bei Chabad. Nationalrelig. lernen mehr jüdische Geschichte als die meisten Bewohner Mea Shearims.
Und meines Erachtens nach ist es schade, gerade die intellektuelle Seite des Judentums auzulassen und sich fast nur auf Halachot zu beschränken, um G - tt auch ja richtig dienen zu können.
G - tt selber gab uns einen Intellekt und ein Hirn und anscheinend verstanden dies die Rabbiner des Mittelalters besser als viele unserer heutigen Geistlichen.

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