Mittwoch, März 30, 2011

Ba'al Teschuva Burnout


Edmonton / Canada


B"H

Aus welchen Gründen auch immer entscheidet sich ein Jude, so richtig religiös zu werden. Wenn ein vormals säkulerer Jude versucht, sich auf den religiösen Pfad zu begeben, so wird er im “Fachjargon” BA’AL TESCHUVA genannt. “Teschuva machen” bedeutet wörtlich “Zu G – tt zurückkehren”. Dieser Prozess des religiös werden, und ich kenne eine “Betreffende in Jerusalem”, die mir dies einmal als “Metamorphose” beschrieb, dauert jahrelang und geht nicht mal eben so von heute auf morgen. Der Prozess beinhaltet einen unendlich langen Lernprozess, denn schliesslich soll der Ba'al Teschuva ja wissen, wie welche Halacha (Gesetz) ausgelegt bzw. ausgeführt wird. Wie soll ein zuvor säkulerer Jude sein Leben ändern und wie mit seiner alten und zugleich seiner neuen Umwelt umgehen ? Wird er akzeptiert oder hapert es ? 

In Deutschland mögen derlei Belange weniger existieren, denn dort wird nicht direkt in religiösen Stadtteilen gelebt wie in Paris, London, Manchester, New York oder in vielen Orten Israels. Somit fällt der direkte Gemeinschaftsdruck fast ausschliesslich weg und viele können sich dadurch kaum vorstellen, wie Juden aus anderen Ländern den Ba’al Teschuva Prozess durchleben. 

Vor mehr als zehn Jahren traf ich die “Teschuva – Entscheidung” in Jerusalem, da ich überzeugt war (und bis heute bin), dass die Thora die absolute Wahrheit ist und von G – tt stammt. Mein gesamtes Leben began sich darauf aufzubauen. Ich ging in eine Yeshiva (relig. Schule) und wohnte in relig. Stadtteilen. Meine Leben fand fast ausschliesslich in der haredischen (ultra – orthodoxen) Gesellschaft statt und es ist erstaunlich, wie schnell ich alles drumherum vergessen konnte. Tolle Klamotten, die Annehmlichkeiten des Lebens, alles spielte keine Rolle mehr. Trotzdem kann das vorherige Leben nicht einfach so vergessen und beiseite gestellt werden und es ergibt sich, dass “alte” Interessen in die Gedanken eintreten: Kino, das Lesen von weltlichen Büchern, mit allen möglichen Leuten reden oder einfach nur irgendwo herumhängen und ein Bier trinken. Genauso kann man als Ba’al Teschuva ins Kino gehen ode rein Bier trinken, doch beginnt dann die innerliche Frage, ob dies oder das erlaubt oder weniger erlaubt ist. Ferner kommt der Druck aus der relig. Gesellschaft hinzu sowie der Druck und die Erwartungen, welche man sich selbst auferlegt.

Viele Male habe ich zu diesem Thema berichtet und mir auf meinem englischen Blog riesige Kritik von diversen Ba’alei Teschuva eingefangen, die nicht wahrhaben wollen, dass ein Neureligiöser niemals so akzeptiert wird wie ein geborener Haredi (Ultra – Orthodoxer). Insbesondere in der haredischen Gesellschaft. Geborene Haredim werden kaum einem Neureligiösen einen Heiratspartner (Schidduch) anbieten, sondern eher jemanden, der ebenso Teschuva machte. Wenn es sich denn doch um einen geborenen Haredi handelt, dann ist er mindestens einmal oder mehr geschieden, krank oder so tief in der Schuldenfalle, dass ihn niemand anders mehr will.
Das Hauptproblem, welches geborene Haredim in den Neureligiösen in ihrer Gesellschaft sehen ist, dass Letztere von säkuleren Eltern abstammen, die wohl kaum die jüdischen “Taharat HaMischpacha – Familienreinheit” einhielten und Sex hatten, ohne dass die Frau nach ihren Monatsbeschwerden in der Mikweh (Ritualbad) war. Geschweige denn, dass die Eltern vielleicht sogar verbotenen Sex während der Monatsbeschwerden der Frau hatten. Dies ist im Judentum absolut verboten.
 
Kabbalistisch betrachtet bedeutet das Nichteinhalten der “Familienreinheit” eine Art Schönheitsfehler an der Seele des Neugeborenen. Bedeutet, dass das Kind sich später negative entwickelt. Dies muss nicht unbedingt sein, doch es besteht eine Wahrscheinlichkeit bis in die nächsten Generationen hinein.
 
Das ist der Hauptgrund, warum eine durch und durch haredische (ultra – orthodoxe) Familie keinen Ba’al Teschuva in die Familie einheiraten sehen will. Die Frage stellt sich, was jedoch mit einem Konvertiten zum Judentum ist, der sich in die haredische Gesellschaft begibt und dort leben will. Ein Konvertit wird nach dem Mikwehgang als “Neugeboren” betrachtet und die leiblichen Eltern sind halachisch betrachtet zwar immer noch die Eltern, doch erhält der Konvertit ab sofort die biblischen Sarah und Avraham als Eltern. Demnach hat er keine Eltern, welche die Familienreinheit nicht einhielten, denn seine leiblichen nichtjüdischen Eltern waren ja dazu gar nicht verpflichtet. Man könnte also annehmen, dass er es in der Beziehung leichter hat, stimmt aber nicht.

Nur wenige Wochen nachdem ich vor Jahren meinen Teschuva – Prozess began, gab ich auf, der haredischen Umwelt gefallen zu wollen. Leider drängen sich viel zuviele Ba’alei Teschuva in die Lage des “Gefallen Wollens”, denn man will akzeptiert und sogar besser sein. Ich gab das schnell auf, denn die Umwelt war mir egal und ich wollte mich auf meine eigenen Vorstellungen konzentrieren und nicht, ob Nachbarin A mich akzeptiert oder nicht. Ob Nachbarin B mit mir redet und mich zum Schabbat einlädt. Zu meinem Leidwesen erregte ich mit diesem Verhalten mehr Aufsehen als mir lieb war, denn es kamen Einladungen. Vielleicht, weil ich ein besserer und offener Gesprächspartner war als jene, die sich tierisch darauf konzentrieren, bloß nichts falsch zu machen, perfekt zu wirken und damit jedem auf die Nerven zu gehen.

Ich sprach über meine Schwächen und wusste, dass ich nicht perfekt war. Es wäre schön, wenn eine Perfektion dagewesen wäre. War sie aber nicht. 100,000 Mal fiel ich zurück in meinen alten Lebensstil und dann wieder in die haredische Gesellschaft. Nicht unbedingt der Ba’al Teschuva ist an einem Burnout schuld, sondern die haredische Gesellschaft an sich. Da kommt man mit so tollen Vorstellungen an und dann sieht man als “Neuer” viele Haredim, die sich benehmen wie “Sau”. Manche Rabbiner sind nur auf Geld und Ansehen aus und sobald ein reicher potentieller Sponsor auftaucht, lassen sie alles und G – tt stehen und liegen.

Wenn ich so etwas sehe, will ich nur noch entkommen. Da denken einige Rabbiner, sie seien so “heilig” und dann das. Auf meinen englischen Blog bekam ich zu diesem Artikel viele konstruktive Kommentare sowohl als auch private e – mails von Betroffenen. “Rabbiner seien auch nur Menschen und selbst Haredim müssen sich alltäglich überwinden, nichts Negatives zu tun". Nicht immer mit Erfolg, wie man sieht. Tatsache jedoch ist, dass dieses anti – religiöse und egoistische Verhalten andere Juden von der Religion fernhält. Und so etwas ist ein schweres Vergehen und wird “Chilul HaShem – G – tteslästerung” genannt. 

Schon vor mehreren Monaten entschloss ich mich dazu, viele Mitzwot auszuführen und andere … nun, wenn der Zeitpunkt gekommen ist und ich dazu bereit zu bin. Es bringt nichts, sich sein Leben auf Stress aufzubauen und kontant depressiv zu sein, nur eine Perfektion zu erreichen. Und perfekt ist niemand. Rabbi Nachman von Breslov sowohl als auch Rabbi Schneur Zalman von Liadi (Begründer der chassidischen Gruppe Chabad – Lubawitsch) waren der Meinung, dass G – tt niemanden in die relig. Depression stürzen will. Vielmehr hat jeder Jude dieAufgabe an sich selbst zu arbeiten, darf dabei aber nicht seine Lebensfreude verlieren.

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