B"H
In Israel stellt sich mir das Thema juedisch - christlicher Dialog nicht. Ich lebe orthodox, mein Freundeskreis ist fast nur religioes und meine Freizeit verbringe ich ueberwiegend mit der juedischen Religion. Man koennte fast sagen, dass ich mich ausschliesslich mit der juedischen Religion beschaeftige. Nichtjuden gehoeren nicht in meinem Freundeskreis. Ausser vielleicht ein paar Leuten, die gerade an einem orthodoxen Konversionskurs (Giur) teilnehmen bzw. auf ihr Beit Din (rabbinisches Gericht) warten.
Als ich noch in Deutschland lebte, war das anders. In unserer kleinen sogenannten orthodoxen Gemeinde gab es kaum Juden und daher bestand mein Freundeskreis aus Nichtjuden. Den besten juedisch - christlichen Dialog hatte ich mit ihnen, wenn wir nicht ueber das Thema Religion sprachen. In dem Moment funktionierte unsere Freundschaft wunderbar. Meine nichtjuedischen Freunde waren allerdings nicht die Art von Leuten, die einen mit einem unschuldigen Marienlaecheln angrinsen und fragen, warum wir Juden denn nicht an J. glauben. Wenn Freunde oder Arbeitskollegen mich nach der juedischen Religion fragten, dann bekamen sie von mir eine ausfuehrliche Antwort. Missionieren wollte mich keiner.
Die richtigen christlichen Missionare habe ich erst in Israel kennen gelernt und durch deren Gerede lernte ich eine Menge darueber, was die christlichen Kirchen wirklich ueber Juden denken. Mit Kirchen, die Sprueche verbreiten wie, G - tt haette die Juden verlassen und sich die Christen als Auserwaehltes Volk zugelegt, will ich nichts zu tun haben. Schon viele Male wies ich daraufhin, dass G - tt unzaehlige Male in der Thora sagt, dass die Juden das Auserwaehlte Volk sind, die Mitzwot (Gebote) fuer sie sind und die Thora fuer alle Ewigkeiten gelten wird. Des weiteren ist die Thora nicht veraenderbar; es darf nichts hinzugefuegt oder Inhalte herausgenommen bzw. veraendert werden.
Ein weiterer Punkt, der mir bei Christen aufstoesst ist, dass sie versuchen juedische Inhalte mit christlichem Denken zu verstehen. Was immer wir auch sagen, alles wird sofort in christliche Sichtweisen umgewandelt. Fuer dieses Verhalten habe ich ein tolles Beispiel von der sogenannten "Woche der Bruederlichkeit 1998" in unserer kleinen deutschen Gemeinde. Nach dem Synagogeng - ttesdienst am Shabbat lud der Rabbiner alle anwesenden Christen zum Kiddush (Segen ueber den Wein) ein. Eine nichtjuedische Frau fragte mich sogleich ganz eifrig, ob denn das etwas mit J. und seinem Abendmahl zu tun haette. Voellig genervt sagte ich ihr, sie moege doch bitte den Rabbiner fragen.
"Ja, sagte die Frau zu mir, wenn sie (die Juden) nicht kooperativ sind, wie koennen sie (die Juden) dann von uns Toleranz erwarten ?"
Mit anderen Worten etwas ueberzogen ausgedrueckt: Antworte mir gefaelligst oder ab nach Auschwitz.
Genauso wie diese Frau wissen die meisten deutschen Nichtjuden absolut gar nichts ueber das Judentum. Vielleicht hat sich der ein oder andere hier und da einmal etwas angelesen und meint dann, er muesse uns Juden jetzt sagen, wo es lang geht. Wer wirklich am Judentum interessiert ist, der geht ganz anders vor und informiert sich richtig.
Was sich in Deutschland grosser Beliebtheit erfreut ist das Einladen orthodoxer Rabbiner in christliche Gemeinden. Alle christlichen Gemeindemitglieder kommen dann sofort einen Juden anschauen. Und wenn der Herr Rabbiner zusaetzlich noch einen schwarzen Anzug und Hut traegt, ist die Begeisterung gleich noch viel groesser. Da wird dann richtig euphorisch mitgeklatscht. Ganz Happy Clappy.
Persoenlich habe ich ein ganz grosses Problem damit, wenn sich sogenannte orthodoxe Rabbiner in christlichen Gemeinden bewegen. Einer der Gruende fuer deren halachisch nicht einwandfreies Verhalten mag sein, dass sie endlich einmal ein Publikum haben wollen, was ihnen zuhoert. Andererseits suchen sie Anerkennung, um ihr Ego aufzuputschen. "Wow, sagen sich die christlichen Aktivisten, was der Herr Rabbiner so alles weiss."
Selbst wenn er nichts weiss, merkt ja eh keiner.
Wie soll ich als Jude einen Dialog mit Menschen fuehren, die mich insgeheim missionieren wollen ? Manchmal mag der Dialog sogar recht positiv sein, bis dann, ja, bis die Katze aus dem Sack gelassen wird und ich mir falsch interpretierte Zitate aus den Propheten anhoeren muss. "Sehen Sie, G - tt hat das alles ganz anders gemeint und Sie muessen das halt nur glauben".
Judentum und Christentum sind zwei grundsaetzlich verschiedene Religionen. Warum muss ich mich zum Dialog bereiterklaeren, wenn die Gegenseite behauptet, sie sei jetzt auserwaehlt und besitze den Heiligen Geist ?
Fuer die juedischen Leser: Ruach HaKodesh, der im Judentum eine voellig andere Bedeutung hat als im Christentum, die Kirchen jedoch glauben, ihn allein zu besitzen selbst wenn sie nicht wissen, um was es sich handelt.
Wer ernsthafte Fragen zum Judentum hat, der kann sie gerne stellen. Antworten wird der interessierte Nichtjude immer bekommen. Auch ohne Dialog.
Mittwoch, Juni 13, 2007
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"Einer der Gruende fuer deren halachisch nicht einwandfreies Verhalten mag sein, dass sie endlich einmal ein Publikum haben wollen, was ihnen zuhoert."
AntwortenLöschenIch fall gleich von dem Stuhl vor
lachen :-)
B"H
AntwortenLöschenLeider entspricht das vielfach der Realitaet. Leider. :-)))
Ja ich weis aber es klang so lustig
AntwortenLöschenwie Du es geschrieben hast
Jakobo
:-))))
AntwortenLöschenMeistens ist es sowieso schwer zwischen
AntwortenLöscheneinem guten Witz und der Realität zu
unterscheiden. Bei einem schlechten
Witz ist das schon wieder einfacher ;-)
jakobo
hallo miriam & jakobo,
AntwortenLöschengrundsätzlich messe ich als atheist dem dialog zwischen den religionen und konfessionen genauso eine große gesellschaftliche bedeutung bei wie dem dialog zw. religiösen und nicht-religiösen menschen. denn es geht dabei m.e. primär um die schaffung respective die aufrechterhaltung von TOLERANZ und RESPEKT. und wir wissen doch hoffentlich alle, wohin eine ungezügelte demarcation führen kann ...
lg, frank
B"H
AntwortenLöschen@Frank
Da hast du recht. Nur ist es schwer fuer einen Dialog, wenn einem die Gegenseite haeufig mit Hintergedanken kommt.
ja, miriam, ich kann deine kritik schon verstehen.
AntwortenLöschenund m.e. ist die toleranzgrenze schon überschritten, wenn beispielsweise christliche missionare in jüdischen vierteln/stadtteilen aktiv und partiell sogar aggressiv für ihre religion werben.
die missionierung ist übrigens ein punkt, der mir die jüdische religion sehr sympathisch erscheinen lässt. ;) ich hoffe, dass die grundsätzlich passive missionsarbeit dem judentum noch lange erhalten bleibt.
B"H
AntwortenLöschenSoweit mir bekannt ist, haben Christen den Auftrag so viel Juden wie moeglich zu missionieren, um so ihren Meschiach zu bringen. Einen anderen Grund koennte ich mir jetzt auch nicht vorstellen.
Komischerweise konzentrieren sie sich in Jerusalem ueberwiegend auf die Juden, denn in arab. Viertel trauen sie sich nicht hinein. Wer dort das Missionieren beginnt, kann sich schnell mit einem Messer an oder in der Kehle wieder finden, denn die Mission von Muslims ist eine Todsuende.
Im Judentum ist man eher vorsichtig. Ganz einfach aus dem Grund, weil von Juden verlangt wird, dass sie die Thoragesetze einhalten und je mehr Leute wir haben, die dies nicht tun, desto schlimmer fuer uns.
Die juedische Mission findet nur untereinander statt.:-) Religioese versuchen Nichtreligioese zu beeinflussen, religioes zu werden.
Um auf den Dialog zurueckzukommen: Es waere von Vorteil, wenn Christen besser vorbereitet in Diskussionenn mit Juden gehen. Selbst bei dt. Uniprofessoren koennen dann Peinlichkeiten vermieden werden. Gibt es in Deutschland denn keine ausfuehrliche Literatur zu dem Thema ?
Die richtigen penetranten Missionare koennen eh nicht ueberzeugt werden, sich ueber das Judentum besser zu informieren, aber andere Christen sollten das vielleicht schon tun.
Hi Miriam:
AntwortenLöschenSpielt es denn eine Rolle ob viel
oder wenig wissen vorhanden ist?
Ich meine wenn das Problem nur
die Unwissenheit wäre.. da kann
man sehr leicht etwas machen.
Ich weis aber auch nicht wozu
dieser Dialog überhaupt gut
sein soll und warum den viele
so wichtig finden.
Ich hab einige christliche Freunde
und wir führen einen Dialog über
alles mögliche nur nicht über
Religion und Politik.
Jakobo
B"H
AntwortenLöschenGrundsaeztlich bin ich gegen einen solchen Dialog, denn ich sehe absolut keinen Sinn darin.
Bestes Beispiel dafuer ist, dass wenn ich zu Toldot Aharon oder den ganzen chassidischen Gruppen gehe, ich mich als Gast auffuehre und dementsprechend benehme. Ich bin zwar nicht so wie sie, respektiere sie jedoch. Ich beginne dann keinerlei Dialog darueber, wie ich bin und sie zu sein haben.
"Genauso wie diese Frau wissen die meisten deutschen Nichtjuden absolut gar nichts ueber das Judentum."
AntwortenLöschenIch finde es sehr schwierig an authentische, positive und hilfreiche Quellen und Informationen zu kommen. Erst in den letzten Wochen und Monaten bin ich an gute und hilfreiche Quellen gelangt. Und jetzt muß ich mein Weltbild ganz schön zurechtrücken, das ist anstrengend, aber auch befreiend. Hier in D blendet die ganze Gesellschaft sehr viel aus. Jedoch auf einer sehr subtilen kaum fassbaren Ebene. Keine körperliche Gewalt, keine verbale Gewalt, man gibt sich aufgeklärt, tolerant, weltoffen, man baut tolle Gedenkstätten, ... aber kapiert hat man nichts.
Viele Leute aus dem dritten Reich behaupteten, das sie von nichts wußten. Gewiss wußten sie nicht alles, aber das was jeder wußte (durch die Medien, Gesetze, ...) war genug um zu erkennen, was für schlimme Dinge passieren.
Oft denke ich, die große Mehrzahl der Menschen hier in D hat seit 1945 nichts dazugelernt, an der Oberfläche verhält man sich anständig und zivilisiert und tut alles um gut dazustehen, aber hinter der Fassade ...
B"H
AntwortenLöschen@Guenther
Ich sehe, dass es anscheinend in Deutschland wirklich immer noch so ist, dass anspruchsvolle Literatur ueber das Judentum zur absoluten Mangelware gehoert. Viele Leute haben mich schon per e - mail danach gefragt, doch kann ich immer wieder nur auf englische Quellen verweisen.
Der englischsprachige ARTSCROLL oder Feldheim - Verlag hat Literatur in Huelle und Fuelle. Allein schon aus dem Grund, weil es im englischsprachigen Raum viel mehr Juden gibt.
Wenn ich in Deutschland etwas lesen wollte, musste ich alles ueber Amazon im Ausland bestellen.
Im Berliner Gemeindehaus in der Fasanenstrasse gibt es eine ganz gute Bibliothek, aber sonst...
Ich weiss nicht, was ich Dir da raten soll. Man muss halt gut Englisch koennen.
Leider ist das in Deutschland Realitaet.
An Günther
AntwortenLöschenwie Miriam sagt gibt´s auf Deutsch immer noch sehr wenig an authentische jüdische Bücher über das Judentum. Wenn du "tiefer" gehen willst mußt du auf englischsprachige Bücher zurückgreifen, die sind dann zB bei amazon.de bestellbar (oder bei amazon.com).
Hallo Miriam,
AntwortenLöschenkennst Du das Buch von Ruth Gay "Das Undenkbare Tun, Juden in Deutschland nach 1945"?? Ist Übersetzung aus dem Amerik., leider weiß ich den Originaltitel nicht. Hier habe ich zum ersten Mal verstanden, dass "Jude" ein sehr weiter Begriff ist. Und warum es nicht möglich ist/war, sich zuerst einer Nationalität zugehörig zu fühlen und dann einer Religion (so wie es für mich selbstverständlich ist). Das war für mich seit Jahren ein großes Rätsel....
Petra
B"H
AntwortenLöschenHallo Petra
Nein, das Buch kenne ich nicht, aber ich sollte es vielleicht einmal lesen.
Wenn Du die Geschichte verfolgst, dann siehst Du, dass es noch nie moeglich war, sich zuerst einer Nationalitaet zu beugen und erst an zweiter Stelle die Religion zu setzen.
Sicher, viele Juden wuerden gerne ihre jued. Zugehoerigkeit vergessen und, z.B., nur noch Amerikaner sein.
Dieses funktioniert immer nur fuer einen gewissen Zeitraum, denn die nichtjued. Mitmenschen erinnern einen immer wieder daran, wer wir sind. Ob wir dies wollen oder nicht.
In einem dt. Kino sah ich einmal den Film "Sonnenschein", der dieses Thema sehr deutlich machte.
In der Kabbalah (Mystik) heisst es, dass Juden etwas in ihrer Seele haben, was sie verbindet. Und seien sie auch noch so unreligioes. Gewisse Traditionen werden immer eingehalten, was meistens automatisch dazu fuehrt, dass einen viele Nichtjuden als fremd betrachten. Das wiederum fuehrt dann zur Rueckbesinnung darauf, wer wir eigentlich sind. Auf unsere urspruengliche Identitaet sozusagen.
Seit der Gruendung des Staates Israels wird das vielleicht noch intensiver. Die Ausenwelt macht uns noch klarer deutlich, wohin sie uns wuenschen, selbst wenn sich viele Juden nicht mit Israel identifizieren.