Sonntag, Juni 17, 2007

Eine lange Nacht

B"H

Eine lange Nacht war fuer uns die Nacht vom Freitag auf Samstag. Zum Shabbatessen gingen meine Freundin und ich zu Rabbi Mordechai Machlis und danach zogen wir los, um zu zwei chassidischen Tischen zu gehen.
Zuerst landeten wir bei der Gruppe Toldot Aharon, wo es diesmal in der Frauensektion eher leer zuging. Als wir vor zwei Wochen dort waren, da war es gerammelt voll, denn die Tochter des Rebben David Kahn hatte geheiratet. Freitag nun war es weniger belebt, dennoch nicht ganz leer.
Unten bei den Maennern war es ebenfalls nicht besonders ueberfuellt, was sich aber nach kurzer Zeit aendern sollte. Mehr und mehr Maenner stroemten herein.

Wir waren zwar erst zum zweiten Mal dort, doch so allmaehlich lernen wir Leute kennen. Vor allem eine Frau der Chassidut Satmar, welche genauso wie wir zu einigen Tischen geht. Irgendwie treffen wir uns jedesmal wieder.

Rebbe David Kahn hatte schon Kiddush (Segnung des Weines) gemacht und wir kamen gerade zu dem Zeitpunkt als er sich die Haende wusch, um den Segen ueber die Challot (Shabbat - Brote) zu sagen. Vorher hat er den Brauch, einen Segen ueber Gewuerze zu sagen. Er nimmt einen kleinen Bluetenstrauch, spricht den ueblichen Segen und riecht am Strauch. Dieses macht er jedesmal mit grosser Kavanah (Konzentration). Ueberhaupt halte ich ihn fuer einen sehr intelligenten ehrwuerdigen Rebben. Seine Minhagim (Braeuche) zieht er sehr gewissenhaft und konsequent durch, was ihn jedoch nicht unsympathisch macht.
Die Chassidim standen auf den gewohnten Tribuenen und schauten zu. Er sprach den Segen ueber die Challot und verteilte kleine Stueckchen an seine Chassidim. Nach ca. 40 Minuten beschlossen wir, zu einer anderen Gruppe zu gehen, die vom aelteren Bruder des Rebben, von Rabbi Shmuel Yaakov Kahn, geleitet wird. Die Wege kennen wir nun schon sehr gut und beeindruckt wanderten wir durch den Hinterhof von Toldot Aharon hinueber zur Gruppe Toldot Avraham Yitzchak. Dort war schon maechtig Stimmung und die Chassidim sangen. Rebbe Shmuel Yaakov Kahn scheint ein etwas anderer Charakter zu sein wie sein Bruder Rabbi David.
Rabbi David macht eher einen sehr ernsten Eindruck, doch Rabbi Shmuel Yaakov ist immer voll bei der Sache, wenn es um das Singen geht. Er stimmt kraeftig mit ein und dirigiert mit der Hand. Nach einiger Zeit begann ein Chor zu singen, der meiner Meinung nach nicht besonders gut war. Dennoch, der Rebbe liebte den Chor und konnte gar nicht genug davon bekommen. Spaeter forderte er die Saenger nochmals zum Singen auf.

Mittlerweile war es 2.30 Uhr am fruehen Morgen. Ich muss sagen, dass wir keine einzige Minute gelangweilt waren. Zuerst sahen wir die Tische mehr als Entertainment, doch was jetzt folgen sollte, war anders. Ploetzlich wurden auf dem Tisch des Rebben riesige silberne Tablette aufgetragen. Obst aller Art befand sich darauf. Kuchen wurden aufgefahren; Kaesekuchen, Schokoladenkuchen und wer weiss noch alles. Meiner Freundin und mir lief gewaltig das Wasser im Munde zusammen. Allerdings bestimmt nicht nur uns.
Vor uns in der Frauensektion sass die Rebbitzen. Zumindest nehmen wir an, dass es sich um die Frau des Rebben handelte. Sie sass in einem extra Stuhl und ihr wurde ein Tablett Fruechte hereingetragen. Pralle Weintrauben, Wassermelonenscheiben, Aepfel, Kirschen und Aprikosen. Kleine Kritik hier: Es waere vielleicht keine schlechte Idee gewesen, auch den anderen anwesenden weiblichen Gruppenmitgliedern ein Tablett zu servieren.

Unterdessen wurde unten das Obst an die Chassidim verteilt. Ganze Obstkisten machten die Runde durch die Raenge. Ploetzlich ging das Licht aus und nur eine kleine Lampe brannte noch. Meine Freundin und ich dachten, dass jemand unabsichtlich an einen Schalter oder einen der Kronleuchter gekommen war. Allerdings war diese Finsternis sehr gemuetlich. Schnell assen alle ihr Obst und die Kuchen ueberlebten auch nicht allzu lange. Dann stand der Rebbe auf und begann zu singen. Er sang eine Strophe vor und die Chassidim stimmten mit ein. In dem Augenblick, wo alle miteinstimmten, begann der Tanz. Alle huepften auf der Stelle einschliesslich des Rebben. Es klang als ob eine Armee mit Gesaengen an uns vorbeizog. Ich muss zugeben, dass es fuer uns ueberwaeltigend war. Der Rebbe sang die naechste Strophe und kurz darauf begann alles aufs Neue.

Leider fanden die Taenze nur zu einem Lied statt und etwas spaeter beschlossen wir heimzugehen. Es war 3.30 Uhr frueh. Meine Freundin war verwirrt als ich ihr die Zeit sagte, denn sie dachte es waere eine Stunde frueher. Doch Toldot Aharon genauso wie Avraham Yitzchak haben ihre Uhren nicht auf die Sommerzeit umgestellt und somit zeigten deren grosse Uhren im Synagogenraum eine andere Zeit an.

Diesen Shabbat werden wir zur Synagoge der Gruppe Shomrei Emunim (Hueter des Glaubens) gehen. Da andere chassidische Gruppen hoerten, dass ich ueber das Thema schreibe, bekamen wir viele Einladungen zu Synagogen und Tischen. Man will uns sogar extra Material ueber die jeweilige Chassidut zur Verfuegung stellen und Leute bereitstellen, die saemtliche Fragen beantworten. Vor allem bei Belz und Gur.
Manchmal aber ist es meiner Meinung nach besser, unverhofft vorbeizukommen und die spontanen Reaktionen zu sehen. Das alles wirkt dann natuerlicher.

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