Sonntag, Oktober 07, 2007

Ein paar Gedanken zu Bereshit (Genesis)

B"H

Am gestrigen Shabbat begannen wir von Neuem mit der Lesung der Thora. Jedes Jahr nach Simchat Thora lesen wir die Parashat Bereshit (Genesis).

Normalerweise wird "Genesis" mit den Worten "Am Anfang" übersetzt, doch hat "Bereshit" viele unterschiedliche Bedeutungen. Die Kabbalah übersetzt "Bereshit" als "Mit Weisheit erschuf G - tt …..". Allein der kabbalistische Zohar HaChadash umfasst 70 Traktate nur allein zum Wort "Bereshit".

Im Judentum haben wir das Konzept, dass jeder Mensch, und habe er auch noch ein so negatives Leben geführt, fast immer die Möglichkeit hat, zum Judentum bzw. zu G - tt zurückzukehren. Bereshit ist wie ein Neubeginn und vielleicht sollten wir diese Chance nutzen, unser Leben ein wenig positiver zu gestalten.

Für uns ist es absolut unvorstellbar gedanklich zu erfassen, wie die Welt nach der Erschaffung aussah. Die sechs Tage des Erschaffungsprozesses sind metaphorisch zu betrachten, denn zu der Zeit gab es keinerlei Zeitrechnung oder Zeitgefühl. Einzig und allein G - tt existierte und auf ihn ist Zeit nicht zutreffend. Er existierte immer und wird dies unendlich lange tun. Das erste Mal fand die Zeit Erwähnung in der Thora mit dem Satz "Und G - tt nannte das Licht Tag" (siehe Ramban zu Bereshit).

Die ersten sechs Tage beinhalten Millionen von Jahren und der relig. jüd. Physiker Dr. Gerald Schroeder beschreibt in seinen Büchern sehr deutlich, wie lange das Universum brauchte, um sich nach dem "Urknall" abzukühlen.

In der Kabbalah, vor allem in den Schriften des Arizal (Rabbi Yitzchak Luria), heisst es, dass es vor der Erschaffung der Welt nichts gab, ausser G - tt. Er füllte alles aus und wir mögen so unsere Probleme damit haben, uns ein absolutes Nichts vorstellen zu können. Als G - tt sich entschied, das Universum etc. zu erschaffen, musste Er sich selbst aus einem Raum zurückziehen, um Platz für Seine Kreation zu schaffen. Hierbei handelt es sich um den sogenannten Zimzum.

Der Zimzum fand jedoch keineswegs räumlich statt, sondern vielmehr zog Er Seine unendlichen Kräfte zurück. Denn hätte Er die Welt absolut perfekt erschaffen, dann befänden wir uns auf dem Level von Robotern und täten über keinen freien Willen verfügen. Um jedoch auch dem "Negativen" einen Freiraum zu lassen, musste sich G - tt automatisch bis zu einem gewissen Grad zurückziehen.

Die Gemara im Talmud Traktat Sanhedrin 38a stellt die Frage, warum G - tt den Menschen erst am sechsten und nicht schon am ersten Tag erschuf. Weil sonst negative Kräfte in der Zukunft behaupten könnten, dass der Mensch Partner im Erschaffungsprozess war, was vollkommen falsch wäre.

Nicht wenige andere Religionen legen den Satz "Lasst uns den Menschen erschaffen" als eine Art Trinität aus. G - tt hätte mehrere Identitäten, was natürlich ebenso eine Fehlinterpretation darstellt. Metaphorisch gesehen erschuf hier G - tt den Menschen mit all Seinen 10 Attributen (Eigenschaften oder Sefirot). Nicht, dass G - tt "sprach", sondern dass Er Seine Kräfte für den Erschaffungsprozess benutzte.

Immer dann, wenn die Thora G - tt menschliche Eigenschaften zuweist, handelt es sich um Metaphern, denn G - tt verfügt über keinerlei solcher Eigenschaften. Die Thora allerdings gab Er uns in einer vermenschlichten Sprache, damit unser eingeschränkter Verstand in der Lage ist, sie zu begreifen. Ebenfalls sind wir nicht imstande, G - tt zu verstehen, sondern können Ihn lediglich anhand Seiner Handlungen etwas kennen lernen.

Auch existierte lt. der Thora "der Abend" vor "dem Morgen". Hierzu kommentiert Rabbi Yehonatan Eibeschütz das "der Abend" ausdrückt, dass seitens G - ttes der Gedanke kam und "am Morgen" steht für die eigentliche Ausführung der Tat.

Es gibt unzählige Kommentare darüber, was Eva (Chava) und Adam falsch gemacht haben und was genau mit dem Paradies (Gan Eden) sowie den zwei Bäumen, dem Baum des Lebens (Etz Chaim) und dem Baum der Erkenntnis (Etz HaDaat) gemeint ist. Viele Kommentatoren vertreten die Meinung, dass Gan Eden und die Bäume bestimmte seelische Level repräsentiert. Adam sowohl als auch Chava waren auf einem dermassen hohen geistigen Level, welcher für uns heute völlig unvorstellbar ist. In dem Moment als beide vom Etz HaDaat assen, bekamen sie einen materiellen Körper und die meisten hohen geistigen Level verflogen. Unsere materielle Welt, die Malchut, übernahm die Vorherrschaft und die anderen drei geistigen Welten, Atzilut, Beriah und Yetzirah, entfernten sich von der Malchut. Unsere Aufgabe ist es, die Welten und die hohen geistigen Seelenlevel wieder auf ihren Ausgangspunkt nach dem Erschaffungsprozess zurückzubringen. Dies verstehen wir unter dem Tikun Olam - die Reparatur der Welt.

Ursprünglich war geplant gewesen, dass Chava und Adam der Versuchung widerstehen und noch am kurz darauf folgenden Shabbat der perfekte Level der Welt erreicht worden wäre. Adam hätte somit alle sich in ihm befindenen Seelen repariert und die Welt sehe heute anders aus. Doch Adam und Chava erwiesen sich trotz ihres hohen Levels als nur allzu menschlich und wollten sich nicht mit dem zufrieden geben, was sie hatten. Es war ihnen erlaubt, von den Hunderten wenn nicht Tausenden von Bäumen im Gan Eden zu essen und selbst vom Baum der Erkenntnis hätten sie nach Einbruch des Shabbat essen dürfen. Doch eine negative menschliche Eigenschaft ist fast immer das zu wollen, was man nicht hat oder in anderen Worten: der Neid. Genauso erging es Kain als er seinen Bruder Hevel (Abel) tötete.

Vielleicht sollten wir aus diesen Fällen lernen, nicht immer nur auf unseren Nachbarn zu schauen, sondern uns mit dem zufrieden geben, was wir schon erreicht haben. Alles werden wir niemals erreichen, denn es wird immer jemand vor uns stehen, der mehr hat. Daher ist die beste Lösung sich auch einmal aus ganzem Herzen für seine Mitmenschen zu freuen.

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