Montag, August 24, 2009

Warum glauben Christen, die Torah gelte nicht mehr ?

B"H

Gestern also startete Rabbi Tuvia Singer seine neue Vortragsreihe um Juden über die Lügen der Kirchen aufzuklären. Ebenso aber waren einige interessierte Christen anwesend, welche einfach nur wissen Interesse zeigen, was die jüdische Thora wirklich sagt.

Tuvia Singer begann mit dem amerikanischen Politiker Pat Robertson, einem ausgemachten fundamentalistischen Evangelikalen, welcher sich vor Jahren um die US - Präsidentschaft bewarb.
Wobei an dieser Stelle "fundamentalistisch" nicht immer nur "extrem" heißt, sondern vielmehr "an alten christlichen Traditionen festhaltend".

Pat Robertson wurde in einem TV - Interview von einem jüdischen Journalisten gefragt, ob denn Juden, welche sich nicht zum Christentum bekehren lassen, alle in die Hölle marschieren ?
Pat Robertson antwortete seiner christlichen Ideologie zufolge so:

"Wenn die Juden alle ihnen gegeben 613 Mitzwot (Gesetze) einhalten und nicht sündigen, können sie anhand des mosaischen Gesetzes gerettet werden".

Nun tue ich mich jedesmal schwer mit christlichen Ideologien und Ausdrücken. Nicht nur ich, denn jemand aus dem Publikum fragte sogleich, was denn das bedeutet, "ein Jude werde gerettet" ?
"Vor dem Höllenfeuer", so meinte Tuvia Singer. Das stehe irgendwo in christlichen Schriften (Singer nannte die Quelle, aber ich schrieb sie nicht auf, denn soetwas interessiert mich nicht). Derlei konfuse Ideen wollen nicht in meinen Kopf und diese verworrenen Konzepte haben absolut gar nichts mit dem Judentum zu tun, sondern basieren auf den wirren hellenistischen Lehren des Apostel Paulus.

Tuvia Singer sagte, dass das Christentum nicht daran glaubt, dass es einen einzigen Menschen gäbe, der tatsächlich G - ttes 613 Gebote einhalten kann. Nur J. konnte dies und Christen werden durch ihn gerettet, wobei sie die Gebote nicht einhalten, sondern halt nur glauben müssen.

Diese Ideologie löst in mir nur Kopfschütteln aus und ich frage mich, an welchen Schwachsinn die Menschen in der Lage sind zu glauben. Zuerst einmal müssen Nichtjuden eh nur die Sieben Noachidischen Gesetze einhalten und kein Jude kann aus praktischen Gründen die 613 Mitzwot einhalten, denn viele von ihnen beziehen sich auf den Dienst der Cohanim (Tempelpriester). Andere wiederum nur auf Männer und somit fallen die Frauen schon einmal raus.
Der falsche Meschiach J. war kein Cohen und konnte demnach auch nicht alle Gesetze einhalten ! Er war ein Mensch und Menschen belieben zu sündigen. Nach jüdischer Theologie ist jeder Mensch jederzeit in der Lage, seine Taten zu bereuen und G - ttes Vergebung zu erfahren. Ganz ohne J., ohne Blut und all das Blabla, was die Kirche den Christen weiszumachen versucht. Jeder allein kann Vergebung empfangen, wenn er bereut und in Zukunft versucht, alles besser zu machen.
Damit stellt sich die Frage, warum G - tt uns denn all die Gesetze gab, wenn lt. Christentum kein Mensch in der Lage ist, diese einzuhalten ?
Hierauf fand die Kirche eine bemerkenswert verlogene Ausrede.
Auf soetwas muss man erst einmal kommen !

Wenn die Juden all die Gesetze sehen, dann bemerken sie von allein, dass all das nicht sein kann.

Wieso sind Juden anfällig für die Christenmission ? Wie wir sehen, konvertierten zu Paulus Zeiten viele in Rom lebende Juden zum Christentum, welche Paulus in seinen Römerbriefen anspricht.
Rabbi Tuvia Singer schob dies darauf, dass viele Juden eben mit sich selber Probleme haben, Sie sehen sich als missachtet genauso wie J. es war. J. war Jude und er wurde verstossen und sogar von seiner eigenen Familie abgelehnt. Nun kommt ein Jude daher und ihm wiederfährt Ähnliches. Was liegt da näher als J. als eine Art Vorbild zu betrachten ?

Ich hingegen schiebe vieles ganz einfach darauf, dass Hunderttausende von Juden keine jüdische Erziehung bzw. Bildung genossen haben. Somit sind sie christlichen Missionaren ausgeliefert, denn sie sind nicht in der Lage zu argumentieren. Eine traurige Tatsache, die vor allem heute in der israelischen Gesellschaft einen breiten Raum einnimmt. Die jüdische Identität und Bildung findet in der säkuleren Gesellschaft kaum mehr Anerkennung und stattdessen will man lieber assimiliert leben. So wie Europa oder die USA halt.

Tuvia Singer zitierte Römer 3:20, in welcher Paulus die Gesetze als Wissen der Sünde oder so ähnlich beschreibt. Bedeutet, wer die Gesetze einhält, der sündigt nach christlicher Theologie. Niemand könne Erlösung durch sich selbst finden, sondern benötige J. und halt den Glauben - so die Kirche. Dabei ignorierte die Kirche den Sätze in Sefer Devarim (Deuteronomy) 30:12 - 14 völlig:

Schon in 30:11 sagt G - tt, dass das Gesetz keineswegs unverständlich ist. In Devarim 29:28 lautet es, dass die Torah bis in alle Ewigkeiten Gültigkeit besitzt. Ferner heißt es hier in der Thora, dass die verborgenen Dinge für G - tt sind: Die Zukunft kennt nur G - tt und bleibt uns verborgen. Aber dass, was uns offen dargelegt ist, ist uns demnach bekannt. Was immer die Juden in ihrer Geschichte durchleben, sie sollten stets eine Verbindung zu ihrem Land aufrechterhalten und die Thora einhalten. Egal, ob sie in der Diaspora leben oder in Eretz Israel (so Rabbi Samson Raphael Hirsch in seinem Thorakommentar). Der Talmud Traktat Sanhedrin 43b lehrt zu diesem Thoravers, dass jeder einzelne Jude die Verantwortung besitzt, die Thora einzuhalten. Weiterhin sollte die Thora im Judentum realisiert werden.

Ehrlich gesagt erschienen mir Tuvia Singers Zitate der Kirche sowie der Originalinhalte der Thora manchmal verwirrend. Wahrscheinlich nicht für jemandem, der sich mit dem Christentum auskennt, doch mir erschienen die kirchlichen Verdrehungen der Inhalte geradezu schizophren. Obwohl es heißt, Paulus zitiere aus der Thora, so liess er doch wesentliche Originalinhalte weg oder fügte einfach neue Wörter hinzu, damit alles in seine Phantasien passte und sich nichts widersprach. Schließlich suchte er ja Leute, die an sein erfundenes Werk glauben, was ihm sogar gelang.

Ich gehe nicht auf den direkten Text ein, sondern nenne einfach noch ein weiteres Beispiel:

In Yirmeyahu (Jeremia) 31:30 - 32 ist von einem "neuen Bund" die Rede. Die Kirche interpretiert dies so als sei hier J. genannt oder es wird auf ihn hingewiesen. Falsch !

Richtig hingegen ist, dass der Vers auf eine Zukunft hinweist, welche bis heute noch nicht erfolgte. Nämlich ein Bund zwischen dem Hause Israel und dem Hause Yehudahs. Eine Prophezeihung, welche bis heute noch nicht eingetreten und messianisch ist. Erst wenn der RICHTIGE Meschiach erscheint, wird diese Prophezeihung Wirklichkeit !

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Viele Christen mögen sich auf den Schlips getreten fühlen, doch kann ich nur jedem anraten, sich einmal eine gute jüdische Übersetzung der Thora zu beschaffen und den Inhalt mit der christlichen "Bibel" zu vergleichen. Dann stellen sich die falschen kirchlichen Übersetzungen und Konzepte allein heraus.

Ferner bin ich nicht daran interessiert, ständig Fragen bezüglich der christlichen Theologie zu beantworten. A la, was das Judentum dazu meint und ob J. nicht doch Recht hatte.

Weder J. noch christliche Inhalte interessieren mich und wenn ich an dieser Stelle über Tuvia Singer und dessen Vorträge berichte, so geschieht dies aus dem Grunde, um Juden vor christlichen Missionsmethoden zu warnen bwz. einigen christlichen Lesern einige Denkanstösse zu geben.

Der Blog ist ein jüdischer Blog und kein Schauplatz der Ökumene ! Kommentare, die nach J. schreien werden automatisch gelöscht !

4 Kommentare:

  1. "kein Jude kann aus praktischen Gründen die 613 Mitzwot einhalten, denn viele von ihnen beziehen sich auf den Dienst der Cohanim (Tempelpriester). Andere wiederum nur auf Männer und somit fallen die Frauen schon einmal raus."

    Danke, dass du das so direkt sagst! Ich habe dieses Argument nur selten von offizieller jüdischer Seite gelesen. Desto wichtiger ist es, dass man das wiederholt, damit es auch zu den Christen und den missionierten Juden durchdringt.

    Ganz wichtig in diesem Zusammenhang ist auch den Menschen begreiflich zu machen, dass es eine kultische Unreinheit gibt. Ein Christ meinte einmal zu mir, dass J. ein "reiner Mensch" war. Ich fragte ihn ob wüsste, dass man durch Samenerguss oder das Anfassen von Kranken unrein wird.

    Es ist sehr wichtig die Bibel, wenn man denn die christliche Bibel liest, vom "Alten Testament" her zu lesen. Dann werden die Unstimmigkeiten des "Neuen Testament" sehr klar.

    Nicht umsonst empfehlen Missionare mit dem Lukas Evangelium zu beginnen und erst zum Schluss mit den Büchern Mose zu beginnen. Nur durch die Christliche Brille übersieht man die Zusammenhänge und Unstimmigkeiten.

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  2. B"H

    Hallo Roman,

    wenn Missionare den Begriff "Altes testament" verwenden, dann hoert sich das immer so an als sei etwas alt und dementsprechend muss dann etwas Neues her. Was nie stattfindet, denn die Thora wurde auf ewig gegeben.

    Das Hauptproblem ist halt, dass Christen alles durch ihre eigene Brille sehen und es dann mit dem Judentum vergleichen. Dabei vergessen sie, dass nur im Judentum das Original liegt.

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  3. "kann ich nur jedem anraten, sich einmal eine gute jüdische Übersetzung der Thora zu beschaffen und den Inhalt mit der christlichen "Bibel" zu vergleichen. Dann stellen sich die falschen kirchlichen Übersetzungen und Konzepte allein heraus."

    da ich leider kein Hebräisch kann und die Bibel trotzdem gern so orginal getreu wie möglich lesen würde, interessiert mich natürlich eine möglichst exakte Übersetzung.

    Kannst du mir bitte eine -aus deiner Sicht- gute Übersetzung der Thora und Propheten nennen?

    gruß

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  4. B"H

    Hallo Joni,

    mir ist leider nicht bekannt, ob es eine sehr gute Uebersetzung ins Deutsche gibt, aber auf Englisch pflegt der ARTSCROLL Verlag ueber die besten relig. Buecher, incl. einer guten Thorauebersetzung.

    Wenn Du ARTSCROLL googelst, lohnt es sich auf deren Website zu stoebern. Ich denke, dass Artscroll Buecher selbst ueber Amazon zu erhalten sind.

    Das Kernproblem liegt jedoch nich nur in der Uebersetzung allein. Passende Kommentare muessen her wie Rabbi Hirsch, Rashi, Ibn Ezra, Onkolos oder der Ramban (Nachmanides); um jetzt nur einige Wenige zu nennen.

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