Mittwoch, Januar 18, 2012

Die Frau, die Haredit werden wollte


 Gesehen in Bnei Brak (bei Tel Aviv)

Photo: Miriam Woelke
B"H

Heute kann ich mich beim besten Willen nicht mehr daran erinnern, wo genau ich die Frau traf. Die alleinerziehende Mutter einer kleinen Tochter. Anfang Vierzig vielleicht. Eine Frau, die eines Tages in ein Jerusalemer Café ging, um dort ganz normal eine Tasse Kaffee zu trinken. Am Nachbartisch saß ein Haredi (ultra – orthodoxer Jude) und es dauerte nicht lange, bis beide miteinander ins Gespräch.

Sobald ein Mitglied der haredischen (ultra – orthodoxen) Gesellschaft eine derartige Story hört, kommen Kommentare wie: "Nun ja, der Typ sei bestimmt gar nicht religiös gewesen”. Oder “Der war bestimmt pervers oder geistig daneben”. “Garantiert stimmte mit dem etwas nicht”. In der haredischen Gesellschaft ist es mehr als unüblich, dass ein Mann eine fremde Frau so mir nichts, dir nichts, anspricht. Im umgekehrten Falle ebenso wenig.

Als ich die Frau auf diese Tatsache aufmerksam machte, gab sie zurück, dass sich der Mann im Nachhinein als sehr normal und ehrlich entpuppt hatte. Offenbar war er ehrlichen Herzens an ihr interessiert und wollte sie heiraten und die Tochter anerkennen. Eine Bedingung an die Frau gab es jedoch: Sie, die eigentlich säkulere Israelin war, sollte Haredit, sprich zur haredischen Frau, werden. Diesen gravierenden Schritt sollte sie unter keinen Umständen von heute auf morgen vollbringen, sondern ganz langsam und in ihrem individuellen Tempo. Nicht dass sie heute noch in einem unkoscheren Mac Donald’s essen geht und morgen beim Kaffeekränzchen der Frauen aus dem ultra – orthodoxen Stadtteil Mea Shearim sitzt. Dennoch hatte sie der Mann gefragt, ob sie denn solch einen Wandel vollziehen könne. Röcke tragen, lange Ärmel usw.

Ich fragte sie, ob sie wisse, worauf sie sich da einlassen. 
Nein, wusste sie nicht, denn bisher hatte sie keinerlei Kontakte zur haredischen Gesellschaft gepflegt.

"Aber willst Du denn?", fragte ich weiter.

"Ja", antwortete sie und ich sah in dem Moment ein Leuchten in ihren Augen erstrahlen. Kein Zweifel, sie war so richtig verliebt.

Nach diesem einen Treffen bin ich ihr nie wieder begegnet, doch hoffe ich, dass sich für sie alles zum Guten wendete.

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