B"H
Am Dienstag feiert Israel seinen Unabhaengigkeitstag. Fast jeder Israeli geht dann hinaus ins Freie, grillt oder unternimmt Ausfluege in die Natur. Fast jeder Israeli, aber nicht alle.
Alljaehrlich kommen die ueblichen Diskussionen auf, ob und warum Haredim in Jerusalems beruehmten ultra - orthod. Stadtteil Mea Shearim oder in Bnei Brak bei Tel Aviv den Unabhaengigkeitstag ignorieren. Fuer viele chassidische Gruppen ist es ganz einfach ein normaler Arbeitstag ohne Feier. Vor allem die Satmarer Chassidim sowie die Neturei Karta bezeichnen den Tag als "Tag der Knochen" und der Trauer.
Die Bezeichnung "Tag der Knochen" ist ein hebraeisches Wortspiel. Der Unabhaengigkeitstag heisst uebersetzt "Yom HaAzma'ut" und man hat ihn in "Yom HaAzamot" umbenannt.
In Mea Shearim gibt es zwei grosse Gruppen, die den Staat Israel ablehnen: Die Neturei Karta sowie die Edah HaCharedit, eine Organisation bestehend vor allem aus Satmar, Toldot Aharon und Dushinsky. Die Neturei Karta in Mea Shearim besteht nur aus einigen wenigen Familien, welche meistens im und um Beit Hungari (ein Hinterhof nahe Mea Shearim Street) leben. Ihre Bluehtezeit erlebte sie in den fuenfziger und sechziger Jahren zu Zeiten der Rabbis Amram Blau (Bloi) und Aharon Katzenellenbogen. Heute wie damals besitzt die Neturei Karta einiges an Einfluss auf die Edah. Nicht, dass sie dort selbst vertreten sind, sondern viel mehr durch die Satmarer Chassidim.
Israel koenne nur wieder als eigenes Land gelten, wenn der Meschiach kommt, so die zwei Gruppen. Alles andere wie der heutige Staat Israel sei G-tteslaesterung. Israel wird nicht mit weltlichen Gesetzen regiert, sondern folgend der Thora und der Halacha (dem jued. Religionsgesetz). Ausserdem werde nur im Israel des Meschiach die hebraeische Sprache benutzt. Dies ist der Grund, warum heute viele chassidische Gruppen fast nur auf Yiddish kommunizieren.
Neturei Karta, Satmar, Toldot Aharon u.a. sind dafuer bekannt, dass sie keine israel. Busse benutzen. Sie verfuegen ueber eigene Krankenkassen und verweigern die israel. Sozialhilfe. Finanziert werden sie vor allem von anderen Chassidim aus den USA.
Wer genau die heutige Neturei Karta in Mea Shearim repraesentiert ist nicht ganz klar. Offiziell ist es immer noch Moshe Hirsch, der aber Geruechten zufolge an Alzheimer leiden soll. Moshe Hirsch war Minister fuer juedische Angelegenheiten in der Regierung Arafat. In Israel machte ihn der Posten fast zur Person non grata.
Wer am Unabhaengigkeitstag durch die Strassen Mea Shearims geht, der sieht keinerlei israel. Flaggen ausgehaengt. Nichts deutet auf einen Feiertag hin. 200 Meter weiter, in der Yaffa Street, sind die Feiern in vollem Gange, doch am Kikar Shabbat, in Malchei Israel und Mea Shearim Street ist von all dem nichts zu spueren. Die Geschaefte sind geoeffnet und man sieht Schulkinder aus der Schule kommen.
Ich verurteile diese Leute nicht, sind wir doch ein demokratisches Land. Eine Bekannte aus der Chassidut des Chatam Sofer fragte mich einmal, ob ich denn den Tag feiern wuerde und ob es ueberhaupt etwas zum Feiern gebe. Die Regierung trieft nur so vor Bestechlichkeit und die Wirtsschaftslage ist miserabel. Die Siedler werden von ihrem Grundbesitz vertrieben und alles sei eine Katastrophe.
Ich antwortete ihr, dass diese Punkte zwar alle zutreffen, aber immerhin koennen wir froh sein ein eigens Land zu haben. Das allein zaehlt schon etwas.
Samstag, April 21, 2007
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einerseits spricht es m.e. für den demokratischen charakter israels, dass israel diesen 'chassidischen staat im staate' toleriert. andererseits sehe ich darin auch eine gewisse gefahr eben für die israelische demokratie. zudem wäre aus meiner sicht eine schärfere trennung zwischen religion und staat auch in den innen- und sozialpolitischen bereichen ein gewinn für die israelische (gesamt-)gesellschaft. die ökonomischen anstrengungen der säkularen bevölkerung israels (beispielsweise die sozialhilfe für nicht-arbeitende religiöse bürger) sind m.e. auf dauer nicht haltbar und generieren völlig unnötiger weise immer wieder spannungen innerhalb der israelischen gesellschaft.
AntwortenLöschenschönes we!
frank
B"H
AntwortenLöschenDa ich mit Chassidim verbandelt bin und die Chassidut liebe, sehe ich das etwas anders.:-)))
Als Gefahr sehe ich es nicht fuer die Demokratie. Jedenfalls jetzt noch nicht. In den kommenden Jahren aber wird die Geburtenrate der Haredim steigen und die der restlichen Bevoelkerung sinken. Aber Gruppen wie Satmar etc. nehmen nicht an Knessetwahlen teil, und die Gruppen der Agudath Israel sitzen demokratisch in der Knesset.
Auf dem Arbeitssektor gibt es derzeit eine Umschichtung, da immer mehr Haredim gezwungen sind zu arbeiten. Chassidut Gur, Breslov oder Chabad arbeitet. Vor allem Gur und Vishnitz besitzen in Bnei Brak grosse Konzerne und schaffen Arbeitsplaetze.
Satmar etc. haengen nicht am Sozialtropf, da sie Geld vom Staat ablehnen.
Trennung von Staat und Religion sehe ich als unmoeglich, da wir nun mal in Israel sind und ebenso grosse relig. Bevoelkerungsschichten haben.
Auch ein schoenes Wochenende!!!
hallo miriam,
AntwortenLöschenmein aus atheistischer perspektive geposteter kommentar sollte keines falls ein persönlicher angriff auf dich oder die chassidut sein. naja, ich denke, du hast es schon richtig verstanden. ;)
in meinem sozialen umfeld ist noch immer die auffassung verbreitet, dass große teile der (ultra-)orthodoxen juden in israel nicht arbeiten müssen. gespeist wird diese informationslage wohl aus der gründerzeit israels. damals gab es, wenn ich richtig informiert bin, ja so eine art 'informal agreement' zwischen den säkularen und orthodoxen vertretern. deine hier gelieferten infos korrigieren nun mein diesbzgl. bisher vorhandenes bild.
mit deiner prognose bzgl. trennung von staat und kirche wirst du vermutlich prinzipiell recht behalten. dennoch glaube ich, dass sich beispielsweise die einführung der staatlichen zivilehe nicht mehr sehr lange vermeiden lässt. meiner meinung nach sollten orthodoxe und säkulare auch und gerade in diesem wichtigen sozialen bereich gleichberechtigt sein. die in israel geduldete 'auslands-eheschließung' empfinde ich als atheist und demokrat als diskriminierung. in meinem deutschen freundeskreis gibt es einige, die gerne nach israel auswandern wollen, aber durch solche restriktionen davon abgehalten werden. schade ...
lg, frank
B"H
AntwortenLöschenHi Frank, also ich habe gar nichts als Angriff gesehen und dich schon verstanden.:-))
Bei den Haredim, die vom Staat unterstuetzt werden oder nicht zum Militaer gehen, kommt es immer drauf an. Allgemein kann man nicht sagen, dass alle auf Stuetze sind oder so.:-)
Seit Jahren hat die Armee eine eigene Einheit (die Nachal) fuer haredische Soldaten und gearbeitet wird auch.
Zur Nachal - Einheit: Dort dienen viele Haredim, obwohl es fuer sie schwer ist, aus der Gesellschaft auszubrechen, haben sie doch spaeter Minuspunkte eine passende relig. Frau zu finden.
Aber ich las in der Zeitung, dass es sogar ein paar Soldaten aus der chassid. Gruppe Toldot Aharon gebe und deren Rebbe das als Ausnahmefaelle gestattet.
Es wuerde mehr Haredim zum Militaer gehen, wenn sie von ihrer eigenen Gesellschaft weniger Nachteile befuerchten muessten.
Zur Arbeit: Viele arbeiten, ausser Satmar und die Extremsten. Nicht, dass sie nicht wollen, aber dann muessten sie ja Steuern an einen Staat zahlen, den sie nicht anerkennen. Aber fuer sie steht das Thorastudium im Vordergrund. Finanziert werden sie aus den USA, was mich nicht stoert.
Viele haredische Frauen finden gutbezahlte Jobs in der Hightech - Branche in Jerusalem und Beit Shemesh.
Es gab in der 50iger Jahren ein Abkommen zwischen Ben Gurion und dem Chazon Ish aus Bnei Brak, wenn ich nicht irre. Das Abkommen gilt zwar noch, doch wurden die Kindergelder gekuerzt.
Du musst eines sehen: Israel ist ein juedischer Staat mit ebenso nichtjued. Buergern. Insgesamt aber will Israel juedisch bleiben und viele ausl. Eingeheiratete kommen nur, um gewisse Rechte zu erhalten. Staatsbuergerschaft und so. Da ich orthod. bin, brauche ich dir sicher nicht zu erklaeren, was ich von Ehen zwischen Juden und Nichtjuden halte.:-))
Warum dt. Nichtjuden nach IL auswandern wollen, ist mir schleierhaft. Was genau wollen die eigentlich hier ? Ich denke, dass manche da zu blauaeugig sind und das Leben hier nicht kennen.
Soweit erstmal. Laila Tov - Gute Nacht.
deine letzte frage rührt vermutlich daher, dass du israel primär aus der religiösen perspektive betrachtest. israel hat aber m.e. auch andere qualitäten wie beispielsweise das angenehme klima (wetter), schöne landschaften und die kibbuzim. ;))
AntwortenLöschendass euch die erhaltung des jüdischen charakters eures staates wichtig ist, kann ich sehr gut verstehen. aus verschiedenen gründen bin ich der meinung, dass es auch in zukunft wenigstens einen staat mit jüdischer mehrheitsgesellschaft geben muss. dennoch wünsche ich mir ein wenig mehr toleranz gegenüber nicht-juden und nicht-orthodoxen-juden.
heißt 'laila'=gut und 'tov'=nacht oder andersrum?
lg, frank
B"H
AntwortenLöschenHi Frank, natuerlich sehe ich vieles aus der relig. Perspektive, kann mir aber auch eine andere vorstellen, da ich ja nicht immer so war. Das Leben also auch von ausserhalb kenne.:-)
Als ich zum ersten Mal nach Israel kam, war ich von der hier herrschenden Toleranz beeindruckt. Das hoert sich jetzt vielleicht fuer viele im Ausland komisch an, dennoch fand ich hier mehr Toleranz als z.B. in Deutschland. Wenn ihr wuesstet, was hier alles akzeptiert wird und wie man sich verhalten kann, ohne schief angeschaut zu werden. Vielleicht schauen die Leute, sagen aber nichts.
Klar, kommt alles vielleicht immer gerade auf die Situation an.
Zwischen Religioesen und Nichtreligioesen gibt es teilweise mehr Akzeptanz als man sich das vorstellt. Nicht alle Nichtrelig. waren Tommy Lapid - Waehler, der die Relig. von Grund auf hasst.
Israel ist ein Land mit vielen Meinungen und verschiedenen Leuten und irgendwie muss immer jeder sein Plaetzchen finden, denn das ist hier sehr wichtig.
hallo miriam,
AntwortenLöschendanke für dein statement, aber leider weiß ich nun immer noch nicht, was die worte 'laila' und 'tov' im einzelnen bedeuten. ;))
deshalb nochmal meine frage:
heißt 'laila'=gut und 'tov'=nacht oder andersrum?
und gleich noch eine frage:
gibt es einen unterschied zwischen 'iwrit' und 'modernem hebräisch', oder ist mit beiden ausdrücken das gleiche gemeint? der betreffende artikel auf 'wikipedia' hat mich etwas verwirrt ...
gute nacht,
frank
B"H
AntwortenLöschenLaila = Nacht
Tov = gut, gute
Ivrit und Hebraeisch ist dasselbe, nur heisst Hebraeisch auf Hebraeisch Ivrit. Hoffentlich steigst du jetzt noch durch.:-)))