Donnerstag, April 19, 2007

Parashat Tazria - Metzora

B"H

Die Thoralesung fuer diesen Shabbat

An diesem Shabbat lesen wir zwei Lesungen auf einmal. In Parshat Tazria wird uns gelehrt, wie wir durch menschliche Koerper unrein werden und in Metzora wird uns mitgeteilt, wie wir uns aus diesem Zustand der Unreinheit befreien koennen.
Der Maharal von Prag stellt in seinem Thorakommentar Gur Aryeh (siehe auch Rabbi Yehonatan Eibeschuetz) die Frage, warum uns zuerst von der tierischen Unreinheit und dann erst von der menschlichen berichtet wurde. Haette G-tt uns Menschen nicht vorziehen muessen ?
Wenn wir auf die Erschaffung der Welt zurueckschauen sehen wir, dass Tiere vor den Menschen erschaffen wurden. Sollte jemand von uns zu arrogant werden, duerfen wir nie vergessen, dass selbst die kleinste Muecke vor uns erschaffen wurde.
Im Buch Likutei Sichot von Chabad heisst es, dass G-tt zuerst ueber Kaschrut (kosher laws) sprach, denn schon vor der Geburt eines Kindes ist die Mutter fuer den Embryo verantwortlich. Verantwortung hierbei heisst, dass sie nur koschere Nahrung zu sich nimmt, um das Kind positiv zu beeinflussen.

Gleich zu Beginn geht es um das Thema Geburt. Das kabbalistische Buch Zohar beschreibt welche Stationen eine Seele (Neshama) durchlaeuft, bevor sie in unserer Welt in einen menschlichen Koerper kommt. Zuerst geht die Seele in das Paradies (Gan Eden) und sieht dort die Seelen der Gerechten (Zaddikim). Danach geht sie ins Gehinnom, wo sie die Schreie der schlechten Menschen hoert. Schliesslich kommt die Seele mit einem maennlichen und weiblichen Part in diese Welt und spaltet sich auf in einen Mann und eine Frau. Unsere Aufgabe im Leben besteht darin, unsere "Soulmate" zu finden und zu heiraten.
Im Paradies sieht die Seele den perfekten Zustand und eine heile Welt. Im Gehinnom dagegen wird ihr das Gegenteil gezeigt. Gehinnom im Judentum bedeutet nicht Hoelle, sondern ein spiritueller Reiningungsprozess. Rabbi Meir Weiner beschrieb den Zustand einmal sehr treffend: Gehinnom ist, wenn die Seele den Koerper verlaesst und in einer Art Twilight - Zone haengenbleibt. Sie will zu G-tt aufsteigen und bleibt auf der Strecke bis zum Ende des Reinigungsprozesses stecken. Sie sieht das Licht, aber kann es vorlaeufig nicht erreichen.
Bevor die Seele in unsere Welt in einen menschlichen Koerper kommt, weiss sie also genau, was sie nach dem Tod des Menschen erwartet. Entweder Gan Eden oder Gehinnom.
Die Gemara im Talmud Niddah 30b faehrt mit der Beschreibung der Geschehnisse vor der Geburt fort. In den Monaten der Schwangerschaft wird dem Embryo die gesamte Thora gelehrt. Sobald das Baby bei der Geburt das Licht unserer Welt erblickt und den Koerper der Mutter verlaesst, kommt ein Engel und gibt ihm einen Klaps auf den Mund, was das Baby die Thora wieder vergessen laesst. Ziel ist es daher, zur Thora zurueckzufinden.

Nach der Geburt eines Kindes ist die Frau fuer gewisse Zeiten unrein. Die Thora faehrt fort mit der Beschreibung einer weiteren Unreinheit, naemlich dem Hautaussatz. Tzaarah wird gerne als Aussatz uebersetzt und medizinisch auch als solches betrachtet. Der biblische Aussatz (Tzaarah) hat aber ganz andere Ursachen und hat absolut nichts mit den heutigen medizinischen Erkenntnissen von Aussatz zu tun.
Bei Tzaarah handelt es sich um eine g-ttliche Strafe und es hat spirituelle Wurzeln. Hervorgerufen wird sie durch Arroganz, sexuelle Perversion, Blutvergiessen, Egoismus und vor allem durch Lashon HaRah, der ueblen Nachrede.
Welche katastrophalen Folgen Lashon HaRah haben kann, werden wir in ca. zwei Monaten in der Parasha Shelach erfahren, wenn Moshe die Spione nach Israel schickt, um das Land auszukundschaften (Talmud Traktat Arachin 15a). Bei ihrer Rueckkehr sprechen diese Lashon HaRah ueber Israel und bis heute leiden wir unter den Auswirkungen.

Lashon HaRah ist ein weitverbreitetes und vieldiskutiertes Thema im Judentum. Wer die Buecher des Chafetz Chaim kennt, der weiss, wie komplex das Thema ist. Was genau wird als ueble Nachrede betrachtet und was nicht ? Theoretisch koennte jeder bei Behauptungen gegen sich sagen, dass das ja alles nur Lashon Harah sei. Verdammt uns diese Regel also zum Stillschweigen ?
Nein keinesfalls, denn es gibt Dinge im Leben, die muessen gesagt werden. Ja, man hat sogar eine Verpflichtung gewisse Sachen kundzutun. Beispiel: bei kriminellen Handlungen einer Person oder wenn eine zweite Person Schaden erleiden koennte.
In jedem Jahr wenn diese Parasha gelesen wird, gibt Rabbi Mordechai Machlis ein persoenliches Beispiel dafuer, wie Lashon HaRah missverstanden werden kann.
Vor einigen Jahren heiratete ein ihm bekanntes Paar. Kurz nach der Hochzeit began der firsch gebackene Ehemann seine Frau zu misshandeln und alle moeglichen Gegenstaende nach ihr zu werfen. Es ging soweit, dass er sie fast toetete. Die Frau reichte die Scheidung ein. Was die Frau erst bei der Scheidung erfuhr war, dass ihr Gatte zuvor mehrmals in psychiatrischen Kliniken eingeliefert war und ein langes Vorstrafenregister hatte.
Nach der Scheidung ging die Frau zusammen mit der des Rabbis zu den Leuten, die den Ex von frueher her kannten und ihr damals vor der Hochzeit versichert hatten, dass es sich um einen tollen Mann handele. Ueber seine Geisteskrankheit bewahrten sie jedoch Stillschweigen.
Einmal zur Rede gestellt, warum sie ihr nichts erzaehlt haetten, kam die Rechtfertigung, dass sie nicht Lashon HaRah sprechen wollten. Ausserdem dachten sie, dass eine Ehe ihn positiv veraendern wuerde. Die Frau sowie die Gattin des Rabbis waren sprachlos ueber soviel Ignoranz.

Die Zeit der Unreinheit bei Tzaarah dient fuer den Menschen als Zeit der Besinnung. Man soll zu G-tt zurueckfinden und in dem Moment, in dem man Einsicht zeigt, wird die Unreinheit von einem genommen. Als sozusagen neuer Mensch kommt derjenige in die Gesellschaft zurueck und beginnt ein neues Leben (Rabbi Samson Raphael Hirsch). Niemand anders kann ihn heilen als G-tt selbst (Rabbi Moshe Alshich).
Der Baal Shem Tov sowie sein Freund und Schueler Rabbi Yaakov Yosef von Polenoye (Polna) raten jedem, sich von der Arroganz im Leben fernzuhalten. Wer arrogant wird, der sieht keinen G-tt mehr, sondern glaubt, selbst alles bestens im Griff zu haben.
Und wie u.a. der Maharal von Prag (s.o.) schon sagte, sollen wir nie vergessen, dass die Tiere vor dem Menschen erschaffen wurden.

Shabbat Shalom

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