B"H
Der Titel "Rebbe" ist eine Bezeichnung aus der Chassidut und kein anderer Rabbiner ausserhalb des Chassidismus nennt sich Rebbe. Bei den litvishen genauso wie bei den nationalreligioesen Juden heisst der Rabbiner "Rav". Fuer chassidische Gruppen ist der Rebbe nicht nur irgendjemand, sondern das spirituelle Oberhaupt der jeweiligen Gruppe.
Geformt haben sich die chassidischen Dynastien erst eine ganze Zeit nach dem Tode des Baal Shem Tov (1760). Nach seinem Tod wurde der Maggid von Mezritch (Rabbi Dov Baer) der Nachfolger. Der wiederum hatte eine Vielzahl von Schuelern, die sich nach dem Studium bei ihm in unterschiedlichen Orten als chassidische Rabbiner niederliessen. Auch zu diesem Zeitpunkt gab es noch keine Dynastien.
Als der Maggid im Jahre 1772 verstarb, wurden seine Schueler, Rabbi Elimelech von Lizhensk (Lijansk) und Rabbi Shmuel (Shmelke) von Nikolsburg die neuen geistigen chassidischen Oberhaeupter.
So ging das weiter ueber den beruehmten Chozeh (Seher) von Lublin, Rabbi Yaakov Yitzchak Horowitz, bis hin zu Rabbi Simcha Bunim von Peshis'cha und Rabbi Menachem Mendel von Kotzk.
Richtig gegruendet haben sich die chassidischen Gruppen erst im 19. Jahrhundert und manche erst viel spaeter, im 20. Jahrhundert (wie Dushinsky und Toldot Aharon).
Urspruenglich war der Rebbe der chassidische Rabbiner eines Ortes. Da viele von ihnen eine charismatische Persoenlichkeit und gleichzeitig talmudische, kabbalistische und halachische Thoragroessen waren, wurden sie fuer ihre Anhaenger mehr as nur ein normaler Rabbiner. Nicht nur, dass sie die Rebben eines Ortes waren; unzaehlige Menschen kamen von ausserhalb zu ihnen und baten um Segen fuer Gesundheit, ein gutes Einkommen oder einen erfolgreichen Shidduch (Partnerwahl fuer die Kinder). Aufgrund vieler erfolgreicher Segen, begannen sich Legenden um sie herum zu bilden. Vor allem dann, wenn ein Rebbe erfolgreich fuer die Genesung einer Person gebetet hatte.
Insgeheim wird der Rebbe von seinen Chassidim als Zaddik (Gerechter) betrachtet. Sie nennen ihn niemals persoenlich bei diesem Namen, sondern nur Rebbe oder Admor, dennoch ist er der Zaddik fuer die Gruppe.
Das Zaddik – Konzept ist eines der aeltesten in der Chassidut. Ein Zaddik ist G – tt sehr nahe und hat dadurch die Kraft, Dinge zu veraendern. Mit seinen Gebeten kann er himmlische Entscheidungen veraendern. Schon der Baal Shem Tov legte Wert auf das Zaddik – Konzept, doch richtig beruehmt wurde es erst unter Rabbi Elimelech of Lizhensk.
Mit dem Tode eines beruehmten und angesehenen Rebben eines Ortes uebernahm ueblicherweise der aelteste Sohn die Nachfolge. Ueblicherweise, aber nicht immer. Damals gab es noch keine wesentlichen Streitereien innerhalb der Familien um die Nachfolge. War der Sohn eine Thoragroesse, wurde er von den Anhaengern anerkannt. So kam es allmaehlich zu den Dynastien.
Zu Beginn lebten die Rebbes oftmals unterhalb der Armutsgrenze, was sich im Fortlauf der Geschichte aenderte. Heutzutage verfuegen viele chassidische Gruppen ueber ihre eigenen Wirtschaftsimperien, um sich so zu finanzieren. Beste Beispiele hierfuer sind Gur, Satmar oder Belz.
Im Laufe der Jahrzehnte veraenderte sich das Bild des Rebben oder Admor, wie er haeufig genannt wird. Das Wort Admor ist eine Abkuerzung fuer die drei Worte: Adoneinu, Moreinu, Rabbeinu – unser Oberhaupt, unser Lehrer, unser Rebbe.
Heutzutage sind die chassidischen Rebben nach wie vor unbestrittene Oberhaeupter ihrer jeweiligen Gruppe und zugleich der Zaddik. Der Erlass eines Rebben ist Gesetz und unter allen Umstaenden auszufuehren. Es wird nicht diskutiert, ob er sich vielleicht irren koennte. Gesetz ist Gesetz.
Wenn ein Rebbe auf Reisen geht um seine Anhaenger in mehreren Laendern zu besuchen, dann tut er dies 1. Klasse und ein Cadillac etc. kommt ihn vom Flughafen abholen. Seine Chassidim feiern ihn begeistert. Sie kommen zu Hauf und wollen Segen oder Ratschlaege von ihm. Bei vielen chassidischen Gruppen ist es ueblich, dass man erst den Rebben fragt, wenn man ein Business eroeffnen will oder eine Heirat ansteht.
Der Rebbe spielt im Leben der Chassidim einen zentralen Mittelpunkt. Ganz anders als bei den litvishen Haredim, die wenn sie ihre Yeshiva (relig. Schule) verlassen, auf sich allein gestellt sind.
Chassidim dagegen wohnen ihn ihren eigenen Stadtteilen, um dort ihre eigenen Gemeinden aufzubauen. Alles dreht sich um die eigene Chassidut; Schulen, Laeden, Restaurants, Synagogen. Die Chassidut ist eine Gesellschaft innerhalb der Gesellschaft mit dem Rebben als Oberhaupt. Wehe dem, der einen Rebben aus einer anderen Chassidut beleidigt. Solche Beleidigungen koennen zu handfesten Auseinandersetzungen fuehren.
Auch heute bleibt die Nachfolge in der Familie. Allerdings streiten sich haeufig die Soehne und jeder will der neue Rebbe sein. So kam und kommt es immer wieder zu Spaltungen innerhald der Gruppe. Beste Beispiele hierfuer sind Chassidut Bobov, Vishnitz, Satmar oder Toldot Aharon. Gur und Belz ist dies bisher erspart geblieben.
Die Chassidut Breslov hatte mit ihrem Gruender Rabbi Nachman den ersten und letzten Rebben. Ebenso ist die Chassidut Chabad heute ohne Rebben, nachdem der siebte und letzte Rebbe Menachem Mendel Schneerson im Jahre 1994 verstarb. Bei ihm handelte es sich uebrigens nicht um einen Sohn, sondern um den Schwiegersohn des vorherigen Rebben.
Ohne jeglichen Zweifel ist der Rebbe eine wichtige Person in der Gruppe, ohne die sie kaum existieren koennte. Breslov existiert zwar seit dessen Gruendung, doch gab es ohne die Erlasse eines Rebben staendig interne Veraenderungen der Chassidut - Inhalte selbst. Wer Breslov heute sieht, dem fallen zuerst die vielen unterschiedlichen Stroemungen innerhalb der Gruppe auf, die manchmal keine richtige Einheit bilden.
Beim "Konkurrenten" Chabad hingegen ist der Inhalt gleich geblieben, dennoch sind die Mitglieder in zwei Lager gespalten. Die einen halten den letzten Rebben fuer den Meschiach und andere wieder nicht. Bisher schaffte es Chabad jedoch, eine Einheit zu bleiben.
Persoenlich liebe ich die Chassidut, wende mich aber keiner speziellen Gruppe zu. Bisher habe ich mich nicht entscheiden koennen. Bei allen Gruppen habe ich etwas, was ich mag und was ich nicht mag. Mit keinem der Rebben kann ich mich zu 100% identifizieren. Das Zaddik – Konzept stoert mich etwas. Wie ich zuvor schon einmal schrieb, bin ich der Meinung, dass jeder Mensch das Zeug zum Zaddik hat. Mit meiner These bin ich nicht allein, denn schon Rabbi Nachman von Breslov war der gleichen Ansicht.
Bei einem chassidischen Tisch ist es aufregend, einen Rebben zu sehen. Dennoch fragte ich mich beim Tisch von Toldot Aharon am vergangenen Shabbat, wo denn nun genau G – tt bleibt, alles schaute auf den Rebben David Kahn. Aber der Rebbe machte fuer uns alle Kiddush (Segnung des Weines) und brachte somit G – tt in den Raum und uns alle, chassidisch gesehen, G – tt naeher.
Mittwoch, Juni 06, 2007
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Hallo Miriam,
AntwortenLöschenvielen Dank für die ausführliche und lebendige Antwort auf meine Frage.
Vieles finde ich fasznierend und einiges zieht mich magisch an. Auf der anderen Seite gibt es auch Dinge, mit denen ich mir sehr schwer tue. Ich denke da
an die absolute Autorität des Rebben die nicht in Frage gestellt werden darf. Für mich ist das ein sehr heikler Punkt. Da bin ich sehr misstrauisch und vorsichtig.
Auf jeden Fall würde ich gerne mal einem Rebben persönlich begegnen.
Nicht um zu konvertieren ..., sondern in der Hoffnung auf eine positive menschliche Begegnung mit jemanden, der weiter gegangen ist wie ich, von dem ich noch etwas wichtiges positves lernen kann.
Mal schauen, vielleicht bekomme ich dazu irgendwann die Gelegenheit.
Herzliche Grüße
Günther
B"H
AntwortenLöschenHi Guenther,
noch vor einiger Zeit viel es mir schwer, viele Ansichten verschiedener chassidischer Gruppen zu akzeptieren. Mittlerweile aber habe ich mich mit dem dem Thema so ausfuehrlich befasst, dass mir viele Dinge einfach klarer geworden sind.
Bezueglich des Rebben: Fuer mich ist das Rebbe - Prinzip nicht besonders attraktiv, doch derjenige, der einmal einen Tisch und die Begeisterung miterlebt, fuer den ergeben sich automatisch andere Ansichten. Wer in der Gruppe ist und wem es gefaellt, warum nicht.
Eine gute Woche !