Freitag, Mai 25, 2007

Der alltaegliche halachische Wahnsinn

B"H

Wie jeder weiss, gibt es bei uns Juden mehr Halachot (relig. Gesetze) als anderswo. 613 Mitzwot und Tausende anderer Gesetze, die an diesen 613 Hauptmitzwot kleben. Erklaerungen, Auslegungen, Kommentare etc. Selbst der Talmud und der Shulchan Aruch (Code of Jewish Law) lassen manchmal keine genauen entgueltigen Antworten zu.
In dem Falle fragt jeder seinen Rabbiner oder er richtet sich vielfach nach dem Brauch der Familie.

Ich bemuehe mich so gut es geht, die Halachot aus dem Shulchan Aruch zu halten und ich wage zu behaupten, dass ich einiges darueber gelernt habe. Wenn ich aber haeufig von anderen Leuten diverse Auslegungen hoere, denke ich, dass ich gar nichts weiss oder das die Leute einfach zu fanatisch sind.

Schon vor Jahren fing es an als ich wegen der Jerusalemer Hitze am Shabbat ein Fenster oeffnen wollte und ich mir von meiner Mitbewohnerin anhoeren musste, dass ein Fenster am Shabbat halachisch Mukze sei, wenn es nicht schon vor dem Shabbat geoeffnet war.
Fuer all jene, die nicht wissen, was Mukze ist: Es handelt sich hierbei um Gegenstaende, die am Shabbat nicht angefasst und vorher beiseite gelegt werden, da sie ansonsten jemanden dazu verleiten koennten, sie am Shabbat zu benutzen.
Mukze heisst auch woertlich uebersetzt: beiseite.
z.B. Kugelschreiber, elektronische Geraete und wie ich mir anhoeren musste, gehoerte dazu auch ein geschlossenes Fenster am Shabbat.
Die Halacha gibt es wirklich und ich kannte sie nicht. Trotzdem kam sie mir etwas uebertrieben vor und das nicht nur, weil mir heiss war.

Ich koennte Tausend weitere Faelle auflisten, tue dies aber nur mit zwei gravierenden, welche sich innerhalb der letzten Wochen ereignet haben. Hierbei betrifft es litvishe Haredim (Ultra - Orthod.). Die Litvishen sind fuer ihre manchmal recht ueberzogene halachische Haltung bekannt, was regelmaessig zu Konflikten mit den Chassidim fuehrt. Diese Konflikte sind nicht neu, denn seit Beginn der Chassidut (im 18. Jahrh.) kritisierten die litvishen Juden samt ihrem Oberhaupt dem Gaon aus Vilna die Braeuche des Baal Shem Tov und seiner Chassidim. Chassidut waere die reinste Spiritualitaet. Leute wuerden "fliegen" und nur meditieren, von Halachot dagegen haetten sie keine Ahnung.
Diese Meinung vertreten bis heute nur diejenigen, die von Chassidut nicht die geringste Ahnung haben. Ich traf unzaehlige Litvisher, die vollkommen ueberzogene Vorurteile den Chassidim gegenueber haben. Ihrem ehemaligen geistigen Fuehrer aus dem 17. Jahrhundert, dem Vilna Gaon ging es damit nicht besser. Persoenlich hatte er nie mit Chassidim diskutiert, sondern kannte sie nur durch seine Schueler vom Hoerensagen. Als einmal der Chabad - Gruender Rabbi Shneur Zalman von Liadi sowie Rabbi Menachem Mendel von Vitebsk (ein weiterer Schueler des Maggid von Mezritch - dem Nachfolger des Baal Shem Tov) zum Gaon kamen, wurden sie nicht eingelassen. Schade, sonst haette der Vilna Gaon etwas lernen koennen.

Aber zurueck zum Fall:
Vor etwas mehr als einem Monat kam ein Litvisher in unsere Baeckerei. Im Laden befanden sich zwei chassidische Verkaeuferinnen. Eine von der Chassidut Chabad und eine von Breslov. Ausserdem stand ich dort und sprach mit unserem Sekretaer.
Der Litvishe fragte, ob vor dem Backvorgang oder besser noch bei der Weizenernte alle ueberfluessigen Schalen um die Weizenkerne entfernt werden wuerden. Falls nicht, so waeren unsere Produkte nicht koscher genug. Und ob wir denn verstehen wuerden, wovon er ueberhaupt rede. Der Litvishe schaute uns alle erhaben und triumphierend an.
Ich glaube, dass wir alle komisch aussahen, weil wir bestimmt dumm dreinblickten. Ja, wir verstehen ihn schon, aber da wir eines der besten Koscherzertifikate im Lande haben, ist unsere Baeckerei koscher.
Ja, fuhr er fort, wir haetten aber ein chassidisches Zertifikat von der Chassidut Belz und da weiss man ja nie.
Unsere beiden chassidischen Verkaeuferinnen haetten den Litvishen am liebsten auf der Stelle erwuergt. Und ich gleich mit.
Wir sagten, dass alles koscher sei und wir unserem Koscherexperten Bescheid sagen werden. Nein, nein, sagte der Litvishe, er wolle lieber seinen eigenen litvishen Rabbi fragen. Er ging hinaus und ward nicht mehr gesehen.


Zweiter litvisher Fall:
Auch eine Baeckerei, aber im haredischen Stadtteil Givat Shaul gelegen. Ich kaufte dort ein und ploetzlich kam ein litvisher junger Haredi hinein. Waehrend ich mich mit dem Verkaeufer unterhielt, wuehlte der Litvishe in der Eistruhe. Ploetzlich fuehr er auf, fragte nach den Preisen und von wann denn genau das Eis waere.
Der haredische Verkaeufer kriegte einen vollen Anfall. Was denn, von wann das Eis waere. Pessach sei vorbei. Und er, der Litvishe, solle sich jetzt aus dem Laden entfernen. Raus.
Der Litvishe ging und ich fragte den Verkaeufer, was das denn sollte. Ein Eis ist nicht an Pessach gebunden und Shemittah (jedes siebte Jahr, an welchem wir nichts pflanzen) beginnt erst im September.
Die sind ja alle gestoert, meinte der Verkaeufer kurz.

Es ist keine Frage, dass Thoragesetze und Halachot sein muessen, doch bin ich dagegen, dadurch mein Leben zu ruinieren. Sinn der Halachot ist es, sie mit Freude zu erfuellen und nicht sie routinemaessig auszufuehren und immer mit dem Detailgedanken im Hinterkopf.

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