B"H
Aggadot (Singular: Aggadah) sind Legenden aus der Midrasch oder dem Talmud. Genau genommen bilden sie einen Teil der "Thora she Baal Peh - der mündlichen Gesetzesüberlieferung", welche für Juden genauso Gesetz ist, wie die geschriebene Thora (Thora she Bichtav). Aggadot bestehen aus Folklore, Anekdoten sowie praktischen Hilfestellungen.
Unzählige Leute machen immer wieder den gleichen Fehler: Nämlich die Thora, den Talmud, Midraschim oder Aggadot absolut wörtlich zu nehmen. Der Rambam (Maimonides, 1135 - 1204) hält dazu einen treffenden Kommentar bereit, den ich einmal hier in den Blog stelle.
Der Rambam nimmt die Gemara (rabbinische Überlieferung im Talmud) als Beispiel. Hierzu insbesondere jene Gemara, die sich mit der messianischen Zeit (die Zeit vor und während des Meschiach) befasst.
Hierbei unterteilt der Rambam die Menschen in drei Gruppen:
1. Die erste Gruppe (die größte zu Lebzeiten des Rambam) versteht jedes geschriebene Wort absolut wörtlich.
2. Die zweite Gruppe erhöht sich selbst zum Kritiker und meint so, die Weisen als ignorant und primitiv abzutun. Laut dem Rambam ist die zweite Gruppe noch dümmer als die erste.
3. In die dritte Kategorie gehören all jene, welche die Größe der Weisen zu würdigen wissen. Sie sind sich bewusst, dass es Textstellen gibt, die gegen die Natur sprechen. Nicht alle Darstellungen in der Aggadah sind, gemäss der Natur, tatsächlich realistisch. Vielmehr wird jenen Menschen bewusst, dass der verfasste Text eine ganz andere Botschaft enthält, die uns etwas lehren will. Gewisse Inhalte werden folglich nur als Metapher genutzt. Diese metaphorischen Konzepte gilt es zu finden und zu analysieren.
Was will uns das Konzept bzw. der Text wirklich mitteilen ?
Und genau die letzte Kategorie zeigt uns, wie wir eine Aggadah zu lesen, zu lernen und zu verstehen haben. Der Rambam führt als Beispiel die "Wiederauferstehung der Toten" sowie die "Kommende Welt" nach dem Eintreffen des Meschiach an. Können wir derlei talmudische Aussagen tatsächlich wörtlich nehmen ?
In seiner Mischna Thora (Hilchot Melachim 12:1) schreibt der Rambam, dass viele dieser talmudischen Lehren oder Lehren aus dem Tanach (Thora, Propheten, Schriften) mit eben jenen Aussagen erst dann richtig interpretiert werden können, wenn wir das alles realistisch erfahren. Heißt, wenn wir leibhaftig dabei sind.
Hierzu lautet es aus der Mischna Thora, Schoftim, Hilchot Melachim veMilchamot 12:1:
Man solle nicht erwarten, dass sich nach dem Eintreffen des Meschiach alles (die Welterschaffung bzw. Natur eingeschlossen) verändere. Wie es, unter anderem bei dem Propheten Jesaja (Yeshayahu) heißt, dass dann der Wolf mit dem Schaf lebt. Diese Aussage bedeutet vielmehr, dass Israel (die Juden) und die Völker leben, ohne sich zu bekämpfen. Der Gaon aus Vilna- der GRA (Rabbi Eliyahu ben Shlomo Zalman Kremer,1720 - 1797, Litauen) kommentiert zu dem Vers aus der Mischna Thora und betrachtet sogar den vom Propheten Yechezkel beschriebenen Krieg zwischen Gog und Magog als Metapher, wobei die eigentliche Bedeutung eine ganz andere ist. Mehr dazu führt der GRA in seinem Kommentar zum "Sifra D'Zniuta" (Teil des kabbalistischen ZOHAR mit Erklärungen zum 1. Buch Moses (Bereschit) an. Israel muss auf dem Wege zum Meschiach allerlei Leiden (z.B. Diaspora) durchlaufen. So wie die Israeliten in Ägypten. Der "Auszug aus Ägypten - Yetziat Mizraim" wird in rabbinischer Literatur mit der Zeit des Meschiach verglichen.
Rabbeinu Bachya (Rabbi Bachya ben Asher, verstarb im Jahre 1340 in Saragossa / Spanien) lehrte, dass die Welt nach der Wiederauferstehung der Toten in jenen Zustand zurückkehrt, in welchem sich die Welt vor dem Vergehen des Adam (im Paradies) befand.
All diese Beispiele sollen nur verdeutlichen, wie wichtig es ist, eine Aggadah sowie auch weitere Thoraliteratur zu lernen. Gründlich zu lernen, wenn es geht, mit einem erfahrenen Lehrer. Nicht jeder sollte ebenso mal kurz alles durchlesen und sich seine eigenen Interpretationen zusammenstricken.
Allein für das Verfassen dieses Textes benutzt ich den Talmud, die Mischna Thora, die Propheten, Kommentare zur Mischna Thora, kabbalistische Literatur sowie ein Lexikon, in dem bekannte Rabbiner aufgelistet sind. Nicht selten sitzt man an einem einzigen Wort der Interpretation einen halben Tag und hat zwanzig oder mehr Kommentare um sich liegen.
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