Samstag, November 01, 2008
Dialog
Toldot Aharon Chassidim in Mea Shearim (im Schabbat - bzw. Feiertagsoutfit).
B"H
Am gestrigen Erev Schabbat (Freitag abend) ging ich mit einer Freundin zum chassidischen Tisch der als extrem angesehenen chassidischen Gruppe Toldot Aharon. In deren großer Synagoge in Mea Shearim erlebte ich Folgendes:
Als meine Freundin und ich gegen 23.00 Uhr ankamen, war der chassidische Tisch des Toldot Aharon Rebben David Kahn schon gerammelt voll. In der Ezrat Naschim, der Frauenempore im Obergeschoß, gab es keine sichtbaren Steh - bzw. Sitzplätze mehr auf den Metallgerüsten. Alles war voll und während meine Freundin das stille Örtchen aufsuchte, suchte ich nach einem Platz, um den Tisch anschauen zu können. Dabei landete ich im zweiten Raum der Frauenempore auf der rechten Seite neben dem Metallgerüst. Das Gerüst muß man sich als eine Tribünenreihe ähnlich in einem Fußballstadion vorstellen. Drei junge Amerikanerinnen standen an der Seite und quetschten sich ans Fenster, um ins Erdgeschoß schauen zu können. Dort saß der Rebbe und einige Hundert Chassidim standen ebenso auf Metallbänken um ihn herum. Normalerweise verläuft ein chassidischer Tisch mit dem Essen des Rebben (nicht alle Rebben essen immer) sowie dem Gesang der Chassidim.
Eine der drei Amerikanerinnen kannte ich und wir begrüßten uns kurz. Die Drei waren dabei zu gehen und überliessen mir ihre Plätze. Als meine Freundin vom Örtchen zurückkehrte, verfügten wir über zwei tolle Stehplätze auf dem Metallgerüst inmitten der Toldot Aharon Frauen. Eine grandiose Sicht über das gesamte Erdgeschoß, wo Rebbe Kahn gerade seine Hühnersuppe zu essen begann.
Ich stand noch keine halbe Minute und schon redete mich die neben mir stehende Frau an. Eine Frau in die Sechzig vielleicht.
Obwohl sie eine weisse Kopfbedeckung trug, sah sie mir nicht gerade nach einem Toldot Aharon Mitglied aus. Eher eine Besucherin von der Chassidut Dushinsky oder so in der Art. Sie sprach mich an und es ergab sich folgender Dialog:
Sie: Woher kommst Du ?
Ich: Eigentlich aus Deutschland, doch bin ich Israeli.
Sie: Wo wohnst Du ?
Ich: Meistens in Tel Aviv.
Sie: Oh, fährst Du heute abend noch zurück nach Tel Aviv ?
Ich: Nein, es ist ja Schabbat. Eigentlich bin ich noch einige weitere Tage in Jerusalem und fahre erst dann zurück.
Sie: Oh, Du bist relig. oder so ?
Ich: Ja, ich tue mein bestens oder versuche es zumindest.
Daraufhin quetschte sie mich nach meiner ganzen Vergangeheit aus und wie ich überhaupt zu den Toldot Aharon gekommen sei. Zwischendurch jedoch fragte ich genauso nach.
Ich: Und was ist mit Dir ? Bist Du hier geboren oder in Ungarn (die Toldot Aharon sind ungarischen Ursprungs) ?
Sie: Nein, ich komme aus Deutschland.
Ich: Aus Deutschland ? Wow, vor einigen Monaten sprach ich schon einmal mit einem Mitglied von hier, deren Eltern vor dem Krieg aus München kamen. Kommst Du auch aus München ?
Sie: Nein. (Sie sagte mir woher, doch verzichte ich vorerst auf die genaue Ortsangabe. Nur soviel: Der Ort liegt auch in Bayern).
Sie: Woher weißt Du von den Toldot Aharon ?
Ich: Ich habe chassidische Bekannte, die der Gruppe des Chatam Sofer folgen. Und deren Tochter heiratete einen Newcomer von den Toldot Aharon.
Und was ist mit Dir ? Bist Du hier Mitglied oder nur Besucherin ?
Letzter Frage stellte ich zweimal, woraufhin sie stets nur mit einem Nicken reagierte. Ich nahm einfach einmal an, dass sie ein Toldot Aharon Mitglied war.
Mittlerweile hatten sich einige Frauen um uns gescharrt und hörten gebannt zu.
Dennoch machte mir die Frau nie den Eindruck eines Toldot Aharon Mitgliedes.
Sie: Und was machst Du so im Leben ?
Ich: Überwiegend gebe ich relig. Unterricht oder schreibe über Chassidut.
Ich war es einfach leid, mein Tun bei den Toldot Aharon zu verschweigen und sagte die ganze Wahrheit. Websites, Artikel für New Yorker Gemeinden und so.
Ich: Gerade schreibe ich einiges über den "Kastner - Fall".
Sie: Wenn Du über Kastner schreibst, dann schreibst Du auch über den Holocaust.
Ich: Eigentlich weniger und derzeit halt nur auf Kastner bezogen.
Sie: Und was denkst Du über Kastner ?
Ich: Es gibt unterschiedliche Meinungen und ich kann diese nur zitieren, denn ich war ja nicht dabei. Unter anderem, wie der Satmarer Rebbe reagierte.
Sie: Kennst Du Leute, die damals in Ungarn mit dabei waren ?
Ich: Ich plane ein Interview mit einer ungarischen Auschwitz - Überlebenden.
Sie: Für einen Außenstehenden weißt Du sehr viel. Was hälst Du von Toldot Aharon ?
Ich: Normalerweise besuche ich verschiedene Tische. Hier in der Umgebung, aber auch Belz und bei Nadvorna in Bnei Brak war ich auch schon. Außerdem habe ich ein Photo vom Toldot Aharon Rebben und dem Nadvorna Rebben bekommen. Aus deren Hotel in Saalbach / Österreich im letzten Sommer.
Sie: Woher hast Du das Photo ?
Ich: Aus dem Internet ?
Dann herrschte ein kurzes Schweigen und eine Frau kam auf uns zu. Diese Frau kenne ich schon länger und sprach oft mit ihr. Ich drehte mich um, denn die Frau wollte mit meiner Gesprächspartnerin reden.
Die Frau zu meiner Gesprächspartnerin:
"GUT SCHABBES, REBBITZEN !"
Die ganze Zeit über hatte ich mit der Rebbitzen der Toldot Aharon geredet und wußte es nicht. Ich hatte sie sogar gefragt, ob sie Mitglied der Gruppe sei und meine Freundin meinte hinterher, dass sie sich bestimmt daheim mit ihrem Gatten, dem Rebben David Kahn, kaputtlacht.
Danach setzte ich mich mit meiner Freundin in die oberste Reihe, gleich hinter der Rebbitzen, die die gesamte Tischzeit über stand. Mehrere Frauen drängten noch zu ihr und sie bekamen Segen und Ratschläge für alle möglichen Lebenssituationen. Als wir kurz vor Tischende gingen, streckte sich die Rebbitzen vor und wünschte mir "Gut Schabbes".
Vor wenigen Wochen erzählte Rabbi Mordechai Machlis bei einem Schabbatessen wie er einmal zur Chassidut Gur ging, um deren Rebben zu sehen. Ganz enttäuscht kam er heraus, denn ein Mann hatte ihm die Sicht verstellt. Draußen angekommen wurde er von einem Gerrer Chassid gefragt, ob er den Rebben gesehen hätte und als Rabbi Machlis ihm von dem im Weg stehenden Mann berichtete, meinte der Chassid: "Du Dummkopf ! Das war doch der Rebbe !"
Genauso fühlte ich mich gestern. Mehr als zwanzig Minuten redete ich mit der Rebbitzen von Toldot Aharon und wußte noch nicht einmal, wer sie war. Allerdings muß ich zugeben, dass sie keine leichte Gesprächspartnerin ist. Jedenfalls in Bezug auf Informationen. Sie fragt und antwortet nicht viel.
Vielleicht beim nächsten Mal.
Zugeben muß ich, dass sie eine sehr nette und sich bescheiden gebende Frau ist. Keineswegs eingebildet, sondern so bescheiden, dass man nicht merkt, welchen Status sie besitzt.
Anmerkung:
Eigentlich stammt die Toldot Aharon Rebbitzen von der Chassidut Sidichov in New York. Kann sein, dass sie in Bayern (in einem DP - Camp ?) geboren wurde oder vorher schon wegen der Nazis nach New York flüchtete. Eine Tatsache, die anscheinend keine chassidische Enzyklopädie kennt und allein deswegen hatte ich nie in Betracht gezogen, mit der Rebbitzen zu sprechen.
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ich hab heute ihren verwandten in wien gerfragt wo sie her kommt. er wusste das irgendwo aus deutschland,aber nichts genaueres. er wird seine grossmutter fragen die weiss das sicher.
AntwortenLöschenlg
fritzi
B"H
AntwortenLöschenHi Fritzi,
sie sagte mir, dass sie aus "LANDSBERG" stamme !
Hi, Miriam:
AntwortenLöschenEine sehr schöne Geschichte die
dir da passiert ist.
Wie du auch schon gesagt hast ich
war auch sehr von der bescheidenheit
beeindruckt.
Jakobo
B"H
AntwortenLöschenVor Monaten hatte ich die Toldot Aharon Frauen einmal nach ihrer Rebbitzen gefragt. Ob sie einen speziellen Stuhl (Thron) habe oder so in der Art.
Zu der Zeit meinte man nur leachelnd, dass es soetwas bei den Toldot Aharon nicht gebe. Hier sei die Rebbitzen genauso angezogen wie alle anderen Frauen und sie sitze genauso in der Synagoge / beim Tisch auf den Metallbaenken wie all die anderen Frauen auch.
Nie haette ich damit gerechnte, dass ich mit der Rebbitzen sprach.:-)
Naja, ein bisschen daemlich fuehle ich mich schon, denn wir redeten ueber die Chassidut und ich wusste nicht, wer sie war.
Sie wiederum sagte kein einziges Wort ueber ihre Position.
nu ja, ich weiss ja nicht wie alt sie ist, aber wenn sie älter ist, könnte sie durchaus im DP camp landsberg geboren sein.
AntwortenLöschenauf jeden fall eine interessante begegnung. und lehrreich ;).
B"H
AntwortenLöschenIhr Gatte, der Rebbe, ist ca. Mitte 60 und damit schaetze ich sie einfach einmal auf das gleiche Alter ein.
Lehrreich war die Begegnung auf alle Faelle !