Mittwoch, November 26, 2008

"Bis in alle Ewigkeit" – Psychologische Aspekte zum Chabad Messianismus


Der letzte und siebte Lubawitscher Rebbe Menachem Mendel Schneerson


B"H

Etwa 50 Zuhörer versammelten sich gestern im Feldman Building der Hebrew University of Jerusalem (Institute for Advanced Studies), um einem Vortrag von Professor Yoram Bilu (Antrophologie und Psychologie) beizuwohnen. Der Vortrag sollte die psychologischen Aspekte des Chabad Messianismus darlegen.

Wie Prof. Bilu mache auch ich darauf ausmerksam, dass nicht jedes Mitglied der chassidischen Gruppe Chabad daran glaubt, dass der siebte und letzte Rebbe der Lubawitscher, Rabbi Menachem Mendel Schneerson, der Meschiach ist.
Jene, die ja daran glauben, dass der Rebbe der Meschiach ist, werden in der Fachsprache "Meschichisten" genannt.

Chabad ist in unterschiedliche Fraktionen gespalten, wobei die Meschichisten eindeutig als äußerst aggressiv hervorgehen. Man schaue sich nur die Vorfälle um das ehemalige Wohnhaus des Rebben in 770 Eastern Parkway, Crown Heights / Brooklyn - New York an. Offiziell ist 770 (das Haus) ein Platz der Nicht – Meschichisten, dennoch gilt gerade 770 als absolut meschichistisch behaftet, denn laut der Meschichisten bewegt sich der Geist des Rebbe, oder besser gesagt der Rebbe selber, in diesem Haus. Laut meschichistischer Ideologie verstarb Rebbe Menachem Mendel nicht im Juni 1994, sondern er wurde unsichtbar. Wir sind nicht imstande ihn zu sehen, doch in der spirituellen höheren Welt existiert der Rebbe nach wie vor weiter und wird sich zu gegebener Zeit wieder zeigen. Auch uns. Und das als Meschiach. Obwohl unsichtbar, regelt der Rebbe das Leben eines Meschichisten, Chabadnik, unseres, wie immer man es auslegen will. Der Rebbe ist überall gegenwärtig, auch wenn wir ihn nicht sehen, denn er lebt ja noch – so die Philosophie der Chabad – Meschichisten.


770 Eastern Parkway / Brooklyn: Das ehemalige Haus des Lubawitscher Rebben.

Laut Meschichisten - Theorie wird 770 einmal auf den Jerusalemer Tempelberg fliegen und so den Dritten Tempel samt Meschiach - den Lubawitscher Rebben - stellen.


In seiner Einführung machte Prof. Bilu klar, dass er keineswegs ein Spezialist des Judentums sei und sein Augenmerk vielmehr auf die Meschichisten richtete.
Was bewegt sie zu ihrem Verhalten ?
Allein die Psychologie jener Ideologie sollte untersucht werden. Und übrigens befanden sich im Publikum einige Chabadnikim, darunter mindestens ein Meschichist, welcher leicht an seiner Kipa mit dem für Meschichsten üblichen Spruch "Yichi Adonenu …" ausgestattet war.

Zu Beginn versuchte Bilu darzustellen, was Menschen bewegt, in diverse relig. Richtungen und manchmal sogar in die extreme Richtung abzutauchen. Die Analyse lautete, dass es sich oftmals um Menschen mit Problemen handelt und diese einen Ausweg / Lösung in der Spiritualität suchen. Neue Lebensinhalte, einen neuen Sinn, welche den Menschen eine Richtung weisen und vielleicht Mut oder Hoffnung geben.

Wie gesagt ist der Rebbe für die Meschichisten am Leben und wird demnächst als Meschiach wieder sichtbar werden. In den USA gibt es eine ganz kleine Abspaltung, welche den Rebben sogar als G – tt betrachtet. Aber dieses ist selbst den Meschichisten zu abgefahren.

Anfang der 50iger Jahre wurde Rabbi Menachem Mendel Schneerson der siebte und letzte Rebbe der chassidischen Gruppe Chabad (Lubawitsch). Er wurde der Nachfolger seines Schwiegervaters, Rabbi Yosef Yitzchak Schneersohn (das H im Schneersohn ist KEIN Druckfehler). Rabbi Yosef Yitzchak war es, der erste messianische Ideologien in Chabad einfliessen liess. Zuvor waren die Lubawitscher eine ganz normale chassidische Gruppe wie alle anderen Gruppen auch. Doch dann kam der Messianismus hinzu. Nach dem Tode seines Schwiegervaters proklamierte Rebbe Menachem Mendel ihn zum "potentiellen Meschiach". Rabbi Yosef Yitzchak habe jedenfalls das Zeug dazu.

Bis zu seinem Tode im Juni 1994, fuhr der Rebbe weiter auf der Meschiach – Welle. Er war es auch, der seine Chassidim immer wieder zum Gesang des messianischen Liedes "Yichi Adonenu Morenu veRabbenu Melech HaMeschiach LeOlam vaEd" aufforderte. Selbst noch nach seinem Schlaganfall im Jahre 1992.

Prof. Yoram Bilu bezog die Infos zu seinem Vortrag von den Meschichisten im israel. Kfar Chabad; wobei Kfar Chabad bei Rishon LeZion gelegen nicht nur meschichistisch ist, sondern dort viele Chabadidelogien zusammenleben. Außerdem sprach er mit den Meschichisten in Bat Yam bei Tel Aviv, woher auch das Blatt "Sichot HaGe'ulah" stammt.

Und wie immer kam der Vergleich "Lubawitscher Rebbe versus Elvis Presley" auf. Beide werden als immer noch unter den Lebenden vermutet. Und, wie könnte es anders sein, Mr. J. der Christen kam ebenfalls zur Sprache, wobei Bilu zugab, dass Chabad es heutzutage wesentlich einfacher habe, die Meschiachideologie zu propagandieren, denn es gebe ja das Massenmedium INTERNET. Und genau das sei es auch, was sich Chabad zunutze mache: Photos, übergroße Photos des Rebben bei den Meschichisten, Rebbe Souvenirs wie sein Gesicht auf Armbanduhren etc.
Für die Meschichisten ist der Rebbe überall present. Selbst die Feriencamps der Kinder sind mit seinen Postern zugepflastert. Ein stets gegenwärtiger, übermächtiger alles regelnder Rebbe. Es gibt kein Entkommen und jemand aus dem Publikum meinte, dass ihn das alles an George Orwell's BIG BROTHER erinnere. Der Rebbe sieht alles, hört alles und ist immer dabei. Dieses sei ein wichtiger psychologischer Aspekt, wie die Meschichisten ihre Ideologie aufrecht erhalten. Aber genauso die Nicht – Meschichisten machen sich Photos und die virtuelle Welt zu eigen. Nach seinem Tode stieg Rabbi Menachem Mendel Schneerson zum absoluten Superstar auf. Ein Markenname, der sich gut verkaufen läßt und Menschen anzieht.

Aber nicht nur die Photos sind es, die den Rebben weiterleben lassen; auch die Briefe des Rebben sind heute in insgesamt ca. 29 Bänden zusammengefasst und werden unter dem Titel "Iggeret HaKodesch" verteilt.
Wer eine Frage hat, egal welcher Natur, der schreibe sie auf einen Zettel, stecke diesen irgendwo in das Buch "Iggeret HaKodesch" und schaue dann auf die Zeile, wo das Papier steckenblieb. Da liegt dann seine Antwort und wer sie nicht versteht, der solle einen Chabad – Spezialisten in derlei Angelegenheiten konsultieren und sich die Antwort des Rebben interpretieren lassen. Das "Iggeret HaKodesch" wurde zur Antwortmaschine des "entschwundenen" Rebben umfunktioniert. Vor seinem Tode mussten die Leute lange auf ihre in Briefen verschickten Fragen warten; heute hingegen kann jeder direkt mit dem Rebben kommunizieren, wenn er denn nur eine Zettel in das "Iggeret HaKodesch" schiebt.

Nicht – Meschichisten lehnen die Beratung mit dem "Iggeret HaKodesch" ab, jedoch nicht grundsätzlich und Prof. Bilu meinte, dass diese ebenso die Zettel – Methode nutzen, nur nicht so fanatisch. Bei einem Interview mit einem Meschichisten zog letzterer ein "Iggeret HaKodesch" aus der Tasche und konsultierte den Rebben, ob er nun mit diesem Uniprofessor reden dürfe, so Bilu über seine Erlebnisse.

Nun gibt es unzählige Chabadnikim (insbesondere Meschichisten), welche den Rebben im Traum sehen und er mit ihnen redet. Bilu meinte, dass nur wenige von den Leuten, die derlei Behauptung aufstellen, psychische Probleme haben. Die absolute Mehrheit sei normal und es sei ihm schwer gefallen, eine Erklärung für das Phänomen zu finden. Eine Erklärung wäre vielleicht wieder die virtuelle Welt; der Rebbe ist optisch auf Postern etc. so stark present, dass Menschen von ihm träumen. Im Christentum handele es sich bei jenen mit Visionen meist um Frauen oder Kinder; bei Chabad der Mehrheit nach um Männer.

Als Rebbe Menachem Mendel verstarb, so kam dies vielen Chabadnikim einer Katastrophe gleich. Das konnte und durfte doch nicht sein. War es deswegen, dass einige sich zu der Ideologie des "Nicht Gestorbenseins" bekannten. Wollte man den Rebben nicht sterben lassen und ganz allein zurückbleiben ? Was sollte aus der Gruppe werden ?

Chabad ist nicht die einzige chassidische Gruppe ohne Rebben. Die Breslover hatten nur einen einzigen Rebben, nämlich Rabbi Nachman, welcher im Jahre 1810 verstarb. Seither ist Breslov führungslos, überlebte aber dennoch. Aber der "Fall Chabad" lag anders, denn glaubte man nicht schon zu seinen Lebzeiten, dass der Rebbe das Potential zum Meschiach besitze. Und dann stirbt er und außer Spesen nichts gewesen.

Der Konflikt der beiden Fraktionen "Meschichisten" und "Nicht – Meschichisten" nimmt oftmals brutale Züge an. Die Meschichisten halten im 770 Eastern Parkway den Alltag des Rebben aufrecht. Dreimal täglich kam er zum Gebet herab und bis heute werden exakt zu den Gebetszeiten die Türen für den Rebben geöffnet. Ebenso wird er zur Thora aufgerufen und von Zeit zu Zeit stellt man einen Tisch auf, legt Dollarscheine darauf und verteilt sie an die Anwesenden. Ganz, wie es der Rebbe einst zu tun pflegte, wobei behauptet wird, dass nicht ein anderer, sondern der Rebbe selbst am Tisch steht und die Scheine verteilt. Man darf nicht vergessen, dass nach Aussage der Meschichisten der Rebbe nach wie vor in 770 lebt.

Weiterhin verbreiten die Meschichisten ein Video, in welchem der Rebbe zur Thora aufgerufen wird. Zahlreiche Chabadnikim ebnen dem unsichtbaren Rebben den Weg und das Video zeigt einen Schatten, welcher dem Rebben ähnlich ist und dieser sich auf den Aron HaKodesch (Thoraschrein) zubewegt. Klar, dass es sich um einen hineinretouschierten Rebben handelt. Aber so soll deutlich gemacht werden, dass der Rebbe immer noch lebt. Die Chabadideologie des "Yesch" und des "Ayin", der materiellen und der aktiven unsichtbaren, aber dennoch existierenden spirituellen Welt erlauben den Meschichisten die These, der Rebbe bewege sich in anderen, für uns unsichtbaren Dimensionen.

Die Publikumsfrage, warum dieser Teil der Ideologie nach wie vor neue Anhänger findet, kam auf. Prof. Bilus Erklärung lautete, dass einige in Chabad, in diese Ideologie, hineingeboren worden sind. Neurelig., die sogenannten "Baalei Teshuva", erweisen sich für den Messianismus innerhalb von Chabad als besonders empfänglich.

Warum können einige Teile innerhalb von Chabad nicht loslassen und den Rebben als tot ansehen ? Was stellt er für die Meschichisten dar ? Eine Leitfigur ? Einen Vater ? Haben sie Angst, sich ihrem eigenen Leben zuzuwenden und es zu leben ohne stets ein "Iggeret HaKodesch" zu befragen oder auf Rebbe Poster zu schauen ? Manche sagen, dass halt viele Leute, aus welchen Gründen auch immer, für derlei Ideologien empfänglicher sind als andere. Eine perfekte Antwort hatte auch Prof. Bilu auf all die Fragen nicht und er gab zu, nur einen kleinen Einblick zu gewähren.

Eine geglückte Veranstaltung, obwohl mir die meisten Aspekte schon bekannt waren. Dennoch gaben die Inhalte neuen Stoff um einmal darüber nachzudenken, ob weitere chassidische Gruppen nicht auch die Photokameras nutzen.

1 Kommentar:

  1. B"H

    Gerade hoerte ich eine Begruendung, warum Rebbe Menachem Mendel Schneerson nach dem Tode seines Schwiegervaters diesen zum potentiellen Meschiach deklarierte und spaeter keine Rede mehr davon war.

    Rebbe Schneerson sah die Seele seines Schwiegervaters in sich uebergehen und von daher ging der Meschiach - Job auf ihn ueber.

    AntwortenLöschen