Montag, Mai 04, 2009

Auch in der Außenwelt muss ich mir meiner Aufgabe bewusst sein

B"H

Eine Freundin aus einer bestimmten chassidischen Gruppe liess mich wissen, dass die Rebbitzen der extremen chassidischen Gruppe Toldot Aharon am Sonntag (gestern) einen Schiur (Vortrag) geben würde. Ich wollte schon immer einmal an einem ihrer Schiurim teilnehmen und mir anhören, was sie so zu sagen hat.

Bisher sprach ich mit der Toldot Aharon Rebbitzen nur ein einziges Mal und das war im letzten November. Wir trafen bei einem der chassidischen Tische ihres Gatten, dem Rebben David Kahn, aufeinander und sprachen ca. 20 Minuten miteinander. Damals allerdings dachte ich, sie sei, wie ich ein Gast beim Tisch und ich hatte keine Ahnung mit der Rebbitzen der Gruppe zu sprechen.

Ich nahm eine Freundin mit und der Schiur der Rebbitzen sollte um 21.00 Uhr in ihrem Haus beginnen. Meine Freundin und ich waren pünktlich und vor dem Eingang in einen der Hinterhöfe Mea Shearims fragte ich ein Toldot Aharon Mädchen nach dem Haus des Rebben. Man führte uns direkt vor die Haustür. Kurz darauf trafen wir auf eine junge chassidische Frau, die ich von einem Telefongespräch her kannte. Sobald wir alle zusammen in die Wohnung der Rebbitzen traten, teilte diese meiner Freundin und mir mit, dass der Schiur ausschließlich für junge Frauen sei. Ich kann mir nicht vorstellen, dass wir so entsetzlich alt aussahen, doch war uns klar, dass dies bedeutete, dass wir zu gehen hatten.

Enttäuscht gingen wir durch den Hinterhof und rätselten über die Gründe. Nicht unserem Alter gaben wir die Schuld, sondern vielmehr waren wir davon überzeugt, dass die Rebbitzen Leute aus ihrer chassidischen Nachbarschaft vorziehe. Sie wolle halt keine Fremden dabei haben. Noch dazu sind wir beide Singles und bedecken demnach nicht unser Haar. Warum sollten wir ?

Als wir um die Ecke in die Mea Shearim Street einbogen, begegnete ich meiner chassidischen Freundin, die mir von dem Schiur berichtet hatte. Wir berichteten ihr, was geschehen war und sie konnte es nicht fassen. "Ich bin doch auch schon 40 Jahre alt", meinte sie. Dann begannen wir zusammen mit einer weiteren chassidischen Frau die Gründe zu analysieren. Plötzlich kam jene junge chassidische Frau auf uns zugelaufen, mit der wir zusammen die Wohnung der Rebbitzen betreten hatten. Sie war so ziemlich außer Atem, dass muss man sagen.

"Oh, gut dass ich Euch hier noch treffe, sagte sie uns. Die Rebbitzen entschuldigt sich vielmals und Ihr seid natürlich zum Schiur herzlichst eingeladen. Naja, sie dachte halt, dass Ihr irgendwelche Besucher von der Straße seid und solche Leute will sie nicht".
Wir kehrten zurück in das Haus der Rebbitzen und diese entschuldigte sich persönlich. Daraufhin erfuhr sie von der Tatsache, dass ich zwei der anwesenden chassidischen Frauen kenne und wir nicht so von der Straße hereingeplatzt waren.

In strengen chassidischen Kreisen wird man nur dann empfangen, wenn man gewisse Leute kennt und Referenzen vorweisen kann. Ansonsten kann alles etwas chaotisch ausgehen.

Wir waren ungefähr zehn Frauen, die Mehrzahl davon verheiratet. Die Rebbitzen plante einen Schiur zu den Themen "Kindererziehung - Chinuch" und dem "Anstand der Frau - Zniut". Wir alle nahmen am langen Tisch im Wohnzimmer Platz und die Rebbitzen brachte noch eine Sitzbank herein.

Ich kann nicht sagen, dass ich sie besonders gut kenne, aber was ich an der Rebbitzen besonders mag ist ihre Einfachheit. Trotz ihrer Position will sie in keinem Mittelpunkt stehen und macht sich nicht wichtig. Wer ihr begegnet, der trifft auf eine sympathische zurückhaltende Frau. Beim Tisch ihre Mannes sitzt sie zusammen mit allen anderen Frauen auf den Metallbänken und hat keinen besonderen thronartigen Stuhl wie die Rebbitzens vieler weiterer chassidischer Gruppen. Meist steht sie die gesamten 3,5 Stunden hindurch, die der Tisch des Rebben dauert. So bescheiden wie sie ist, ist auch ihre Wohnung. Einfach eingerichtet, doch blitzblank geputzt.

Sie begann den Schiur mit einer Erklärung wie wichtig die richtige Kindererziehung ist. Stets sollten die Eltern den Kindern als Beispiel dienen; besonders die Mutter sollte ihre Kinder nicht anschreien. Man solle geduldig sein, selbst dann, wenn die Kinder einiges auf den Kopf stellen. Mit der Zeit lernen sie, dies zu vermeiden und genau das sollte man ihnen im Laufe der Zeit beibringen. "Wenn Du ungeduldig bist, wie sollen dann Deine Kinder Geduld üben lernen ?"

Die Kinder zu nichts zwingen und es soll erklärt werden, warum dieses und jenes zu tun sei. Nichtsdestotrotz aber ist es wichtig, den Kindern ihre Grenzen aufzuzeigen und man soll nicht alles durchgehen lassen.

Die Augen der Rebbitzen begannen zu glänzen und man sah deutlich, dass sie das, was sie da vermittelte, nicht nur so vor sich hinsagte, sondern es tatsächlich selber lebt. Als sie dann auch noch zum Theman "Challotbacken (Schabbatbrote)" kam, erstrahlte ihr Gesicht vollkommen. Jemand fragte sie, wann sie den ihre Challot vor dem Schabbat backe und sie meinte, dass dies jeden donnerstag geschehe. Dann sei sie mit einigen ihrer Enkelkinder in der Küche versammelt, jeder bekommt ein Stück Kuchenteig und alle formen ihre eigene kleine Challah (Schabbatbrot). "Da kommt ein unbeschreibliches Schabbatgefühl auf. Jeder macht Challot und auf diese Weise lernen die Kinder wie alles funktioniert".

Den gesamten Schiur über war die Rebbitzen offen für Fragen aller Art. Viele Frauen taten dies indem sie Fallbeispiele gaben und die Rebbitzen ihnen erklärte, wie sie diese oder jene Situation besser meistern.

Dann meinte jemand, dass wir das Thema der Zniut (Anstand) ansprechen sollten und die Rebbitzen gab eine kleine Liste bezüglich des Anstands der Frau:
"Ihr müsst Euch stets vor Augen halten, dass anständig sein der Malchut (königlich) gleichkommt. Lange Ärmel, lange Röcke und kein lautes Gerede oder Gerufe auf der Straße. Daheim ist es anders als wenn man sich in der Öffentlichkeit (Reschut HaRabim) bewegt. Im Reschut HaRabim sind Frauen und Männer zusammen und da muss die Frau Anstand zeigen. Kein lautes Geschrei und man soll die weibliche Stimme gedämpft halten".
In nicht wenigen haredischen Kreisen ist dies eine weitere Anstandsregel.

"Frauen sollen ihren Kragen geschlossen halten und wer irgendwie unanständig angezogen ist, der ist eine Busha (Schande) und schaut billig aus. Eine anständige Frau sollte ihre Aufgaben kennen und nicht die Aufmerksamkeit der Männer erregen. Dazu gehört ebenso keine auffällig leuchtenden Farben zu tragen".

Ich muss zugeben, dass ich im Wesentlichen mit der Rebbitzen übereinstimmte. Zwar trage ich viel Hose, doch niemals zu eng. Außerdem reichen meine Ärmel mindestens bis zum Ellbogen und meine Kragen sind auch geschlossen. Sandalen trage ich ebenfalls nicht, sondern Crocs.
Was ich nicht verstehen kann, sind Frauen, die da halbnackt herumlaufen, nur um irgendwie ein kleines klägliches Quentchen Aufmerksamkeit zu erhaschen. Komme sich diese Frauen nicht billig vor ? Halten sie so wenig von sich ?

Die Atmosphäre beim Schiur war ausgesprochen positiv. Insgeheim beneidete ich die dort sitzenden haredischen Frauen, die da so angestrengt die Themen Erziehung und Anstand diskutierten.
Auch war es leicht, mit den anderen Frauen in Kontakt zu kommen und wir machten so einige neue Bekanntschaften.

Wenn ich die Chance bekomme, gehe ich definitiv zu einem weiteren Schiur bei der Rebbitzen der Toldot Aharon. Übrigens unterrichtete diese auf Englisch. Sie wurde in Deutschland geboren und kam im frühen Kindesalter nach New York. Ihr Vater war der kürzlich verstorbene Rebbe der Chassidut Sidichov.

Als wir alle hinausgingen, kam die Rebbitzen nochmals auf uns zu und entschuldigte sich für all die Verwirrungen. Meine Freundin und ich jedoch waren etwas abgehoben bei all den Reden, schwebten etwas in anderen Spähren und hatten das anfängliche Chaos schon längst vergessen.

Das beeindruckenste Statement der Rebbitzen war, dass man keinen anderen orthodoxen Juden verurteilen solle. Jeder habe seine eigene individuelle Art und Weise die Religion zu leben und niemand braucht zu denken, dass sein Weg unbedingt der einzig richtige sei.

4 Kommentare:

  1. Anonym9:02 PM

    Danke, sehr interessant und beeindruckend - ich wäre gern mit dabei gewesen :-).

    Eine Frage zum Thema "Anstand" habe ich noch: Gilt es unter den Chareidim als unanständig, wenn eine Frau in der Öffentlichkeit mit dem Handy telefoniert? (Die Männer tun dies ja häufig :-).)

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  2. B"H

    Vor ein paar Monaten erliess ein Bnei Braker Rabbiner nicht gerade ein neues Gesetz, doch gab er den Rat, dass eine Frau, die in einem Bus sitzt, in dem mehrheitliche Haredim reisen, nicht laut ins Handy bruellen soll.
    Wenn es geht, soll sie das Gespraech nach der Busfahrt fuehren.

    Aber wie gesagt, dies nennt man bisher RAT und es ist kein Erlass !!!

    Als unanstandig gilt es dann, wenn die Stimme der Frau zu laut wird.
    Frauenstimmen sind in der haredischen Gesellschaft etwas verpoent. Nicht, dass man nichts sagen darf, doch sollte man auf offener Strasse nicht seine Stimme erheben und schon gar nicht irgendwo lauthals mitsingen.

    Das Mitsingen ist absolut verboten und wer bei Haredim eingeladen ist, der sollte beim Gesang schweigen. Es sei denn, es sind nur der eigene Ehemann und die Kinder anwesend.

    Maennern hingegen ist alles erlaubt.:-)
    Der Grund, dass der Frau diese Dinge verboten sind ist

    1. erregt sie zu sehr Aufsehen, was sich fuer eine anstaendige Frau nicht ziemt.

    2. koennte es den Mann zu diversen Gedanken verfuehren. Hierbei besonders der Gesang einer Frau.

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  3. Ha! Bei meiner stimme kaeme kein Mann auf ....unkoshere gedanken...*g*
    ne, aber das mit dem verurteilen ist wichtig, dass sie das sagt, denn ich sehe es genauso. erstmal gibt es fuer das verurteilen jemand Hoeheren, und sagt man nicht: Urteilt nicht, damit ihr nicht von G-tt verurteilt werdet?
    Ich versuche es.... das heisst nicht dass es immer klappt... aber "ein guter jude ist der, der immer wieder versucht, ein beserer jude zu sein", so koennen wir es zumindest versuchen.. Seufz...
    Noa

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  4. B"H

    Diese Toleranz wird sich sicher erst nach dem Eintreffen des Meschiach erfuellen. Zu sehr lieben alle, mich selbst miteingeschlossen, das Herumhacken auf anderen orthox. Richtungen.

    Wenn wir uns hingegen anschauen, aus welcher Familie Koenig David kam (von inzestioesen Vorfahren, Lot und eine seiner Toechter) und er selber spaeter zum Koenig aufstieg. Ganz zu schweigen von seinen Nachfahren, welche den Maschiach stellen.

    Wieso kommt Meschiach nicht aus einer jued. perfekten einwandfreien Familie, sondern aus derartigen Background ?
    Niemand ist perfekt auf dieser Welt und kann sich irgendwie immer nur verbessern ...

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