Sonntag, Juni 05, 2011

Schavuot Stories

B"H

Schavuot, das Wochenfest, steht vor der Tür. In der Schavuotnacht von Dienstag auf Mittwoch werden Tausende Juden die Nacht durchlernen. Thora, religiöse Vorträge aller Art, alles ist geboten. Der “Tikkun Le’il Schavuot” ist in jüdischen Kreisen sehr populär und selbst säkulere Juden aus Tel Aviv eilen in der Schavuotnacht von Vortrag zu Vortrag. Allgemein ist Schavuot der Tag, an welchem G – tt am Berg Sinai (Har Sinai) den Juden die Thora gab.  

Der Talmud Traktat Schabbat 88 lehrt, dass die Juden damals am Har Sinai die Thora nicht vollständig freiwillig annahmen, sondern eher aus Furcht vor G – tt. Was würde denn geschehen, sagten sie NEIN zu G – tt ? Nein, wie wollen die Thora nicht. Komplett verinnerlicht haben die Juden die Thora erst zu Zeiten als Haman die Ausrottung der Juden plante und Esther und Mordechai alles ins Lot brachten.

Schavuot ist ein freudiger Feiertag und tollen relig. Vorträgen (Schiurim). In Jerusalem ist es Tradition, am Shavuot Morgen bzw. in der Nacht zur Kotel (Klagemauer) zu gehen. Erst durchlernen und dann morgens um 4.00 oder 5.00 Uhr zur Kotel zum Schacharit (Morgengebet).

In früheren Jahren bin ein ein paar Mal wach geblieben, habe durchgelernt und war an der Kotel. Der Nachteil aber war, dass nach dem Morgengebet der Tag gelaufen war. Mit letzter Kraft schleppte ich mich ins Bett, wo ich dann den Rest des Feiertages verbrachte. Seither lerne ich nicht mehr durch, sondern gönne mir Schlaf.


Ein berühmter Schavuot – Brauch ist es, an dem Feiertag Milchspeisen zu verzehren. Seien es nun Käsekuchen, Milch, Joghurts oder Lasagne.

Und wie in jedem Jahr stelle ich mir wieder die Frage, ob ich für Schavuot bereit bin. Das unterschwellige eigene Hinterfragen, ob man denn auch bereit ist, die Thora zu empfangen. An die Antwort denke ich vorerst einmal nicht:-)

Aber Schavuot ruft in mir noch ganz andere Gedanken hervor. Nämlich die Erinnerung an mein schlimmstes Schavuot überhaupt, welches ich einmal im haredischen (ultra – orthodoxen) Stadtteil Kiryat Mattersdorf in Jerusalem verbrachte. 

Es war Schavuot im Jahre 1997 und zu der Zeit lernte ich noch auf einer nationalreligiösen Yeshiva. Allerdings schon mit einem Hang in die haredische Richtung. Einige Schülerinnen eines haredischen Seminars für Neureligiöse (geborene Juden, die erst im späteren Verlauf des Lebens religiös werden) hatten mich für Schavuot eingeladen. Und das in ihr Seminar im Jerusalemer Haredi – Stadtteil von Kiryat Mattersdaorf.

Zuerst wollte ich nicht so recht, denn dort hinzugehen, zu übernachten und den ganzen Schavuottag dort zu verbringen, war mir etwas zuwider. Schliesslich waren die Girls dort voll auf dem Ultratrip und ich war mir nicht sicher, ob ich das durchhalte. Letztendlich ging ich dann doch, denn schlimmstenfalls konnte ich zufuss heimkehren, da mein Seminar nicht allzu weit entfernt lag. 

Ich ging nach Kiryat Matterdorf hinüber und schon auf dem Weg merkte ich, dass ein Virus im Anmarsch war. Ich fühlte mich kotzübel und als ich in der Yeshiva ankam, musste ich mich erst einmal hinlegen. Der Plan aber war, abends zu Familien zum Essen zu gehen. 

Mir war nur noch speiübel und sonst passiert mir so etwas eigentlich nie. AlIe Girls waren total nett und ich lag auf meinem frisch gemachten Bett. Der Gesundheitszustand besserte sich nicht; eher das Gegenteil war der Fall. Fieber und das Gefühl, sich jede Sekunde übergeben zu müssen. All das ruinierte mein Schavuot. 

Dann kam auch noch eine deutsche Frau, welche sich als meine “Mitbewohnerin” des Zimmers im Ultraseminar herausstellte, ins Zimmer. Den Feiertag sollten wir im selben Zimmer nächtigen und das erste, was sie tat war, das Zimmer auf Muktze – Gegenstände zu filzen. 


Unter “Muktze” versteht man Gegenstände, deren Benutzung am Schabbat oder Feiertag verboten ist. Zumindest sollte man sie außer Sichtweite räumen, um keine Gefahr zu laufen, sie unabsichtlich zu benutzen. In die Muktze – Kategorie fallen verschiedene elektronische Geräte oder Kugelschreiber. Die Deutsche erspähte dann auch gleich ein paar Stifte auf einem Tisch und schon ging der Zoff los. Dabei waren es weder meine Stifte, noch hätte ich sie benutzt. 

Mein Feiertag wurde immer schlimmer und ich wäre am liebsten auf die Toilette gezogen, wo ich den Kopf in der Kloschüssel vergrabe. Die Deutsche dagegen verkündete, sie habe eine Familie zum Essen organisiert und da gehen wir heute abend hin. Keine Widerrede, denn wir müssen hier eine Schavuot – Mitzwah erfüllen. 

Ich schleppte mich also zu der Familie und unterwegs erklärte mir die Deutsche Einzelheiten zu den Leuten. Ich kann mich weder an Gesichter noch Namen erinnern. Nur soviel: Die Familie war sehr nett. Litvische Haredim, glaube ich. Mitbekommen habe ich kaum etwas, da ich nur noch darauf achtete, nicht in die Kidduschbecher zu kotzen. Eines jedoch weiss ich noch: Es wurde Lasagne serviert und ich aß ein kleines Stück. Die beste Lasagne, die ich je hatte. Nur schade, dass ich so gut wie gar nichts runterbrachte. Ich glaube, ich schlief am Tisch ein und irgendwann stolperte ich wieder ins mein Bett im Seminar.

Die Deutsche verkündete, wir müssen in der Nacht aufstehen, um früh an die Kotel zu gehen, aber das schaffte ich nicht und schlief durch. Als ich aufwachte, war die Hälfte der Girls schon an der Kotel und die daheimgebliebene Hälfte hockte herum und las eifrig Tehillim (Psalmen). Mir war immer noch übel und ich hatte Fieber. Als ich die Mädels da sitzen sah, reichte es mir und ich wollte nur noch weg. Sie zeigten sich besorgt, ob ich den Heimweg denn alleine schaffe, aber ich wollte um jeden Preis weg. Weg von all den Regeln, der stickigen Atmosphäre, dem guten Benehmen und dem Gruppenzwang. 

Zurück in meinem Yeshiva Wohnheim sah ich anderes. Die Girls redeten unbeschwert und es gab kein “Mach dies, mach das”. Ich ging ins Bett, wachte nach ungefähr einer Stunde auf und war fast geheilt. Das Fieber war heruntergegangen und die Übelkeit war entschwunden. Zwar war ich noch recht schwach, aber das Schlimmste war überstanden. Kaum zu glauben !

Es war das erste Mal als mir auffiel, dass jemand so furchtbar perfekt sein kann und alles super hinbekommt. Das ganze Schabbat – und Feiertagsprogramm rauf und runter einhält und noch darüber hinaus. Manchmal jedoch wünschte ich mir ein wenig mehr Rachmunes (Gnade, Erbarmen, Geduld) mit jenen, die da weniger perfekt erscheinen und nicht gerade dem Idealbild entsprechen. Wir alle besitzen unser individuelles Potential und sollten es nutzen. Mein Potential ist aber nicht das der deutschen Mitbewohnerin im Zimmer, die mich da zur Lasagne schleppte und mein Potential besteht ebenso wenig darin, den gesamten Tag Psalmen zu lesen.

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