Montag, April 27, 2009

Parashat Acharei Mot - Kedoshim


Jüdische Pilger vor dem Zweiten Tempel in Jerusalem

B"H

Die Thoralesung für diesen Schabbat

Zu Beginn der Parashat "Acharei Mot" heißt es, dass G - tt nach dem Tode der zwei Söhne Aharons (Nadav und Avihu) zu Moshe sprach. In einer der vorherigen Parashot (Schemini) starben die zwei als sie ein fremdes Feuer im Kodesh HaKedoshim (dem Allerheiligsten) opfern wollten. In Acharei Mot wird Moshe von G - tt beauftragt, seinem Bruder Aharon auszurichten, dass er als Hohepriester (Kohen HaGadol) nicht zu jeder Zeit in das Allerheiligste (Kodesh HaKedoshim) treten darf, sondern nur am Yom Kippur (Versöhnungstag). Aber auch an diesem Tag darf der Kohen HaGadol (Hohepriester) nur zu einem bestimmten Zeitpunkt ins Allerheiligste treten. Nämlich dann, wenn er den Opferdienst ausführt (Sifra).

Sechs Wochen nachdem die Juden am Berg Sinai die Thora erhielten, bauten sie das Goldene Kalb. Moshe zerbrach die ersten Gesetzestafel, stieg nochmals auf den Berg Sinai, bat für die Juden um Vergebung und bekam ein zweites Paar Gesetzestafeln. Mit diesen kam er, nachdem G - tt den Juden vollkommen vergeben hatte, am 10. des jüdischen Monats Tishrei (gewöhnlich im Oktober) hinunter vom Berg Sinai. Somit wurde dieser Tag,Yom Kippur, zum höchsten jüdischen Feiertag. Jedes Jahr an Yom Kippur bitten wir G - tt für unsere Vergehen um Vergebung und bitten Ihn ebenso, uns in das "Buch des Lebens - Sefer HaChaim" einzuschreiben. G - tt schaut bei unseren Gebeten am Yom Kippur auf unsere Intension, in Zukunft keine Sünden mehr begehen zu wollen oder zumindest Versuche zu starten, alles besser zu machen. Er richtet uns nach dem Augenblick und schaut nicht in unsere Zukunft, in der wir voraussichtlich abermals sündigen werden. Es kommt allein auf unsere Absicht und Ernsthaftigkeit in unseren Gebeten am Yom Kippur an.

Woher wissen wir, dass G - tt oft Menschen nach gewissen Augenblicken richtet ? Auch dann, wenn sie sich in der Zukunft als Katastrophen für das Jüdische Volk erweisen könnten.

Die Midrasch verweist auf den berühmten Vorfall mit Ishmael, dem Sohn Hagars und Avrahams. Als Hagar mit Ishmael in der Wüste saß und er dem verdursten nahe war und weinte, wurde Hagar Wasser gezeigt. G - tt hatte Mitgefühl mit dem weinenden Kind, obwohl Er wusste, dass von Ishmael einmal die Araber abstammen werden, welche in der Zukunft eine ständige Bedrohung für die Juden darstellen.

Wenn wir den ersten Satz in Acharei Mot lesen, meinen wir, dass G - tt Moshe bzw. Aharon nach dem Tode Nadav und Avihus beauftragte, nicht zu jeder Zeit ins Allerheiligste zu treten, um nicht zu sterben wie die beiden Söhne.Die Gemara im Talmud Traktat Yoma 53a stellt jedoch eine andere These auf. Die Warnung nicht zu jeder Zeit einzutreten bekam Moshe schon vor dem Tod der beiden. Die Art der Strafe für das Vergehen wurde ihm aber erst nach deren Tod mitgeteilt. Woher wissen wir das, fragt die Gemara und antwortet: Daraus das der Satz "…mit einer Wolke werde Ich erscheinen" grammatikalisch in der Zukunftsform geschrieben steht. Als G - tt den Satz aussprach, war Er noch nicht in einer Wolke erschienen.

Im Judentum haben wir das Konzept der Teschuva, der Umkehr zu G-tt. Wie weit wir auch von unserem Level hinabgefallen sind und welche Vergehen wir begangen haben, es gibt immer eine Chance zur Reue und Umkehr (Baer Moshe). Chassidischer Literatur zufolge ist es manchmal besser in niedrigere Level hinabzufallen, um danach viel höher aufzusteigen. Wir müssen nur den niedrigen mit dem hohen Level verbinden und sind dann somit in der Lage wieder zu einem hohen Level aufzusteigen (der Baal Shem Tov sowie sein Schüler und späterer Nachfolger Rabbi Dov Baer, der Maggid von Mezritch).

Was hiermit jedoch nicht gemeint ist und viele leider mißinterpretieren ist, dass ich mich nicht absichtlich in niedrigere Level fallen lassen. Sprich, Vergehen mit Absicht begehen, um hinterher zu bereuen und folglich in hohe Level aufzusteigen. Dieses war eines der wichtigen Konzepte des Schabtai Zvi, der da zum Islam konvertierte, nur um sich fallen zu lassen und hinterher höher aufzusteigen. In Wahrheit wurde Schabtai Zvi vor die Wahl gestellt zum Islam zu konvertieren oder hingerichtet zu werden. Aus Angst zog er den Islam vor und behauptete später alles mit Bedacht getan zu haben. Dieses idiotischen Handels wurden später die Chassidism beschuldigt, denn litvische Juden sahen in ihnen die Verhaltensmuster des G - tteslästerers Schabtai Zvi.

Der Kohen HaGadol (Hohepriester) erhält den Auftrag, seinen Service am Yom Kippur nur in weisser Leinenkleidung durchzuführen. An anderen Tagen trägt er dazu seine "Bigdei Zahav - seine goldenen Kleidungsstücke". Die Farbe weiß am Yom Kippur repräsentiert die Vergebung. Zum Thema Kleidung schreibt der Gründer der chassidischen Gruppe Toldot Aharon, Rebbe Aharon Roth, dass anständige Kleidung den Menschen vor Vergehen bewahrt, denn die Kleidung erinnert ihn immer daran, wer er ist.

Die Thora fährt fort mit einer ausführlichen Beschreibung des Yom Kippur Services. Ein wichtiger Teil war die Auslosung der zwei männlichen Ziegen. Die Auslosung nahm der Hohepriester vor und es wurde entschieden welche Ziege G - tt geopfert wurde und welche zum Azalzel, in die Wüste geschickt wurde. Übrigens stammt daher der Ausdruck "Sündenbock". Rabbi Samson Raphael Hirsch betrachtet die zwei männlichen Ziegen als eine Metaphor für das Jüdische Volk. Jeder von uns hat die freie Wahl G - tt zu dienen oder auch nicht. Wenn wir G - ttes Willen erfüllen, kommen wir metaphorisch gesehen in das Allerheiligste. Die Entscheidung, unseren eigenen Interessen zu folgen, hat dagegen keinen Platz im Allerheiligsten.

Aus dem Vorfall mit Nadav und Avihu lernen wir, wie gewissenhaft wir die Gesetze einhalten müssen, um keinen Schaden zu erleiden. Wir können nicht einfach eigene Initiativen entwickeln, sondern müssen das tun, was uns aufgetragen wurde, denn nur so können wir eine Perfektion (Schlemut) erreichen (Rabbi Samson Raphael Hirsch). Der Mensch sollte immer danach streben, seinen ihm gegebenen freien Willen positiv einzusetzen.

Jeder von macht die Erfahrung, dass er am Yom Kippur ernsthaft beabsichtigt, sich zu bessern. Realität ist, dass wir spätestens beim Neilah - Service am Ende ständig auf die Uhr schauen, wann es denn jetzt endlich etwas zu essen gibt. Dann wird Havdalah gemacht und alles stürzt sich aufs Essen. Unser Verhalten ist nur allzu menschlich.

Zum Schluss noch eine Story aus der Gemara im Talmud Sanhedrin 101a, 102b und 103a. Dort wird uns von dem bösartige König Menasche, Sohn des König Chizkiyahu, erzählt, der es zum Schluß doch noch schaffte, einen Platz in der kommenden Welt (Olam Habah) zu bekommen.

Menasche war 12 Jahre alt als er König wurde und regierte 55 Jahre lang in Jerusalem. Sein Vater Chizkiyahu war g - ttesfürchtig und hielt die Gebote ein (er hatte den Level vom Meschiach), doch sein Sohn Menasche war das genaue Gegenteil und betete Götzen an. Erst als die Assyrer Menasche gefangennahmen und nach Babylon brachten, begann er zu G - tt zu beten. G - tt erhörte seine Gebete und brachte ihn zurück nach Jerusalem.
Laut Midrasch Devarim Rabbah waren die Engel bei Menasches Tod dagegen, ihn aufgrund all seiner Sünden in die kommenden Welt (Olam Habah) zu lassen, doch G - tt vergab ihm, da Menasche ernsthafte Reue gezeigt hatte und ließ ihn doch noch ein. Dem Talmudkommentator Yad Ramah zufolge sah G - tt, dass König Menasche niemals Olam Habah erreicht, sollte er streng gerichtet werden. Da aber Menasches Gebete ernst gemeint waren, ließ G-tt Gnade vor Recht ergehen. Auch wir sollten daher niemals aufgeben.

In Paraschat Kedoschim erhalten wir wichtige Verhaltensregeln für unser tägliches Leben. Den Schabbat einhalten, Vater und Mutter ehren, nicht stehlen, nicht lügen und betrügen, nicht G - tes Namen missbrauchen, in Israel keine Früchte von Bäumen essen, die jünger als drei Jahre alt sind, kein Blut essen, keinen Ehebruch begehen und vor allem keinen Götzendienst begehen. G - tt will, dass wir Juden uns von anderen Völkern unterscheiden und gab uns deswegen die Thora mit ihren Gesetzen. Unsere Aufgabe ist es, dass wir mit der Einhaltung Seiner Gesetze anderen Völkern als Beispiel dienen. Die Thoragesetze wurden den Juden von G – tt gegeben, damit sie sich durch eine hohe Moral von den anderen Völkern unterscheiden. Durch ein bestimmtes Sozialverhalten, Charaktereigenschaften oder einer Fähigkeit zu vergeben. Ein Weg, G – tt näher zu kommen ist, Seine Thoragesetze zu erfüllen. Dies gilt für Juden genauso wie für Nichtjuden. Letztere sind an die "Sieben Mitzwot der Noachiden" gebunden und wenn sie diese einhalten, dann finden auch Nichtjuden einen Platz in der "Kommenden Welt (Olam HaBah)". Niemand ist ausgeschlossen, wenn er denn nur die für ihn individuell bestehenden Gesetze einhält.

Aber trotz allem guten Willen, all diese Gesetze erscheinen oft einfach zuviel des Guten. All diese Kleinigkeiten und wie soll man denn ewig an all das denken ? Das geht einem doch irgendwann furchtbar auf den Geist und wieso kann ich nicht wie alle anderen auch leben ?

Rabbi Samson Raphael Hirsch gibt Antworten, die eine nähere Betrachtung wert sind. Zu denken gibt es einem allemal. Zuerst einmal sollte man wissen, dass G – tt uns all die Gesetze gab, um auch unseren freien Willen zu testen. Wir Menschen verfügen über einen freien Willen und sind nicht an unseren Instinkt gebunden wie die Tiere. Um es einmal kabbalistisch zu sagen, besitzen wir ebenso die Fähigkeit, uns zu perfektionieren. Kein anderes Lebewesen kann dies tun, außer uns. Perfektionieren bedeutet, dass ich mich auf einen höheren Level begebe und ich tue dies, indem ich G - ttes Thoragesetze erfülle. Dieses ist, außer dem Gebet, die einzige Möglichkeit, G – tt näher zu kommen.

Aber nicht nur körperlich bringe ich mich auf einen hohen Level (z.B. durch die Einhaltung der Kaschrut – Koschergesetze). Auch seelenmäßig erhöht sich der Level und dieses ist der eigentliche Zweck unseres Daseins. Wie ein Tier besitzen wir eine "Nefesch – tierische Seele und gleichzeitig niedrigster Seelenlevel). Handele ich nur nach Instinkt um meine Bedürfnisse zu befriedigen ? Anhand meines freien Willen jedoch kann ich es zu viel mehr bringen und mich auf höhere Seelenlevel katapultieren (z.B. auf den Level "Ruach" oder "Neschama"). Dies gilt natürlich nur, wenn ich bereit bin, meinen freien Willen positiv zu nutzen.

In dieser Paraschat Kedoschim (Vayikra 19:15) steht geschrieben, dass ein Richter die Angeklagten gerecht richten solle. Viele Thorakommentatoren jedoch beziehen diese Aussage nicht nur auf die Richter, sondern auf uns alle. Jeder einzelne von uns soll den anderen gerecht richten. "Giving the benefit of a doubt" oder in Hebräisch "Kav S'chut" – so lautet das Konzept, welches so oft zitiert wird. Wie gehen wir mit den Mitmenschen um ? Gerade zu meiner Zeit in Deutschland fiel mit besonders auf, dass die Mehrheit meiner Umgebung die Mitmenschen schon von Weitem vorverurteilte. Welche Klamotten hat jemand an ? Teuer oder billig ? Welchen Beruf übt derjenige aus oder welchen Wagen fährt er ? In Israel ist diese Verhaltensart etwas weniger verbreitet. Zumindest in Jerusalem.

Für all das, was ein Mensch tut, gibt es einen Grund. Und falls sich ein Freund einmal verspätet, muß dies nicht immer seine schuld sein. Bei jedem Vorfall sollte man erst einmal herausfinden, was der Grund war. Manchmal erweckt etwas von außen betrachtet den falschen Anschein und es ist immer besser nachzufragen und den, anstatt sofort loszuschreien. "Kaf S'chut – einen Zweifel einräumen, bis der Grund geklärt ist". Zuviele Leute schauen immer nur auf die Fehler anderer, anstatt in jedem Menschen etwas Positives zu finden. Anstatt uns ständig nur über das Verhalten anderer aufzuregen, sollten wir in ihnen lieber die positiven Aspekte suchen, was uns folglich zu mehr innerer Zufriedenheit führen kann.
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Ebenso finden wir Parashat Kedoshim die Mitzwah, dass man einen Bediensteten nicht um seinen Lohn bringen soll. Dazu ein Beispiel aus dem Talmud:

Der Talmud Bava Metzia Seite 110 - 112 lehrt uns, dass Löhne pünktlich gezahlt werden müssen. Sobald dieses Thema aufkommt, werde ich sofort an eine Story mit Rabbi Akiva erinnert.

Die Story heißt "Der besondere Arbeiter"und berichtet von einem jüdischen Arbeiter aus Galiläa in Nordisrael, der sich für drei Jahre an einen Gutsherren verpflichtet hatte. Nach Ablauf der drei Jahre, einen Tag vor Yom Kippur, verlangte der Arbeiter seinen Lohn, um danach zu seiner Familie zurückzukehren. Der Gutsherr sagte, dass er kein Geld habe. Daraufhin verlangte der Arbeiter seinen Lohn in Obst. Obst habe ich auch keines, entgegnete der Gutsherr. Bezahle mich mit Land. Land habe ich auch keines. Bezahle mich mit Decken und Kissen. Das habe ich auch nicht. Der Arbeiter kehrte unverrichteter Dinge heim in den Norden.

Nach Sukkot reiste der Gutsherr den ganzen Weg hinauf zum Haus seines ehemaligen Arbeiters. Er bezahlte ihn reichlich mit Geld und Lebensmitteln. Als er den Arbeiter fragte, was dieser gedacht hatte, als er keinen Lohn bekam, antwortete der: "Ich dachte, dass du kein Bargeld und dein Land verpachtet hast."Genauso war es, sagte der Gutsherr. Doch ich schwor mir, dass, sobald ich das Geld habe, ich dir deinen Lohn zahlen werde.

Es heißt, dass der Arbeiter Rabbi Akiva und der Gutsherr Rabbi Eliezer Ben Hyrcanus waren. Wir lernen von Rabbi Akiva, dass alles was G - tt macht, zum Guten ist und das man jedem Menschen eine Chance geben sollte. Rabbi Akiva sah das unbekannte Potential welches in den Menschen steckt. Später wurde er einer der grössten Rabbiner.

Nichtsdestotrotz, nicht jeder ist so wie diese zwei berühmten Rabbis. Es ist ein biblisches Gebot, dass ein Arbeiter pünktlich bezahlt werden muss. Die Mischna in Bava Metzia 111a lehrt uns, dass es verboten ist, die Lohnauszahlung zu verschieben, wenn ein Arbeiter zuvor seinen Lohn verlangte. Die Gemara in 112a, fährt fort: Bestehle keinen Armen.
Der Arbeitgeber muss die Löhne pünktlich zahlen, da das Leben seines Arbeitnehmers davon abhängt. Wer die Lohnauszahlung verschiebt, wird angesehen als habe er das Leben des Arbeitnehmers genommen.
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Rabbi Akiva: ermordet von den Römern im Jahre 135 CE. Er war einer der grössten Gelehrten der Mischna.
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Eine immens lange und gleichzeitig frühzeitige Veröffentlichung der dieswöchigen Thoralesung am Schabbat. Morgen abend (Dienstag) einschliesslich Mittwoch ist Feiertag (Unabhängigkeitstag) und das ist der Grund, warum ich die Parasha schon heute in den Blog stelle. Außerdem spreche ich viele Punkte an, die erst einmal verdaut werden müssen.

Chag Sameach - Einen schönen Feiertag und vorab, wenn auch etwas verfrüht, Schabbat Schalom

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