B"H
Meine grösste Kritik an der haredischen (ultra - orthodoxen) Gesellschaft gehört dem Bildungssystem. Zahlreiche Haredim mögen glauben, dass ihr Bildungssystem perfekt sei und die Edah HaCharedit (antizionistische Dachorganisation in Mea Shearim) ist unheimlich stolz darauf, kein Geld vom Staat Israel anzunehmen. Daher hat der "zionistische" Staat keinen Einfluss auf das Schulsystem der Toldot Aharon, der Chassidut Dushinsky oder den Toldot Avraham Yitzchak. Die chassidischen Gruppen Belz oder Gur hingegen erhalten staatliche Unterstützung für ihre Einrichtungen.
Die Edah haelt an den alten Traditionen fest und waren bekannte Rabbiner wie der Rambam (Maimonides), der Ramban (Nachmanides) und viele andere nebenbei Wissenschaftler, so liegt heute das israelisch - haredische Bildungswesen fast brach. Die Edah erlaubt keinen Englischunterricht und Mathematik gibt es nur bedingt. Jungen lernen Thora, Halachot und Talmud - Mädchen lernen Thora und halt mehr den späteren Haushalt. In Jerusalem befinden sich haredische "Colleges" fuer Akademiker, doch nehme ich an, dass die mehr von litvischen Haredim genutzt werden.
Die Edah haelt an den alten Traditionen fest und waren bekannte Rabbiner wie der Rambam (Maimonides), der Ramban (Nachmanides) und viele andere nebenbei Wissenschaftler, so liegt heute das israelisch - haredische Bildungswesen fast brach. Die Edah erlaubt keinen Englischunterricht und Mathematik gibt es nur bedingt. Jungen lernen Thora, Halachot und Talmud - Mädchen lernen Thora und halt mehr den späteren Haushalt. In Jerusalem befinden sich haredische "Colleges" fuer Akademiker, doch nehme ich an, dass die mehr von litvischen Haredim genutzt werden.
Sobald ich in Mea Shearim das Wort "Universität" erwähne, fliegen fast die Fetzen. Dann geht die Diskussion los, dass eine Uni unanständig sei, denn dort lernen beide Geschlechter zusammen in einem Raum. Weiterhin lenken weltliche Studien vom Thorastudium und relig. Lebensziel ab. Schon Rabbi Nachman von Breslov verbat seinerzeit seinen Chassidim das Studium der Philosophie, denn das führe von der Religion ab.
Am vergangenen Schabbat hörte ich beim Essen in Mea Shearim folgende Story von einem Chabad Frau:
Einmal kam ein frommer junger Mann zu seinem Rabbi, um diesen um Erlaubnis zu fragen, eine Universität besuchen zu dürfen. Der Rabbiner war gerade in ein Buch vertieft und sagte: "Gerade lerne ich etwas genau zu dem Thema in diesem Buch. Ich lese Dir daraus vor:
Einmal kam ein Hahn zu seinem Bauern gerannt und gackerte schrecklich. Es stellte sich heraus, dass der Hahn einen Nagel verschluckt hatte, der nun in seiner Kehle festsass.
"Hahn, mein lieber Hahn, sagte der Bauer, warum musstest auch unbedingt auf einen fremden Hof rennen ? Auf meinem Hof liegen keine Nägel herum und Dir wäre nichts zugestossen, doch Du musstest Dein "Glück" auf einem fremden Hof suchen".
Der junge Mann verstand, dass sein Rabbi ihm soeben die Antwort auf seine Frage gegeben hatte.
Was genau kritisierst du jetzt?
AntwortenLöschenIch vermute, dass sich diese Gruppen zu stark auf die Religion spezifizieren und daneben eine "weltweit" vertretene Bildung nicht nur ablehnen, sondern als unnütz bis verboten betrachten - ?
Das kann schon sein. Aber eigentlich erwarte ich hierbei auch, dass du die Einstellung hast, dass es eben ihr Recht ist, wenn sie das in ihrer Gruppe so wollen. Oder?
Universitäten wird man sicher auch anständig führen können. In Israel wird es doch sicher einige geben, die als "anständig" durchgehen, oder nicht? Gibt es welche in "privater" Trägerschaft oder ähnliches?
In Deutschland ist meines Wissens nach alles direkt unter dem Staat. Ich erwarte nicht, dass es dabei eine "anständige" geben kann.
So wenig wie die öffentlichen Schulen "anständig" sind - und ebenso wenig die meisten(schätzungsweise) konfessionellen.
Mir wären in meiner Schulzeit sicher charedische Anstandsregeln lieber gewesen als das, was ich erlebte. Vermutungsweise.
Allerdings möchte ich so wenig wie du alles mögliche an Bildung für mich verboten sehen. Selbst wenn ich zu dem Denken, dass das ja (irgendwie, irgendwo) alles überflüssig ist und man sich Wichtigem widmen sollte, neige.
Je nach dem wird man aber auch nach der Schule in einer Universität dazu angehalten werden, sich mit schlechter Moral etc. auf unnötige Weise zu beschäftigen.
Ich wollte vor einiger Zeit einmal ins Theater gehen. Ich ging nicht. Weil das ganze Programmheft die reinste Lästerung G-ttes darstellte.
Damals beging ich einen von vielen großen Fehlern und maraschierte mit einer Schulkasse ins Theater.
Das Stück hieß "Casanova". Ob du es glaubst oder nicht, ich vernahm das zwar, aber mir war nicht im Geringsten bewusst, auf was ich mich da einließ.
Dafür lief ich aus dem Haus, als die Darsteller in knapper Wäsche auf die Bühne tänzelten.
Solche Bildung lehne ich auch ab.
Ich kann daher den Hang derer, die du beschreibst, sehr gut verstehen und sahe und sehe auch oft in dieser Art eine Lösung, von der ich mir viel versprach und verspreche.
Bildung, zumindest in Deutschland, heißt eben auch Inklusion von Unanständigkeit, Unangemessenheit, Perversion und Lästerei.
Das müsste es allerdings nicht. Auch ohne "charedisches Bildungssystem".
...bis man dann irgendwann nicht mehr weiß, was ein Nagel ist.
AntwortenLöschenIch werde es vermutlich nie verstehen: aber warum ist es wichtiger, den Anstand zu wahren, als Wissen zu erlangen?
Ganz böse gesagt: denken die Rabbis, dass ihre Autorität untergraben ist, wenn jemand ein besseres Spezialwissen hat als er?
B"H
AntwortenLöschenIch kritisiere das Bildungsystem, gestehe den Leuten aber gleichzeitig Selbstbestimmung ein. Ich weiss, wie sie leben und kenne die Zustaende. Somit kann ich zwar munter kritisieren, aendern wird sich jedoch vorerst nichts.
Jegliches nichtrelig. Bildungssytem wird grundsaetzich abgelehnt. Selbst die Nationalrelig. haben ihre eigenen Grund - bzw. High Schools, gehen jedoch teilweise nach der Armee zur Uni.
Uni will ich hier mit BEDACHT sagen, denn viele von ihnen waehlen die in Bar Ilan Uni in Ramat Gan. Sie hat einen relig. Touch mit 60 % relig. Studentenschaft. Allerdings sitzt man auch dort in einem Raum (Maennlein und Weiblein) und es studieren dort auch Palaestinenser.
Gerade geschlossene haredische Gruppen wuchsen in ihrem eigenen Gruppenbildungssystem auf und wuerden sich daher nicht fuer eine Uni entscheiden.
Auch sind die Wenigsten auf dem Bildungsstand, um einen israelischen Psychometri (Auswahlverfahren oder Numerus Clausus) zu bestehen.
Man muss immer eines beruecksichtigen:
Haredim wachsen ganz anders auf. In einer anderen Gesellschaft, wobei ich ganz besonders chassidische Gruppen anspreche. Jede Gruppe hat ihre eigene Schule und man waechst halt dort hinein. Mit 18 wird in der Regel geheiratet und da bleibt nicht mehr viel Zeit oder Interesse fuer viel Bildung. Die Kinder kommen und das junge Paar muss halt zusehen, wo der Lebensunterhalt herkommt.
Weltliche Studien werden teilweise abgelehnt, denn sie koennten die eigene Gesellschaft bzw. die Thora in Frage stellen. Wie die Philosophie, zum Beispiel. Diese wird nur von aelteren erfahrenen Haredim gelernt, denn sie sind im Glauben gefestigt und lassen sich nicht durch Aristoteles zu dem Gedanken verleiten zu glauben, dass die Welt aus aus schon vorhandener Materie erschaffen wurde. Das jued. Konzept lautet, dass G - tt die Welt aus dem NICHTS erschuf.
Trotzdem das grosse jued. Denker, wie der RAMBAM, sich aus Aristoteles bezogen.
Aus dem Theater waere ich uebrigens auch gelaufen.:-)))
B"H
AntwortenLöschen@ Christine
Ganz böse gesagt: denken die Rabbis, dass ihre Autorität untergraben ist, wenn jemand ein besseres Spezialwissen hat als er?
Das ist in einige Faellen anzunehmen. Vielleicht besonders bei Frauen, wenn die "zuviel" wissen.:-))))
Wir muessen davon ausgehen, dass die Leute in einem anderen System aufwuchsen, in welchem andere Lebensziele gesetzt sind und ebenso andere Gesellschaftserwartungen herrschen. Zum Beispiel ist die fruehe Heirat sehr wichtig. Tut man dies nicht, gilt der Betreffende als seltsam. Da stimme irgendwas nicht mit dem oder halt so.
Was ich immer wieder frage ist, zu welchem Arzt man denn gehen taete, wenn niemand studiere, aber darauf gibt es ausweichende Antworten.
Na ja, wenn man nicht an die Uni will, weil man sich vor den Lehrinhalten dort fürchtet, kann man sich ja einem praktischeren Beruf zuwenden: Facharbeiter, oder Handwerker, oder Buchhalter...
AntwortenLöschenInteressanterweise sind aber auch die Bauern und Dreher und Elektriker unter den Chareidim eher dünn gesät...
B"H
AntwortenLöschenBei Handwerkern werden immer gerne billige Palaestinenser herangezogen.:-)
Es ist doch klar, dass Anstand wichtiger ist als großes Wissen. Egal zu welch intellektueller Leistung du fähig bist, du kannst trotzdem ein Mordsbube sein. Und was will man mit so jemanden?
AntwortenLöschenZumindest kann ich mir Charedim auf einer durchschnittlich deutschen Schule nicht vorstellen. In Deutschland würde ich auch für Fromme dringend vom Besuch so einer Einrichtung abraten.
Medizin ist doch irgendwie was anderes als ein Philosophiestudium, oder?
Hast du mal Seneca gelesen? Selbst dieser Römer fordert uns auf, so entnahm ich das einigen seiner Worte, Torah zu lernen und die säkulare Welt weitestmöglich zu meiden.
B"H
AntwortenLöschenIch wuerde eher sagen Anstand & Wissen, denn als Mann kann man sich besser verkaufen wenn der Ruf besteht, ein "Talmid Chacham - Weiser Schueler" zu sein. Je hoeher das Thora - sowie Talmudwissen, je hoeher die eigenen Kommentare sowie Deutungen von Kommentatoren oder Auslegungen, desto hoeher das Ansehen.
Medizin ist etwas anderes, doch wen, wird es auf den hauseigenen Colleges gelehrt und nicht an Unis, wo eine junge, nichtgefestigte Oerson, mit anderen Ideen zusammenstossen kann, ohne diese richtig zu deuten. Bedeutet, man kann als junger Mensch leicht falsch beeinflusst werden.
Das ist richtig, Miriam, aber wie ich betonen wollte: letztendlich wird jeder dem Herzensguten, der mit einem Gelehrten nicht mithalten kann, den Vorzug geben, wenn dieser Gelehrte seine Gelehrtheit durch Herzensschlechtigkeit verspielt. Insofern hat der Anstand eine höhere Bedeutung.
AntwortenLöschenChristine wird Wissen überhaupt meinen, vermute ich. Und vieles an solchem Wissen ist, wie festgestellt wurde, für Charedim gewöhnlicherweise gar nicht erstrebenswert. Und einiges sollte auch für niemand anderen erstrebenswert sein.
=)
letztendlich wird jeder dem Herzensguten, der mit einem Gelehrten nicht mithalten kann, den Vorzug geben, wenn dieser Gelehrte seine Gelehrtheit durch Herzensschlechtigkeit verspielt. Insofern hat der Anstand eine höhere Bedeutung.
AntwortenLöschenDas habe ich jetzt nicht verstanden !
Hm, anders:
AntwortenLöschenTora-Gelehrter X, der in besonderem Maß wegen großen Wissens zu ehren wäre, verspielt sich seine Ehre damit, indem er, warum auch immer, das verderbteste Spaßleben gönnt und in die weite G'ottesferne der Welt zieht.
Er hätte einen Vorrang haben können vor toratreuem Y, der mit seinen vergleichsweise bescheidenen Wissensbeständen ein frommes Leben führen möchte.
Aber Y wird weise genannt, X wird zum Dummkopf.
So in der Art.
Großes Wissen kann für ein nach der Tora untersagtes Leben keinen Ausgleich schaffen. Zumal man noch meinen könnte, dass mit größerem Wissen die Verantwortung gleichzeitig zunimmt.
B"H
AntwortenLöschenIn der ernsthaft - relig. Thorawelt spielt nicht nur das Wissen eine Rolle, sondern genauso das Verhalten im Privatleben. Und glaube mir, es spricht sich sehr schnell herum, wer da zwar Thora lehrt, doch alles andere als fromm lebt.
Ich denke nicht, dass X zum Dummkopf degradiert wird. Allerdings passiert es in hoch angesehenen Yeshivot nicht selten, dass derjenige Sohn einen Platz bekommt, dessen Vater einmal eine Leuchte war / ist. Bedeutet, dass wenn der Vater ein hochangesehener Rabbiner ist, doch der Sohn ein Trottel, der Sohn dennoch manchem ehrlichen Sohn einer anderen Familie, die nicht ueber einen bekannten Ruf verfuegt, vorgezogen wird.