B"H
Die Thoralesung für diesen Shabbat
Parshat Vayeira beinhaltet dermaßen viele wichtige Geschehen, sodaß es wirklich schwer fällt, sich auf ein oder zwei besondere Themen zu konzentrieren und sie näher zu erläutern. Ich konzentriere mich, mehrheitlich auf Avraham, die Zerstörung Sodoms und die "Akeidat Yitzchak (die Opferung des Yitzchak)".
Die ersten Worte der Thoraparasha beschreiben uns, wie Avraham vor seinem Zelt sitzt und nach vorbeikommenden Reisenden Ausschau hält, die er zum Essen einladen will. Avraham war die Verkörperung von "Chesed - Güte" und schon zu seiner Zeit war er berühmt dafür, wildfremde Menschen in sein Zelt zum Essen einzuladen. Persönlichen Dank verlangte er nie, sondern einzig und allein, daß die Gäste nach dem Mahl dem einzigen alleinigen G - tt danken.
"Und G - tt erschien (Vayeira) dem Avraham …"
Rashi erklärt hierzu, daß G - tt den Avraham nach dessen Beschneidung besuchte. Es handelte sich um den dritten Tag nach der Beschneidung und G - tt befahl eine große Hitzewelle, welche Reisende abhalten sollte, um so Avraham eine Ruhepause zu gönnen. Avraham dagegen hielt eifrig Ausschau und ließ sich selbst von den Schmerzen der Beschneidung nicht davon abhalten, Gäste bewirten zu wollen (Talmud Bava Metzia 86b). Schon aus den ersten Worten dieser Parasha lernen wir, wie wichtig Krankenbesuche sind, denn G - tt schaute persönlich bei Avraham vorbei.
Kurz darauf stehen drei Fremde vor Avraham und dieser springt sogleich auf und lädt sie zum Essen ein, ohne allerdings zu ahnen, daß es sich bei ihnen um Engel handelt.
Danach beauftragt er seine Frau Sarah Essen zuzubereiten und kurz darauf hört Sarah einen der Engel sagen, daß sie demnächst ein Kind zur Welt bringen wird. Sarah befand sich damals im stolzen Alter von 90 Jahren und lachte über die Bemerkung des Engels. Wenig später teilt G - tt Avraham von seiner Absicht mit, die Stadt Sodom sowie einige weitere Städte in der Gegend zerstören zu wollen und die Engel machen sie auf den Weg.
Soweit die ersten Handlungen in der Parashat Vayeira.
Der Ramban (Nachmanides) hat einen grandiosen Kommentar zu dem Geschehen und stützt sich dabei auf das Buch "Moreh Nevuchim - The Guide of the Perplexed " des Rambam (Maimonides). Die genaue Quellenangabe lautet: Moreh Nevuchim 2:41 - 42.
Der Ramban stellt fest, daß wenn die Erklärungen des Rambam richtig sind, alle Handlungen (die drei Engel kommen zu Avraham, Sarah backt und lacht) niemals real stattgefunden haben. Wenn wir lesen "Vayeira elav HaShem…" bedeutet dies, daß sich G - tt natürlich nicht in einer Form oder Gestalt dem Avraham zeigte (G - tt hat weder Form noch Gestalt), sondern daß Er ihm in einer Vision erschien.
Im zweiten Buch des "Guide for the Perplexed" beschreibt der Rambam ausführlich seine Meinungen zu jeglicher Art von Prophezeihung. Und nachdem Avraham beschnitten und somit einen Bund mit G - tt eingegangen war, unterlag er von nun an einer höheren Art von Prophezeihung als zuvor. Zuerst hatte Avraham "verschwommene" Visionen, welche mit einem Vorhang zu vergleichen sind. Wir sehen etwas, doch Einzelheiten bleiben mehr oder weniger verborgen. Nach der Beschneidung allerdings war Avraham auf einem wesentlich anderen Level und somit gab es für ihn klare Prophezeihungen.
Das Thema "Prophezeihungen und Engel" werde ich ausführlicher in einem der nächsten Beiträge erkläutern.
Eine interessante These, welche der Ramban da aufstellt. Oberflächlich betrachtet ist es unerheblich, ob Avraham die Handlungen nur in einer Vision erlebte oder ob sie tatsächlich real stattgefunden haben. Weitere Thorakommentatoren sehen die Handlungen als sehr real an. Allein schon aus dem Grund, daß als Sarah die Bemerkung des Engels hörte, sie werde trotz ihrer 90 Jahre demnächst ein Kind gebären, lachte, sie sarkastisch vor sich hin sagte, daß dieses ja wohl unmöglich sei, denn ihr Mann (Avraham) sei viel zu alt.
Und nun achtet einmal alle auf den genauen Text in der Thora.
Sie sagte, ihr Gatte sei zu alt.
Als jedoch gleich darauf G - tt Avraham berichtet, daß Sarah lachte, sehen wir plötzlich eine ganz andere Wiedergabe des Geschehens.
G - tt sagt nämlich zu Avraham: "Warum lachte Sarah und sagte - soll ich (Sarah) wirklich gebären, wo ich doch viel zu alt bin" ?
Sarah aber sagte niemals, daß sie zu alt sei, sondern ihn Mann.
Die Frage ist: Wieso stellt G - tt den Inhalt von Sarahs Worten anders dar als er mit Avraham spricht ?
Die Gemara im Talmud Bava Metzia 87a erklärt warum und stellt damit ein äußerst wichtiges und zugleich höchst kompliziertes Konzept im Judentum auf.
Hätte G - tt dem Avraham die exakten Sätze Sarahs zitiert, dann hätte dies einen Streit zwischen Sarah und ihrem Gatten hervorrufen können. Um den Familienfrieden zu erhalten, benutzt G - tt sozusagen eine "Notlüge".
Manchmal ist es wichtig, Familienmitgliedern oder guten Freunden nicht immer die direkte Wahrheit zu sagen, um keine Feindschaften zu schüren. Wann jedoch diese Fälle genau eintreten, ist sehr schwer zu erklären. Nicht jede "Notlüge" kann mit dem Konzept aus Bava Metzia gerechtfertigt werden.
Kauft, zum Beispiel, eine Frau ein neues Kleid und der Gatte findet es total häßlich, dann sollte er seiner Frau nicht unbedingt direkt sagen, was sie denn da für einen häßlichen Fetzen gekauft habe. Um den Familienfrieden zu erhalten, sollte der Mann zurückhaltender sein, um die Gefühle der Frau nicht zu verletzen.
Dieses komplizierte Konzept finden wir noch anderswo; nämlich bezüglich der "Laschon HaRah - des Gerüchteverbreitens und des Klatsches über andere". Ein berühmtes Beispiel finden wir am Ende des "Buches Micha" (Propheten), indem Yaakov EMET (Wahrheit) zugeschrieben wird. Aber sagte Yaakov wirklich immer die Wahrheit ?
Auch hier handelt es sich um komplizierte Zusammenhänge in Fällen, wo man eine Art von "Laschon HaRah" benutzen MUSS, um positive Ergebnisse zu verursachen. Aber wie gesagt, diese Konzepte sind höchst kompliziert und man sollte sich allgemein davor hüten, bestimmte Verhaltensweisen damit zu rechtfertigen.
Die drei Männer, die Avraham erschienen, werden von den Kommentatoren als Engel dargestellt. Der Talmud Traktat Bava Metzia 86b nennt uns die Namen der drei Engel: Michael, Gabriel und Raphael.
Und jeder der Drei hatte eine bestimmte Aufgabe in unserer Welt zu verrichten, denn niemals kommt ein Engel allein mit zwei Missionen (Midrash Rabbah). Jeder Engel führt seine individuelle Aufgabe aus und zieht sich danach zurück. So war es die Aufgabe Michaels, Sarah wissen zu lassen, daß sie ein Kind bekommen wird. Raphael kam, um Avraham zu heilen und Gabriel sollte Sodom zerstören.
In der Midrash Rabbah fragt der Kommentator Etz Yosef, warum denn die Thora nicht die Namen der Engel nenne ?
Laut dem beühmten talmudischen Rabbi Reish Lakish haben die Engel gar keine Namen. Der Etz Yosef fährt fort, daß die Namen gewisser Monate sowie der Engel erst im babylonischen Exil entwickelt worden sind. So werden Michael und Gabriel im Buch des Daniel genannt und Raphael ist im Buch Tobi (Tovi) erwähnt.
Noch heute verwenden wir den Ausdruck: "Wie Sodom und Gomorrha" ohne uns jedoch über die wahren Geschehnisse in der Gegend im klaren zu sein. Die Gegend am Toten Meer war damals keine Wüste, sondern ein blühendes fruchtbares Land. Auch das Tote Meer selbst gab es noch gar nicht, sondern es handelte sich geographisch um das Tal der Schedim, indem die Könige gegen Avraham kämpften (siehe die vorherige Parashat Lech Lecha). Erst nach der Zerstörung Sodoms wurde die Gegend eine Wüste in der nichts wächst.
Die Bewohner Sodoms waren reich und wollten alles, nur keine armen Durchreisenden. Sie taten alles um zu verhindern, daß sich Leute unter ihrer Würde in der Stadt niederließen und brachten auch schonmal den ein oder anderen Reisenden um. Gastfreundschaft oder jegliches Mitleid waren gesetzlich verboten und so wurde eine Tochter Lot's, die einem Armen Essen reichte, zum Tode verurteilt. Sie wurde von oben bis unten mit Honig beschmiert und dann auf einem Dach plaziert. Unnötig zu erwähnen, daß sie von einem Bienenschwarm erstochen wurde (Talmud Sanhedrin 109b). G - tt hörte den Aufschrei der Frau und das Schicksal Sodoms war besiegelt.
Aber warum gerade Sodom ? Gab es nicht überall auf der Welt solche Vergehen ?
Die Begründung liegt darin, daß Sodom sich im Heiligen Land befand und nicht außerhalb. Und für das heilige Land ist G - tt allein verantwortlich.
Zum Schluß erfahren wir von der Akeidat Yitzchak - der Opferung des Yitzchak auf dem Tempelberg (Har HaMoriah). Sarah und Avraham hatten einen gemeinsamen Sohn, den Yitzchak. Den 13 Jahre älteren Sohn Ishmael hatte Avraham mit seiner Konkubine Hagar, einer ägyptischen Prinzessin.
Das kabbalistische Buch Zohar lehrt, daß Ishmael vor der Beschneidung Avrahams geboren wurde und dieser schon in seiner Kindheit dem Götzendienst seiner Mutter Hagar folgte. Wie schon erwähnt erreichte Avraham erst nach seiner Beschneidung einen besonders hohen Level und G - ttes Anwesenheit (Schechinah) lag immer auf ihm. Kabbalistisch gesehen ist Yitzchak damit höher als Ishmael, denn Sarah ist seine Mutter und er wurde erst nach der Beschneidung geboren. Außerdem war sein Charakter anders als der des Ishmael und deshalb wurde Yitzchak zum von G - tt auserwählten Erbe Avrahams. Zu erwähnen bleibt, daß Ishmael wesentlich später in seinem Leben Teshuvah machte und zu G - tt zurückkehrte.
Die berühmte Frage lautet, warum G - tt Avraham damit testete, seinen geliebten Sohn Yitzchak zu opfern. Hierzu hat Rabbi Kook einen erstaunlichen Kommentar.
Avraham führte den Monothoismus wieder ein und damit bekam der Götzendienst der Mitmenschen eine gegengesteuerte Kraft. Kann der Monothoismus die gleiche religiöse Euphorie hervorrufen wie der Götzendienst ?
Mit seiner uneingeschränkten Bereitwilligkeit G - tt zu dienen, bewies Avraham das dem so ist.
Shabbat Shalom
Donnerstag, Oktober 25, 2007
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