Sonntag, April 29, 2007

Anmerkungen zum Gebet im Judentum

B"H

Mehrere Male schon wurde ich gefragt, wie man am besten betet und ob es moeglich ist, Gebete mit eigenen Worten zu formulieren. Genau diesen Frage habe ich mir vor fast zehn Jahren auch gestellt. Ist es unbedingt wichtig, dass ich im Judentum die vorgegebenen Gebete aus dem Sidur (Gebetbuch) sage oder kann ich alles in eigene Worten kleiden ? Und was ist mit den Tehillim (Psalmen) von Koenig David ? Muss ich die unbedingt sagen, denn es sind nicht meine Worte und meine Probleme, sondern die Koenig Davids.
Um eine Antwort schon einmal vorweg zu nehmen; bei genauem Hinschauen merkte ich, dass die Psalmen auch auf meine Probleme zutrafen und sie nicht nur auf Koenig David allein zugeschnitten sind.

Zuerst einmal sollte ein Jude die drei vorgeschrieben taeglichen Gebete beten, und zwar genauso wie sie im Sidur stehen. In der Shemona Esrei (Amida) kann jeder an einer bestimmten Stelle seine persoenlichen Wuensche einfuegen. Auch einen Lottogewinn oder einen zukuenftigen Ehepartner.
Wer fuer einen Ehepartner betet, der kann eines jedoch nicht tun: Den Namen des Zukuenftigen nennen. Es ist nur moeglich fuer einen guten Ehepartner zu beten, doch wer genau das sein Wort, entscheidet G-tt.

Die taeglichen drei Hauptgebete sollten, wenn moeglich, in der Synagoge in einer Minyan (10 jued. Maenner) gebetet werden. In einer juedischen Gemeinschaft beten ist sehr wichtig. Selbst wenn das gemeinschaftliche Gebet in der Synagoge nicht immer auf die Beduerfnisse jedes einzelnen eingeht, ist es besser, in einer Gemeinschaft zu beten. Wenn jeder Betende sich voll und ganz auf das Gebet konzentriert, hat dies positiven spirituellen Einfluss auf die ganze betende Gemeinschaft. Alle Mitwirkenden koennen so zu einem Ganzen zusammengeschweisst werden (Rabbi Adin Steinsaltz in seinem Buch "A Guide to Jewish Prayer).
Wer daheim allein betet, der sollte in einem Raum mit einem Fenster beten (Talmud Traktat Berachot). Wenn wir in einem Raum ohne Fenster beten, besteht die Gefahr, dass wir nur uns selbst sehen und alle anderen Menschen vergessen. Haben wir jedoch ein Fester vor Augen, dann sehen wir den Himmel etc. und vergessen nie, dass es auch noch Mitmenschen gibt und nicht nur uns allein.

Vor allem die Chassidut Breslov legt aeusserst grossen Wert auf die Hitbodedut. Rabbi Nachman von Breslov sagte, dass jeder Mensch taeglich mindestens eine Stunde allein sein und G-tt sein Herz ausschuetten soll. Und zwar mit seinen eigenen ganz persoenlichen Worten. Laut Rabbi Nachman kann das in einem Wald sein, auf einem Feld, im Park oder daheim.
Wer etwas von G-tt haben will, sei es Gesundheit, einen Job oder Geld, der muss darum beten. Es heisst, dass kein Gebet unbeantwortet bleibt. Wann und wie es erfuellt wird, liegt in G-ttes Hand und nicht in unserer. Manchmal kann es Jahre dauern und wir duerfen nie aufgeben, weiterzubeten.

Einmal als ich an einem Shabbatmorgen an der Kotel (Klagemauer) war, ging eine Familie an mir vorbei. Die Frau fragte ihre Mutter, ob sie denn nicht einen Zettel in die Klagemauer stecken wolle. Nein, sagte die Mutter, das habe ich schon im letzten Jahr getan und nichts ist passiert.
Genau diese Reaktion ist falsch. Wir koennen nicht erwarten, dass wenn wir beten, nach fuenf Minuten der Postbote kommt und uns ein Einschreiben bringt, dass wir im Lotto gewonnen haben.

Bei Gemeindegebeten sowie im persoenlichen Gebet muessen wir Kavanah zeigen. Heisst, uns voll und ganz auf das Gebet konzentrieren. Es ist nur allzu menschlich, dass waehrend des Gebetes unsere Gedanken zu wandern beginnen. Dazu sagte schon der Baal Shem Tov, dass sobald dies passiert, wir unsere negativen Gedanken beim Gebet in etwas Positives umwandeln koennen. Wir wissen, dass wir jene Gedanken haben, doch wenn wir uns im selben Moment auf das eigentliche Gebet konzentrieren, haben wir negative Gedanken in positive verwandelt.
Viele chassidische Rabbiner sowie natuerlich auch Rabbi Nachman von Breslov sagen, dass wir mit dem Herzen beten sollen und nicht mit dem Verstand. Schaut jemand in seinem Sidur auf das Gebet und versucht es intellektuell zu ergruenden, ist das ganze kein Gebet mehr, denn der Betende verliert den Faden.
Ein richtig ernsthaftes Gebet kommt von Herzen, z.B., in Zeiten der Not. Die hoechste Kavanah finden wir im spontanen Gebet (Rabbi Adin Steinsaltz).

Auch sollte jeden Tag mit einer erneuten Intension gebetet werden. Rabbi Mordechai Machlis pflegt zu sagen, dass wer heute genauso gebetet hat wie gestern, heute nicht gebetet hat. Sprich, Gebete duerfen niemals zur Routine werden.
Ebenso sollten wir in Betracht ziehen, nicht nur immer nur fuer uns alleine zu beten, sondern auch fuer andere. Es heisst, dass wer fuer andere betet, dem werden seine Wuensche zuerst erfuellt.

Es ist ganz normal, dass wir Zeiten haben, in denen wir nicht beten koennen. Sei es aus Launen heraus oder wenn uns einfach nicht danach zumute ist. In solchen Zeiten duerfen wir jedoch nie die taeglichen drei Hauptgebete auslassen und koennen zusaetzlich darum beten, beten zu koennen.

Rabbi Adin Steinsaltz erwaehnt noch eine andere sehr weit verbreitete Methode in seinem Buch "A Guide to Jewish Prayer". Naemlich die Methode des Betens mit Musik.
Musik hat schon beim Tempeldienst eine aeusserst wichtige Rolle gespielt. Manche Leute haben einen wesentlich einfacheren Zugang zu Gebeten, wenn sie diese singen. Ein gutes Beispiel sahen wir bei der gestrigen dritten Shabbatmahlzeit im Hause von Rabbi Meir Weiner in der Jerusalemer Altstadt. Dort war eine Mutter mit ihrem im Rollstuhl sitzenden schwerbehinderten Sohn zu Gast. Der Sohn konnte kaum sprechen, doch als nach dem Essen gesungen wurde, versuchte er begeistert mitzusingen.

In der juengsten Vergangenheit kommen die beruehmtesten Melodien von Rabbi Shlomo Carlebach, mit dessen Melodien viele Synagogengottesdienste abgehalten werden. Die sogenannte Carlebach - Minyan. Aber schon Koenig David komponierte seine Tehillim (Psalmen) mit Melodien.
Wer heutzutage zu Rabbi Mordechai Machlis geht, der trifft nicht selten auf Michael Griver aus London, der seine eigenen Melodien zu den Psalmen Koenig Davids vortraegt.
Ganz wichtig sind melodische Gebete in der Chassidut und vom Tisch des Rebben am Shabbat nicht wegzudenken. Musik im Gebet hat die Kraft, ungeahnte Emotionen hervorzurufen und wer diese Methode noch nicht ausprobiert hat, der sollte das schnellstens nachholen.

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