Sonntag, November 09, 2008

Schabbat in Tel Aviv


Tel Aviv im Hintergrund mit der antiken Stadt Yaffo im Vordergrund.


B"H

An diesem Morgen gab es nichts Schlimmeres für mich als mich in den Bus nach Jerusalem zu setzen. Aber immerhin muß ich heute in der Bäckerei Nachtschicht schieben und am Tag habe ich in Jerusalem einige Dinge zu regeln. Nur, um morgen früh den ersten Bus nach Tel Aviv zu nehmen. Zum Glück pendele ich nur zweimal pro Woche und das reicht dann auch schon.

Wie ganz offen ersichtlich ist, ich liebe Tel Aviv, was wiederum nicht heißt, das ich etwas gegen Jerusalem habe. Derzeit habe ich allerdings mehr als genug von der Stadt. Der Schabbat in Tel Aviv war mehr als erholsam. Klar, ist der Schabbat dort nicht der gleiche wie in Jerusalem und man sollte schon einiges an Essen etc. vorbereiten. Aber was soll's ?

Zum Mittagessen war ich bei einer Freundin eingeladen; und das inmitten des säkuleren Gebietes um die Sheinkin Street herum. Außerdem ging ich in die nahegelegene Chabad Synagoge, wo ich einige Leute kenne. Das Wetter war sommerlich warm und so ließ sich eh einiges unternehmen. Nach dem Essen gings gleich weiter an den Strand. Ich könnte stundenlang aufs Meer hinausschauen, was ich dann allerdings doch nicht tat. Dafür kämpfte ich mit einigen Trimmgeräten, um meine Kondition etwas aufzubauen. Und schließlich raffte ich mich sogar auf, hinüber nach Yaffo zu wandern. In die antike Seefahrerstadt mit ihrer bunten Bevölkerungsmischung (Juden und Palis) sowie ihren Kunstgalerien. Zum Hafen kam ich auch, doch war ich ziemlich enttäuscht, denn die sonst anwesenden palästinensischen Händler waren nicht da. Nicht, dass mich der Kaufdrang trieb, doch liebe ich das bunte Gewimmel von Leuten.

Das Gewimmel gab es dann jedoch auf der neuen Promenade von Tel Aviv hinüber nach Yaffo. Vorbei am Dolphinarium, vor dem sich am 1. Juni 2001 ein Pali - Selbstmordattentäter in die Luft sprengte und 21 mit in den Tod riß. Seit Jahren steht die ehemalige Discotheque, das Dolphinarium, nun leer. Überhaupt ist der gesamte Gebäudekomplex bereit für den Abriß. An die Katastrophe erinnern nur noch eine Gedenktafel mit den Namen der Toten sowie eine Metallstatue auf der steht trotzig: "Wir hören nicht auf zu tanzen".

Damals, am Freitag abend des 1. Juni 2001 hatten sich Hunderte, überwiegend russische Jugendliche, vor der Disco versammelt und warteten auf Einlaß. In der israelischen Bevölkerung kam hinterher Kritik auf, was denn die Russen da auch an einem Erev Schabbat zu suchen gehabt hätten. Genauso wie Kritik aufkam als ein Jahr später das Rastaurant "Mazza" in Haifa in die Luft flog. "Was müssen Juden an Pessach in einem christlichen Lokal verkehren und Brot essen ?" - so klangen damals viele Stimmen. Ob Disco am Schabbat oder nicht, viele der russischen Teilnehmer waren eh keine Juden und zweitens war es nun einmal eine Tragödie, die sich dort abspielte. Schabbat hin oder her.

Aber zurück zur antiken Stadt Yaffo, die da eine Sehenswürdigkeit und einen Besuch wert ist. Schnell landete ich in einem Park mit ägyptischen Ausgrabungen und einer Holzbrücke, die den Namen "Wunschbrücke" trägt. Man gehe hinüber und suche auf dem Geländer nach seinem Sternzeichen (einem Metallschild). Dieses halte man fest und schaue aufs Meer hinaus. Dann wünsche man sich etwas und eine alte Legende besagt, dass die Wünsche in Erfüllung gehen.

Ja, ich weiß. Juden hängen nicht von Sternzeichen ab, sondern nur von G - tt. Er ist es, der über unser Schicksal entscheidet und kein Sternenbild. Trotzdem ging ich auf die Brücke und suchte mein Sternzeichen. Und der Blick hinaus aufs Meer war eh grandios. Ob mit Wunsch oder ohne.

Wie hatte ich das alles vermisst ? In der Natur sein, draußen sein und einfach nichtstun und das Leben geniessen. Zulange war ich in Jerusalem in die relig. Welt eingebunden. Konstant und fast ohne Pause. Schabbat hier, Halachot dort und Thora wieder hier. Anstatt das sich einige Religiöse einmal auf die Freunden im Leben und G - ttes Erschaffung überhaupt konzentrieren, sitzen sie daheim, essen ihre Hühnersuppe, die traditionelle Fleischsuppe Tscholent und danach wird Havdalag gemacht und der Schabbat ist zuende. Immer die gleiche Prozedur ohne einmal über sich selbst nachzudenken und überhaupt. Alles ist verplant, denn die Halachot sollen ja bestens erfüllt werden. Machen wir es uns nicht manchmal selber schwer ?
Nein, ich meine nicht, dass ein Jude die Religion beiseite schieben soll; ganz im Gegenteil. Dennoch sollte sich jeder einmal Zeit für sich nehmen und einfach nur fühlen, dass er noch lebt. Ist das heute alles so schwer geworden ?

Selbst ich merkte das als ich mich unterwegs fragte, ob es denn überhaupt ein Eruv zwischen Tel Aviv und Yaffo gebe und ob ich die Strecke am Schabbat laufen darf. Dann sagte ich mir, dass das ja alles chaotisch sei. Wieweit soll man denn an allem hängen und oftmals machen wir uns selbst bloß das Leben schwer.

Nein, ich habe Jerusalem nicht vermißt und auch nicht all die Leute mit ihren sorgenvollen langen Gesichtern. Und am Abend tat ich das, was viele Tausend andere Tel Aviver taten: Ich ging zum Rabin Memorial Event auf dem Kikar.



Die Aussicht vom Park in Yaffo hinüber nach Tel Aviv.

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