Sonntag, Oktober 21, 2007

Das Chaos mit der Schemittah - Kaschrut

B"H

Pünktlich mit dem jüdischen Neujahr Rosh HaShana begann das Schemittah - Jahr, welches sich ebenso bis zum nächsten Rosh HaShana hinzieht.

Die Thora verpflichtet uns in jedem siebten Jahr das Land ruhen zu lassen (siehe Vayikra – Leviticus 25:2). Dieses Thoragesetz wird so verstanden, daß wir in Israel, und NUR in Israel, in jedem siebten Jahr keinerlei Pflanzungen oder Ernten vornehmen. Kurz gesagt, wir dürfen das Land nicht bewirtschaften.

Aber nicht nur die Landwirtschaft fällt unter das Schemittah – Jahr. Auch Schulden sollen in jenem Jahr ruhen. Erst nach dem Shemittah – Jahr sollen die Schulden abbezahlt werden. Zu diesem Teil des Schemittah gehe ich nicht ins Detail, denn das Verfahren hierfür (Prozbul) ist recht kompliziert.

Der Jerusalemer Talmud Shevi'it (Talmud Yerushalmi Shevi'it) geht sehr ausführlich auf das Thema "Schemittah" ein, doch weist zugleich darauf hin, daß nicht wenige Gemeinden ihre eigenen Bräuche oder Gesetze haben.

Persönlich gab ich schon im Vorfeld der Diskussionen auf, mich näher mit dem Thema auseinanderzusetzen. Zuviel wurde zerredet und ist immer noch fraglich. In Israel hat fast jede relig. Gruppe ihre eigenen Schemittah – Gesetze, besser gesagt ihr eigenes Koscherzertifikat (Hechscher). Wenn ich Obst und Gemüse einkaufe, dann verlasse ich mich auf das Hechscher des jeweiligen Händlers und ich stelle keine Fragen. Wie soll ich auch nachvollziehen, ob etwas auf israel. Boden von Nichtjuden angepflanzt wurde.

Schemittah gilt NUR in ISRAEL und wenn wir Obst oder Gemüse essen wollen, dann müssen diese von Nichtjuden angepflanzt werden. Beispiel: In den palästinen. Autonomiegebieten. Schon frühzeitig wollte die anti – zionistische Dachorganisation Edah HaCharedit aus Mea Shearim mit der Hamas in Gaza ein Abkommen treffen, denn man braucht ja schließlich Essbares. Aber auch auf dem nationalrelig. Und haredisch – litvishen Sektor tat sich einiges.

Da gibt es das Hechscher (Zertifikat) des aschkenazischen Oberrabbiners, Rabbi Jonah Metzger, oder das strengere des geistigen Oberhaupt der litvishen Haredim, Rabbi Eliyahshiv aus Bnei Brak. Das Hechscher der Nationalreligiösen unterliegt teilweise dem Oberrabbiner von Ramat Gan, Rabbi Yaakov Ariel.

Das Oberrabbinat zog rechtzeitig aus, um jeden israel. Bauern über die Schemittah – Regeln aufzuklären. Durch ein kompliziertes Verfahren des Oberrabbinates wurden Ländereien provisorisch verkauft, damit der israel. Bauer auf seinen Feldern etwas anbauen kann, die ihm formell nicht gehören. Aufgrund dieser Ausnahmeregelung sind die Bauern in der Lage, keine allzu großen finanziellen Verluste hinnehmen zu müssen.
Die provisorischen Kaufverträge werden vom Oberrabbinat geprüft und dementsprechend werden die Koscherzertifikate für das Schemittah – Jahr ausgestellt. Auch die Regierung muß auf diesen Verträgen ihre Unterschrift hinterlassen.

In der Regel heißt das Schemittah – Zertifikat des Oberrabbinates "Ozer HaAretz", welches Hechscherim (Koscherzertifikate) a la "Kascher Le' Mehadrin" ausstellt. Hierzu gaben der kürzlich verstorbene Rabbiner, Rabbi Avraham Shapira, sowie der sephardische Rabbiner, Rabbi Mordechai Eliyahu, ihre Erlaubnis. Viele Nationalreligiösen jedoch machen dem Oberrabbinat Konkurrenz und mittlerweile hat sich auch der Landwirtschaftsminister eingeschaltet.

Wer behält bei der ganzen Bürokratie überhaupt noch den Überblick ?

Das Oberrabbinat scheint eine Vormachtsstellung zu haben, doch werden deren für koscher erklärte Produkte kieneswegs von chassidischen Gruppen verzehrt. Nicht, daß alles gänzlich unkoscher ist, doch gibt es besonders auf dem Sektor der israelischen Kaschrut viele politische Komplikationen. Zuviele Organisationen sind miteinander zerstritten, betrachten sich aber selbst als koscher und die Konkurrenz nicht. Bestes Beispiel ist unsere Bäckerei, in der wir das Hechscher der Belzer Chassidim haben.

Nun muß man wissen, daß Belz bis Anfang der 80iger Jahre Mitglied der Edah HaCharedit war und diese plötzlich verließ und sich der Agudat Israel anschloß. Die Mitgliedergruppen der Edah (Satmar, Dushinsky, Brisk, Toldot Aharon, Avraham Yitzchak und einige Breslover) sahen dies als Verrat an der Edah HaCharedit, denn Belz schloß sich jener Organisation (Agudat Israel) an, welche in der Knesset vertreten ist und den Staat Israel anerkannt. Seither besteht zwischen Belz und der Edah ein Kleinkrieg und keiner der jeweiligen Mitglieder ißt vom Koscherzertifikat des anderen.

Die Edah HaCharedit hat ihr Badatz (Beit Din Zedek) und Belz hat sein eigenes. Das Rabbanut ist das weitverbreiteste Zertifikat mit ihren "Kascher Le'Mehandrin" und das noch bessere "Kascher Le' Mehadrin Min HaMehadrin". Wer kann mir bei den Oberrabbinatzertifikaten den Unterschied erklären, außer vielleicht dem höheren Preis, den die Geschäftsleute zahlen müssen ?

Die beiden Zertifikate der Badatze sind schwerer zu erfüllen, denn dort werden sämtliche Zutaten, die Sauberkeit der Fabrikation und selbst die Angestellten überprüft. Laut der jüdischen Halacha dürfen nämlich NUR halachische Juden einen Koch – oder Backvorgang einleiten. Nur sie sind befugt, einen Herz anzuzünden. Sollte dem nicht der Fall sein, muß ein halachischer Jude zumindest das Essen einmal umgerührt haben. Die beiden Badatze (Belz sowie die Edah) erkennen letzteres kaum an und wollen halachische Juden in der Fabrikation sehen. Das Oberrabbinat geht in solchen Angelegenheiten oftmals zu lax um, kassiert aber massig bei den Herstellern ab.

In Israel ist es Gesetz, daß jeder Lebensmittelhersteller eine offizielle Erlaubnis des Oberrabbinates haben MUSS. Dabei ist es egal, ob er sein eigentliches Koscherzertifikat von der Edah HaCharedit oder woanders her bezieht. Grundvoraussetzung für ALLE ist die generelle Erlaubnis des Oberrabbinates.
Unsere Bäckerei wurde von Belz nicht darauf hingewiesen und bekam somit eine saftige Geldstrafe vom Oberrabbinat.

Hinzu kommt, daß uns die Belzer Maschgichim (Koscherbeauftragten) genauestens vorschreiben, beim wem wir die Zutaten einzukaufen haben. Schemittah – Zertifikate des Oberrabbinates werden von Belz grundsätzlich nicht anerkannt. Auch werden Zutaten, die nicht vom Schemittah abhängig sind und das Zertifikat des Oberrabbinates tragen, abgelehnt. Aber nicht nur das, Belz lehnt gleichzeitig jene Produkte ab, welche mit dem Stempel der Edah HaCharedit versehen sind. Kurz gesagt, unsere Bäckerei steht momentan unter der Knute von Belz und sucht nach einem Ausweg. Eine Möglichkeit ist im Gespräch und falls sie greift, wird Belz uns boykottieren oder noch besser, einen Bann über uns erlassen.

Die Politik zwischen Belz und der Edah HaCharedit geht auf die Kosten vieler einzelner Geschäftsleute. Da bekommen wir Zutaten geliefert, welche ein Zertifikat der Edah tragen und Belz läßt die Lieferung in Belz – Produkte umtauschen. Ob die Edah ihrerseits genauso handelt, ist mir nicht bekannt. Genauso wie Belz das Oberrabbinat ablehnt, arbeiten beide jedoch sehr häufig und gerne zusammen. Vor allem, wenn es um den Austausch jener Gelder für das Koscherzertifikat geht.

Wenn Händler, Restaurantbetreiber etc. sich entschliessen, koschere Ware herzustellen, dann ist ein Zertifikat ein MUß. Ohne dieses kommt keine relig. Kundschaft und gerade in Jerusalem macht diese Art der Kundschaft den Großteil des Umsatzes aus.
Der nächste Schritt ist die Entscheidung, welches Zertifikat der Hersteller beantragen will. Das Oberrabbinat ist billiger als die Badatze, doch wird es nicht von jedem anerkannt. Die beiden Badatze Belz sowie die Edah sind automatisch höher eingestuft und somit angesehener beim Verbraucher.

Doch dann geht das Geplänkel auch schon los. Die Zutaten müssen ein ebenso entsprechendes Zertifikat haben und wenn dem nicht so ist, wird kein Endzertifikat ausgestellt. Belz macht uns derzeit die Hölle so heiß, sodaß uns fast nur teure Belz – Zutaten untergeschoben werden. Manchmal haben wir Lieferengpässe und müssen auf neue Zutaten warten, was Zeit und Geld kostet.

Einmal bestellten wir Zutaten mit dem sephardischen Zertifikat "Beit Yosef – nach Rabbi Yosef Karo (dem Autor des Schulchan Aruch)" und bei Belz bekam man fast einen Nervenzusammenbruch. Die sephardische Ware ging sofort zurück. Nun haben wir bezüglich des Schemittah – Jahres Oberrabbinatsprodukte, was Belz wiederum nicht anerkennt.

Die Bäckerei ist kein Einzelfall und vor allem im Schemittah – Jahr hat Otto Normalverbraucher keine Chance mehr. Wer sich selbst helfen will, der kaufe sich das Buch des "Schemittah – Führers".

Ich glaube kaum, daß G – tt sich das alles einmal so kompliziert vorgestellt hat.

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