Freitag, September 03, 2010

Parashat Netzavim - Vayelech - פרשת נצבים - וילך



Der Thoraschrein in der aschkenazischen Synagoge des Kabbalisten Yitzchak Luria (1534 - 1572) in Safed / Nordisrael.

Photo: Miriam Woelke


B"H


Die Thoralesung für diesen Shabbat


Dieser Schabbat ist der Schabbat vor Rosh HaShana und in beiden Parshot, welche wir in den Synagogen lesen, ruft uns G - tt erneut zur Einhaltung Seiner Thora auf:

"Ihr steht heute alle vor HaSchem Elokeichem (vor Eurem G - tt)….", mit diesem Satz beginnt die Parashat Netzavim (Nitzavim). Auch in diesem Satz finden wir die Erwähnung zweier Namen G - ttes, welche zum einen den gütigen vergebenden G - tt, aber zum zweiten auch den richtenden G - tt darstellen.


Am letzten Tag seines Lebens versammelte Moshe nochmals alle Stämme Israels vor sich, um alle an den Bund mit G - tt zu erinnern. Netzavim wird immer vor Rosh HaShana gelesen, denn nicht nur damals zu Moshes Zeiten standen die Juden vor G - tt, sondern wir tun dies heute genauso (Beer Moshe). Das "Heute" in der Thora bedeutet nicht nur das "Heute" in der Vergangenheit. Die Thora ist bis in alle Ewigkeiten gültig und somit hat alles auch einen Bezug auf uns. Wie damals die Israeliten, so werden auch wir an Rosh HaShana vor G - tt stehen und über unsere Taten des letzten Jahre Rechenschaft ablegen müssen.


Nicht nur jene Juden, die damals persönlich vor Ihm standen, gingen den Bund mit Ihm ein und verpflichteten sich zur Einhaltung der Thora. In Netzavim heisst es ebenso, dass jene nachfolgenden Generationen, die nicht persönlich anwesend waren, sich gleichzeitig zur Einhaltung des Bundes verpflichten.
Der Thorakommentator Sforno legt die Bedeutung des Satzes so aus, dass die Älteren  verpflichtet sind, ihre Kinder zu unterrichten. Die Zukunft des Judentums hängt immer von der jüdischen Bildung ab. Schon im frühen Alter soll einem Kind Thoraunterricht erteilt werden. Wenn Juden eine neue Gemeinde gründen, dann wird noch vor der Synagoge eine Schule für die Kinder gebaut. Es ist äusserst wichtig, dass ein Kind von kleinauf das Judentum erlernt und sich so der Rolle seiner jüdischen Identität bewusst wird.


Die Gemara im Talmud Traktat Niddah 30b lehrt, dass wir alle vor unserer Geburt als Embryo die Thora im Mutterleib gelehrt bekommen. Sobald aber ein Baby das Licht der Welt erblickt, kommt ein Engel und gibt, bildlich gesprochen, dem Baby einen Klapps auf den Mund, was zur Folge hat, dass das Baby nach der Geburt die gesamte Thora wieder vergisst. Die Lebensaufgabe besteht dann darin, sie wieder neu zu erlernen.


Ich kenne viele religiöse Familien mit kleinen Kindern, wo Dreijährige schon in der Lage sind, sämtliche Segen vor und nach dem Essen zu sprechen. Die Kinder sehen vor und nach dem Essen die Eltern und Geschwister beten und wollen ihnen sogleich alles nachmachen. Solche Kinder wissen gar nicht, was sie für ein Glück haben, religiös aufzuwachsen. Andere, die erst im späteren Verlauf ihres Lebens religiös werden, haben da mit ganz anderen Schwierigkeiten zu kämpfen. Zuerst müssen die Segen und alle halachischen Details gelernt werden. Dazu kommt noch das Thora - und ggf. das Talmudstudium. Viele Kinder wissen daher in jungem Alter schon mehr als so manch Erwachsener.


Die Gemara im Talmud Traktat Shabbat 146a wirft eine interessante Frage auf:
Was ist eigentlich mit den Konvertiten zum Judentum, die nicht am Berg Sinai gestanden und die Thora erhalten haben ?
Die gleich anschliessende Antwort lautet, dass diese zwar nicht persoenlich anwesend waren, dennoch aber ihr "Mazal" dort war. Ein "Mazal" ist an dieser Stelle ein persönlicher Engel eines jeden, der die Person beim Himmlischen Gericht vertritt. Die Person war selber nicht dort, doch ein Engel hat sie sozusagen vertreten.


Und wieder warnt uns die Thora vor dem Götzendienst ! Nach der Überquerung des Jordan und der Einnahme des Landes soll man sich keinesfalls anderen G - ttern zuwenden. Immer und immer wieder wiederholt G - tt dieses Verbot in Seiner Thora. Kein Gesetzesbruch wird von Ihm so streng geahndet wie der Götzendienst. Die Thora verpflichtet uns, nur an Ihn zu glauben und uns nicht von unserer Umwelt von anderen fremden Ideen oder falschen Thorainterpretationen verleiten zu lassen.


"Wenn Ihr die Mitzwot (Gesetze) einhaltet, dann bleibt ihr in dem Land, welches Ich euch gegeben habe und wenn nicht, dann wird Mein Zorn auf euch lasten und ihr werdet das Land verlieren, in die Diaspora gehen, wo fremde Völker über euch herrschen. Wenn ihr jedoch Buße tut (Teschuva) und die Mitzwot einhaltet, dann werde Ich Gnade zeigen und euch wieder in euer Land zurückführen".

Aus diesen Sätzen lernen wir, dass G - tt selbst in der Diaspora immer bei uns sein wird und uns niemals verlaesst. Rabbi Shimon bar Yochai sagte: "Kommt und seht wie sehr G - tt die Israeliten liebt ! Wo immer sie sich auch in der Diaspora befinden, G - ttes Anwesenheit (Schechinah) ist immer mit ihnen. Und G - tt wird sie aus der Diaspora zurück nach Israel führen" (siehe Talmud Megillah 29a).

Zu Zeiten der zwei Tempel, war G - ttes Anwesenheit (Schechinah) für alle deutlich spürbar. Vor allem zu Zeiten des Ersten Tempels waren allerlei Wunder für jedermann sichtbar. Nach den Zerstörungen ist das nicht mehr der Fall und G - tt hat sich etwas weiter von der Welt zurückgezogen. Ganz verlassen aber tut Er uns nie. Durch den sogenannten TIKUN OLAM, eine Reparation der eigenen Seele und der Welt durch die Erfüllung der Mitzwot, sind wir jederzeit in der Lage, den jetzigen Zustand zum Positiven zu verändern. Viele sehen die Gründung des Staates Israel schon als Einleitung zum hoffentlich baldigen perfekten Tikun Olam und der Ankunft des Meschiach.


Jederzeit können wir zu G - tt umkehren (Teschuva machen) und nicht nur an Rosh HaShana. Allerdings ist Er im Monat Elul und in der Zeit bis Yom Kippur besser für uns erreichbar als zu anderen Zeiten. An Rosh HaShana beten wir im Morgengebet Shacharit das Gebet "HaMelech", in dem wir G - tt zu unserem Koenig kroenen.
In "HaMelech" heisst es metaphorisch, dass G - tt auf Seinem Thron sitzt und uns richtet. Woertlich zu nehmen ist dies nicht und "sitzen" heisst, dass G - tt sich zu uns "niederbeugt" bzw. "herablässt" und so unseren Gebeten näher entgegenkommt und sie erhört. Wann immer die Juden sich mit ihren Gebeten an G - tt wenden, ist Er nahe bei ihnen erhört sie. Unsere Gebet haben die Macht, jegliches negatives G- ttesurteil in etwas Positives umzuwandeln. So auch an Rosh HaShana (siehe Talmud Rosh HaShana 18a).


In Parashat VaYelech findet das Hakhel Erwähnung, welches alle sieben Jahren und ein Jahr nach dem Shemittah - Jahr am ersten Tag des Chol HaMoed Sukkot (der erste Zwischenfeiertag des Laubüttenfestes) gelesen wird. Hierbei wird das gesamte Buch Deutoronomy (Sefer Devarim) gelesen. Früher las es der König dem jüd. Volk im Tempel vor und heute findet die Hakhel - Zeremonie vor der Klagemauer statt.



Noch ein kleiner Hinweis zu Rosh HaShana:
Es reicht nicht aus, dass wir auf intellektueller Basis wissen, dass es einen G - tt gibt. Die Mitzwot und Gebete sollen nicht nur intellektuell ausgeführt werden, sondern auch emotional. Nur, wenn alles vom Herzen kommt, kann es zu einer wirklichen Teschuva kommen.


An den Feiertagen, vor allem am Yom Kippur, werden wir mit Synagogengaengen und Gebeten nur so überflutet. In dem Moment, in dem wir inmitten des Gebets nachdenken und es intellektuell analysieren wollen, verlieren wir total den Faden. Wir denken nach und nichts kommt mehr vom Herzen. Aber es ist sehr wichtig, dass das Gebet vom Herzen kommt und daher sollte der Gebetsinhalt vielleicht später daheim intellektuell analysiert werden.
Im vergangenen Jahr wurden wir in der Synagoge darauf aufmerksam gemacht und ich glaube, der Tipp hat vielen Leuten, einschliesslich mir selbst, geholfen.


Die Haftarah (Lesung aus den Propheten nach der Thoralesung) wird aus Yeshayahu (Jesaja) 61:10 - 63:9 gelesen. Auch in ihr geht es um Teschuva und darum, dass G - tt Sein Volk wieder zurueckführen wird.


Ausserdem beginnen wir Ashkenazim in der Nacht von Samstag auf Sonntag mit den Selichot - Gebeten vor Rosh HaShana. Die Selichot sollten zwischen Mitternacht und dem Morgengebet Shacharit gebetet werden. Ratsam ist es, eine Stunde nach Mitternacht zu beginnen.


Schabbat Schalom

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