B"H
Eine seltsame Überschrift, doch schauen wir, wie sich beides ineinanderfügt.
Wer sich jüdisch - religiös kleidet, von dem wird normalerweise ein diverses relig. Verhalten erwartet. Zumindest beim Auftreten in der Öffentlichkeit.
Der Mann mit Kipa, schwarzer Kipa, weissem Hemd und schwarzer Hose; die verheiratete (geschiedene oder verwitwete) Frau mit Kopfbedeckung und Rock. Wer diesen Beschreibungen allem Anschein nach nicht entspricht, der wird in vielen Teilen Israels, ganz besonders in Jerusalem, rein äußerlich automatisch in die Kategorie "sekulär" verfrachtet. Nur muss die Stereotype nicht immer stimmen, denn nicht gerade wenige offenbar säkulere Juden erweisen sich im Nachhinein als recht traditionell, wenn nicht sogar als religiös. Nur sieht man es ihnen von außen her kaum an.
Letzteres hatten wir gestern in unserer Bäckerei. "Ja" und auch wieder "Nein", denn ich bin mir in dem Fall nicht sicher, ob es um Religion, Prioritäten, Prinzipien oder alles zusammen ging.
Eine offensichtlich, jedenfalls nach außen hin, sekuläre Israelin betrat morgens den Laden und fragte vor dem Einkauf einer bestimmten Ware von wann denn das Mehl sei mit dem gebacken wurde. Ob noch von vor Pessach (Pessach war vor ca. einem Monat) oder schon von nach Pessach ?
Der Manager war gerade anwesend und sagte, dass wir erst in 2 - 3 Tagen mit dem neuen Mehl beginnen und solange noch mit dem Mehl von vor Pessach backen. Die Frau lehnte den Kauf der Ware aus diesem Grunde ab und entschied sich für ein anderes Gebäck, bei welchem schon Mehl von nach Pessach verwendet worden war.
Als sie wegen all dem fast einen kleinen Aufstand zelebrierte, dachten wir, dass sie wohl anscheinend super relig. war und man es halt nicht sah. Mit gleichem Atemzuge jedoch berichtete sie von ihren Kindern und so weiter. Ich sagte daraufhin zum Manager, dass da ja wohl etwas nicht ganz zusammenpasst. Einerseits auf wer weiss wie korrekt machen und andererseits aber ohne Kopfbedeckung herumlaufen.
Bei Kindern und dem dazugehörigen Ehemann würde sie sich da nicht die Haare bedecken, wenn sie denn selber so korrekt auf diverse Dinge achte ? Selbst geschiedene oder verwitwete Frauen tragen nach wie vor die Kopfbedeckung !
Nun liegt es nicht an der Bäckerei, die Frau zu richten, doch kam mir all das nur so in den Sinn als ich das Geschehen beobachtete.
Die Bäckerei verfügt über das Koscherzertifikat (Hechscher) der Belzer Chassidim (Badatz Belz) und diese sorgen selbstverständlich dafür, dass alles koscher abläuft. Laut der Halacha darf Mehl, welches sich in einem Haushalt oder einem Unternehmen befand und nicht über die Pessachfeiertage an einen Nichtjuden verkauft worden war (in der Fachsprache nennt man diesen Verkauf "Mechirat Chametz") nach Pessach nicht mehr verwendet werden, denn es gilt als nicht koscher !
Hingegen darf Mehl, welches symbolisch verkauft worden war, ohne Zweifel weiterhin verwendet werden und somit kann nach Pessach der Backprozeß beginnen. Nebenbei bekommt man bei Verkauf ein Zertifikat, welches im Laden aufgehängt wird. Eine Bestätigung vom jeweiligen Maschgiach (Koscherexperten), dass das Mehl verkauft worden war. Nicht wenige unserer Kunden (speziell die Haredim) wollen dieses Zertifikat sehen.
Demnach also ist es egal, ob das Mehl von vor oder nach Pessach stammt, denn es ist koscher ! Was also gab es zu beanstanden ? Vor allem dann, wenn ich auf ein Gesetz besonderen Wert lege und andererseits nachlässig im Hinblick auf die Halacha handele.
Lassen wir Kav S'chut (Benefit of a Doubt, Zweifel) gelten und sagen wir, die Frau hat Kinder, aber war niemals verheiratet. Oder sie war verheiratet und ist im späteren Lebensverlauf zum Judentum konvertiert. Wer als Nichtjude mit einem Nichtjuden oder mit einem Juden verheiratet war, sich scheiden läßt und danach irgendwann zum Judentum konvertiert, der braucht sich nicht die Haare zu bedecken, denn die vorherige Ehe gilt in der Orthodoxie als ungültig. Somit wird man automatisch als Single eingestuft. Selbst dann, wenn man aus der Ehe als Nichtjude Kinder hatte.
Aber nicht nur die Orthodoxie handelt dementsprechend; wer nach einem solchen Giur (Konversion zum Judentum) Aliyah macht und in seinem "früheren" Leben mit einem Nichtjuden verheiratet gewesen war, bekommt als Ausweiseintrag "Single" und nicht "Geschieden".
Allerdings es gibt auch noch einen ganz anderen Lösungsvorschlag:
Die Frau pickte sich eine Mitzwah aus der gesamten Halacha und diese hält sie auf Biegen und Brechen ein; selbst dann, wenn sie alle anderen Gesetze vernachlässigt.
Aber auch hierbei ist zu beanstanden, dass unser Mehl nun einmal koscher war …
Abonnieren
Kommentare zum Post (Atom)
es gibt nichts, was es nicht gibt, besonders in IL.
AntwortenLöschenUnd doch denke ich:Leben und leben lassen. Warum nicht? Ich bin auch oft nicht konsequent und dennoch kennt man ja nicht die inneren Beweggruende fuer das eine oder andere Verhalten.
Noa
B"H
AntwortenLöschenStimmt, aber dann sollte man es vielleicht weniger aufsehenrerregend tun.:-)
das hast du recht.
AntwortenLöschenN.