Sonntag, März 08, 2009

Nationalreligiös - Dati Le'umi


Nationalreligiöse an der Kotel (Klagemauer)


B"H

Mancher Leser wird, sobald er sich mit dem Judentum beschäftigt, sofort mit einem manchmal komplizierten Wortschatz überfallen. Da gibt es nicht nur DIE JUDEN oder reform, konservativ, progressiv oder orthodox, nein, da fallen Wörter wie haredi (ultra - orthodox), nationalreligiös, chassidisch ... Wer soll da durchsteigen und das alles noch auseinanderhalten können ?

Sobald man vom Judentum spricht oder darüber berichtet bzw. schreibt, ist gerade der Wortschatz nicht wegzudenken. Wie will jemand argumentieren, wenn er keinen litvischen Haredi von einem Chassid auseinanderhalten kannt ? Und wer oder was ist jetzt nationalreligiös und wie bitteschön kommen die Richtungen untereinander aus und überhaupt ?

Einem Außenstehenden dies alles so Ex und Hopp zu erklären fällt nicht leicht und deswegen ziehe ich fast immer Fallbeispiele vor.
In Mea Shearim (einer der ultra - orthod. Stadtteile Jerusalem) wird mir vielfach gesagt, dass die zionistischen Nationalreligiösen weniger religiös seien. Eben mit Kipa auf dem Kopf, aber die Kleidung sei ja wie bei Nichtjuden.
Neulich dann sagte mir eine Neureligiöse, dass sie vor ihrem haredischen Leben bei den Nationalreligiösen gewesen sei und die seien ja nicht besser als die Säkuleren. Sie sei nämlich durch die Nationalreligiösen erst zum Säkulerismus gekommen.



Aus relig. zionistischer Sicht darf Israel überall besiedelt werden.

Ich bin der gegenteiligen Auffassung und tat dies auch genügend kund. Nicht alle Nationalrelig. sind über einen Kamm zu scheren, selbst wenn sie sich für Haredim (Ultra - Orthod.) ganz "normal kleiden. Allgemein gesagt kleiden sich die Nationalrelig. ganz normal in Jeans, Shirt, Rock, Pullover, was auch immer; wobei sie nicht die schwarze Hose, weisses Hemd - Kleidungsetikette haredischer Männer einhalten. Die Frauen tragen langen Rock (auch Jeansrock, was bei Haredim nicht immer akzeptiert wird) und ehrlich gesagt, schaut so manch nationalrelig. Frau anständiger aus als ihr haredischer Gegenpart. Gerade bei den litvisch - haredischen Frauen in Bnei Brak werden die Röcke stetig kürzer.

Nationalrelig. sind zionistisch veranlagt und gehen zur Armee (die Frauen verrichten einen Sozialdienst genannt "Scherut Le'umit"). Im Ausland kennt man sie oftmals nur als rebellische rechtsradikale Siedler, doch steckt hinter dem gesamten Movement viel mehr. "Liebe zu Israel" und der relig. Zionismus, meist vorangetrieben vom ersten aschkenazischen israel. Oberrabbiner, Rabbi Kook (Kuk). Nicht, dass Rabbi Kook der große Zionist war, doch stellte er sich auch nicht gegen die Bewegung.

Auch bei den Nationalreligiösen gibt es unterschiedliche Strömungen, welche da von "total modern" bis hin zu "erzkonservativ" reichen. Manche meinen dies an der Größe der Kipa des Mannes zu erkennen. Eine besondere Richtung sind die "Chardalnikkim", die da die sogenannten Haredim unter den Nationalrelig. bilden.

Eines sei gesagt: Sicher gibt es zwischen ihnen und den Haredim Mentalitätsunterschiede. Keine Glaubensunterschiede, sondern der Alltag schaut etwas anders aus und besteht nicht "nur" aus dem Thorastudium. Normalerweise senden die Nationalrelig. ihre Kinder auf die hauseigenen "Noam - Schulen", welche später zum Besuch einer Uni berechtigen. Bei haredischen Schulen ist dies nicht der Fall, denn der Lernstoff ist weniger weltlich und ganz auf die haredische Gesellschaft ausgerichtet.

Zu sagen, dass der oder die weniger religiös ist, weil man sich ja so oder so anzieht ... Seit meiner Zeit in Tel Aviv habe ich ganz unterschiedliche Leute kennen gelernt und oft habe ich die Erfahrung gemacht, dass Haredim nicht immer Haredim sind, nur weil sie äußerlich so ausschauen. Säkulere sind nicht nur Ignoranten und Nationalrelig. bilden ebenso keine Ausnahme. Wir sind alle nur Menschen und vor allem unter Juden sollte man "leben und leben lassen", selbst dann, wenn ich hier so manche Kritik an verschiedenen orthodoxen Ausrichtungen uebe.

Trotzdem muss ich sagen, dass die nationalrelig. vom Chassidismus oder haredischen Angelegenheiten seltener eine Ahnung haben.:-)




Litvische Haredim - schwarzer Anzug, weisses Hemd, schwarzer Hut




Chassidim (hier von der Chassidut Gur): langer schwarzer oder dunkelblauer Kaftan, Streimel (Pelzmütze am Schabbat oder zu festlichen Anlässen), lange Pejes (Schläfenlocken).

Photo: Yeshiva World

2 Kommentare:

  1. Anonym2:09 AM

    "ehrlich gesagt, schaut so manch nationalrelig. Frau anständiger aus als ihr haredischer Gegenpart"

    Das sehe ich ganz genauso! Ich persönlich finde, dass bodenlange Röcke und Kopftücher weitaus "religiöser" wirken als knielange (oder vielmehr "kniekurze") Röcke und täuschend "echt" aussehende Perücken.

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  2. B"H

    Man sollte die Kleidung nicht ueberbewerten. Nicht immer steht total anstaendig relig. Kleidung auch fuer absolute Religioesitaet. Ich will damit sagen, dass auch die total relig. angezogenen Haredim oft das genaue Gegenteil sind.
    Also nie jemanden unbedingt nach seiner Kleidung beurteilen.

    Andererseits wollte gerade eine haredische Frau nicht unbedingt im kurzen Rock herumlaufen wie viele litvishe Frauen sowie weitere Frauen der Chassidut Gur in Bnei Brak. Was in Bnei Brak "erlaubt" ist, gilt in Jerusalem als Schande.:-)

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