Samstag, Juni 30, 2012

Judentum im Wandel der Neuzeit

B"H

Wer der englischen Sprache mächtig ist, der findet auf dem amerikanisch – jüdischen Markt eine unbeschreibliche Auswahl guter Literatur. Von berühmten Rabbinern Verfasstem bis hin zur jüdischen Philosophie oder gesellschaftlichen Themen. Alles ist zu haben, denn, im Gegensatz zur Vergangenheit, wird im Judentum heutzutage alles auf dem freien Markt angeboten. Bis zur Zeit des 2. Weltkrieges waren gute jüdische Bücher nur beschränkt erhältlich bzw. viele Inhalte waren noch nie gedruckt worden. Insbesondere die 90iger Jahre lieferten uns ein wahres Eldorado von Angeboten. Allein schon wegen des neu aufgekommenen Internets. Plötzlich wurde fast alles zugänglich gemacht und kaum ein Thema bleibt unerwähnt. 

Bereits im Jahre 2005 erschien auf dem amerikanischen Markt das Buch "Off the Derech – How to respond to the Challenge". Verfasst von der amerikanischen Jüdin Faranak Margolese. "Off the Derech" ist die jüdische – orthodoxe Beschreibung für "vom (frommen / traditionellen orthodoxen) Wege abgekommen". 

Das Buch beschäftigt sich mit dem aktuellen Thema der jüdischen Assimilation. Warum werden einst orthodoxe Juden säkuler ? Warum heiraten immer mehr Juden Nichtjuden ? Bietet uns die Orthodoxie heute noch das, was wir für wichtig halten ? Faranak Margolese sah den Ansatzpunkt ihres Buches in der Tatsache, dass immer mehr ihrer Freunde und Bekannten zugaben, einst die jüdischen Thoragesetze eingehalten zu haben, doch dann irgendwann begannen, weniger Schabbat zu halten und vielleicht nicht ganz so auf koscheres Essen achteten. 

Amerikas Juden sehen sich seit vielen Jahren diesem gravierendem Problem ausgesetzt. Worin aber liegt die Herausforderung der Orthodoxie gerade junge Mitglieder zu halten ? 

Zu Beginn ihres Buches zeigt Frau Margolese auf, dass das Problem der Assimilation nicht erst seit heute oder gestern besteht. Hierzu liefert das Buch einige sehr interessante Statistiken und um die geht es in diesem Artikel, bevor ich etwas später auf weitere Inhalte des Buches eingehe. 

Bis zur Zeit der Aufklärung im 19. Jahrhundert gab es weder ein reform – noch progressives - noch ein konservatives Judentum. Juden waren ganz einfach Juden und die Mehrheit identifizerte sich mit der Religion. Ferner wird im Judentum das Judentum an sich als Volksgemeinschaft betrachtet. "Am HaYehudi – Das jüdische Volk". Bis heute in den modernen Staat Israel hinein gilt der Ausdruck "Das jüdische Volk" und selbst säkulere Juden sehen sich diesem Volk zugehörig und nicht nur israelisch. 

Schon vor dem 10. / 11. Jahrhundert gab es Judenverfolgungen seitens der Christen. Mit den Kreuzzügen nahm das Ausmaß der Judenverfolgung erheblich zu. Nicht nur, dass die Kreuzritter auf ihrem Weg von Europa nach Palästina eine unbeschreibliche Blutspur hinterliessen. Man schaue nur auf das Rheinland, wo Abertausende Juden von Kreuzrittern niedergemetzelt worden sind. Bei ihrem Einzug in Jerusalem löschten die Kreuzritter jegliches jüdische Leben in der Stadt aus. Als der Ramban (Rabbi Moshe ben Nachman, Nachmanides, 1194 – 1270) nach Jerusalem kam, fand er kaum mehr eine Minyan (10 jüdische Männer) zum Gebetsservice vor. Erst langsam erholte sich die jüdische Gemeinde Jerusalems und neue Synagogen entstanden. 

Das europäische Judentum wurde über Jahrhunderte hinweg von der Kirche verfolgt, gefoltert oder ermordet. Selbst die Maranos (spanische Juden, welche unter Zwang der Kirche zum Christentum konvertiert waren), wurden auch weiterhin von der Kirche mit Argwohn betrachtet. Nicht wenige der Maranos waren zwar zum Christentum übergetreten, lebten jedoch heimlich ihr Judentum weiter. 

Aufgrund der Verfolgung hielt man im Judentum zusammen und der Weg hinaus hätte eh nicht viel eingebracht. Die Kirche sowie Nachbarn hätte auch dann weiter herumgeschnüffelt und gedroht. Große Freiheiten hat die Welt des Mittelalters und auch danach nicht geboten und so blieb ein Jude ein Jude. Wie oben erwähnt, kam es erst mit dem Aufkommen des Reformjudentums zu einer massiven Umschichtung innerhalb des Judentums. Faranak Margolese in ihrem Buch: Bis zum 19. Jahrhundert waren ungefähr 250,000 Juden zum Christentum konvertiert. In den Jahren 1812 – 1845 verliessen 85% der Berliner Juden ihre Religion und liefen zum Christentum über. Als Quelle hierfür nennt Frau Margolese: Rabbi Ephraim Buchwald (Founder and Director of the National Jewish Outreach Program), Personal Interview, 22 August 2000. See also Chaim Dov Rabinowitz: The History of the Jewish People – From Nehemia to the Present.

Bis zum Jahre 1929 heirateten 30% der Judenheit Europas Nichtjuden. Bis zum Jahre 1930 besuchten 70% der jüdischen Kinder Polens keine jüdischen Schulen mehr. Rabbi Ephraim Buchwald gibt weiterhin an, dass ca. 30% der ehemals orthodoxen Studenten der berühmten Volozhin – Yeshiva im späteren Verlauf ihres Lebens zu säkuleren Bolschewiken wurden. Und bei diesen Studenten handelte es sich nicht um Juden, die ihre Religion nicht kannten und diese ihnen deswegen nicht viel bedeutete. Ganz im Gegenteil, denn im 19. Jahrhundert war die litauische Yeshiva (relig. Schule) VOLOZHIN das Harvard des Judentums. 

Zu der Zeit gab es in Europa ca. 3000 – 4000 Yeshiva Studenten. Im Vergleich zu heute: Die berühmte Yeshiva von Lakewood (bei New Jersey) hat allein 3000 Yeshiva Studenten. 

Zusammen mit der Moderne kam nach vielen Jahrhunderten die Zeit des "freien Willens" der Menschen auf. Die Bewohner Europas wurden nach all der Knechtschaft der Kirche sowie des Adels freie Bürger und diese Freiheit liess viele Juden die Orthodoxie oder die Religion als Ganzes verlassen. Man wollte sein, wie alle anderen oder halt sein Leben so leben, wie man es selbst für richtig hielt. 

Frau Margolese zitiert hier Rabbi Norman Lamm, den einstigen Präsidenten der amerikanischen Yeshiva University: "Es ist so als sitze man vor einem Bufett und habe die Qual der Wahl das auf seinen Teller zu legen, was man will". 

Die wichtigste Frage aber ist, warum diese gewonnene Freiheit viele ehemalige relig. Juden säkuler werden läßt. Liesse sich denn nicht Beides miteinander verbinden ? Faranak Margolese diskutiert im Verlauf ihres Buches mehrere Perspektiven, die vielleicht ein paar Antworten geben. Unter anderem den Einfluss der Außenwelt auf unser Verhalten. 

Nicht selten ringt das orthodoxe Judentum um seine Mitglieder und hierbei insbesondere um die Jugend. Was bei Eltern und Großeltern noch als wichtig und selbstverständlich galt, scheint der jungen Generation eine zunehmende Last. Eine Alternative zur Orthodoxie gibt es nicht, denn man kann, wie im Reformjudentum, nicht eine ganze Religion so zurechtrücken, wie es einem gerade passt. Was die Orthodoxie hingegen tun muss ist, jene Punkte aufzuzeigen, welche gerade die Orthodoxie so lebenswert macht, denn sie ist gewiss nicht das, wofür sie fälschlicherweise immer gehalten wird: Eine störende Last, die nur darauf aus ist, strenge Gesetze einzuhalten und einem das Leben zu vermiesen. 
_______________________________

In der folgenden Zeit werde ich das Buch von Faranak Margolese des Öfteren erwähnen. Nebenher ebenso die Volozhin – Yeshiva: Ihre große Vergangenheit bis zum Holocaust, ihre Rabbiner sowie ihre heutigen Ableger in Israel und den USA. Außerdem stehen demnächst die drei Wochen vor dem jüdischen Trauer – und Fastentag Tisha be’Av (9. Av) an und dazu werde ich sehr viele Infos in den Blog stellen.

10 Kommentare:

  1. Anonym11:39 AM

    Möglicherweise schämt sich die jüdische Jugend wegen einiger Nichtjudenverachtung (oder nennen wir es milde: geminderter Rechtsschutz von Nichtjuden in der jüd. Tradition) der Orthodoxie und wird dadurch abgehalten, jüdisch-orthodox zu werden/zu bleiben.
    Natürlich hat die gute Mehrheit andere Werthaltungen gegenüber allen Menschen verinnerlicht. Warum sollten sie sich also was zurechtrücken, wie du sagst? Ein Bruch mit dem Judentum könnte damit als konsequent betrachtet werden.

    Im Übrigen entspricht es der landläufigen Mode, nur zu betonen, was junge Leute am Judentum anziehen könnte. Das Unangenehme wird damit eigentlich niemals Thema. Aber darin verstehst du dich ja auch und blockierst es als unbegründet ab. Leider.

    Aber wer weiß. Vielleicht liegt es auch einfach daran, dass die jungen Leute sich an Shabbes und Jom Tov (und vor allem, wenn die drei Tage zusammenhängen)trotzdem die Zähne putzen und andere als normal und wichtig empfundene der Hygiene zu tun. (Übrigens einer der besten Hinweise, dass die Ritualgesetze niemals hygienische Absichten verfolgten, sondern einfach erst mal heiliges Ritual sein sollten)

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  2. B"H

    Dein Kommentar beweist das, was ich in dem Artikel andeutete: Naemlich dass der Orthodoxie gegenueber viele stereotype Vorurteile gegenueber stehen. Das beweist Du ja hiermit.

    Anstatt sich eingehend mit der Orthodoxie zu beschaeftigen und die positiven Seiten kennen zulernen, wird immer nur darauf herumgetrampelt, was einen fuer schlimme Sachen (sprich die Thoragesetze) erwarten. Das Gegenteil beweisen die vielen Yeshiva - Studenten, die jedes Jahr nach Jerusalem kommen. Liberal (reform) aufgewachsen sehen sie ploetzlich nach einigem Hintergrundlernen ihr Leben wesentlich anders als zuvor.

    Das Reformjudentum hat nicht mit dem Judentum gebrochen, doch in vielen Faellen hat es mit der Thora kaum mehr etwas zu tun. In einigen Reformgemeinden Amerikas findet seit einiger Zeit ein kleines Umdenken statt. Insbesondere in Bezug auf die Schabbateinhaltung.

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    1. Anonym11:55 PM

      Vielleicht sollten wir mal irgendwo über die bisher nicht genannten Problempunkte diskutieren und Material und Meinungen zusammentragen.
      Meines Erachtens hat es nichts mit Stereotypen zu tun; ansonsten kann deiner Sicht ebenso stereotypes Denken vorgeworfen werden, denn du setzt voraus, dass durch eine intensive Beschäftigung mit der Orthodoxie jedem klar wird, wie gut sie eigentlich ist und dass die Vorurteile überhaupt nicht berechtigt waren.

      Du hast vollkommen Recht, dass viele Juden das Judentum ablehnen, weil sie viel "Schlimmes" erwartet, womit ja meist gemeint ist, dass es zu streng und fordernd sei, wo das gemeinsame Gebet als Belastung und nicht als Bereicherung betrachtet wird. Diese aus meiner Erfahrung weithin übliche Art, das Judentum aus dem persönlichen Leben auszuschließen, finde ich nicht nachvollziehbar. Und es ist gut und richtig, bei solchen Dingen anzusetzen und zu versuchen, diese Grundlagen, die bereits abgelehnt werden, zu vermitteln.

      Der von mir angesprochene Punkt sollte sich darauf beziehen, dass in den hiesigen Synagogen regulär alles angesprochen wird, was nicht die direkten sozialen Unterschiede (und damit meine ich nichts bzgl. der Auserwählt und der besonderen Nähe zu G-tt oder anderer zu billigender Vorrechte im Land oder im religiösen Leben) zwischen Juden und Nichtjuden zum Ausdruck bringt. Es ist inexistent oder kleinen Kreisen vorbehalten.
      Ich vermute, dass es einfach als unangenehm erlebt wird oder die wenigen Unterstützer wissen, dass die Mehrheit der Juden so nicht denkt und ggf. ein Grund gegeben wird, die Neuorthodoxen oder Suchenden zu vergraulen.

      Nehmen wir ein Beispiel: ein Jude lebt in Deutschland. Eines Tages ermordet er seinen nichtjüdischen Nachbarn. Warum auch immer. Was passiert jetzt? Der Jude wird nach deutschem Recht bestraft. Und weiter? - könnte man denken. Das ist nicht erlaubt! Wer gibt Deutschland das Recht, über einen jüdischen Mörder zu richten? Ich habe mir bereits von mehreren Chabadnikim bestätigen lassen, dass Nichtjuden kein Recht haben, den Juden zu richten und damit gegen G-ttes Gesetz handeln. Da nun gegen Torahrecht ein Jude angerührt wird, tastet Deutschland G-ttes Augapfel an und sorgt für g-ttliches Gericht. (Ich weiß gar nicht, wie ich mir einen jüdisch-orthodoxen Juristen im deutschen Staat vorstellen soll; ich habe die Möglichkeit schon vor Wissen um genannte Ansichten bezweifelt - so scheint es mir noch sinnwidriger)

      Und diese Angelegenheit lässt mich nicht einmal am meisten stutzen.

      Ich unterstelle der Mehrheit aller orthodoxen Juden, dass sie sich nicht zugetrauen, solche Ansichten gegenüber Nichtjuden zuzugestehen. Wahrscheinlich glaubt die Mehrheit so auch nicht. Vielleicht folgen sie aber auch der Devise, im Zweifelfall zum Wohl des jüd. Volkes zu lügen, um keinen Hass auszulösen. Die von dir hier einmal genannte Teresa holte sich verschiedene Antworten da ein, von denen sie mir eine kopierte; dummseligerweise musste ich feststellen, dass kurz und knapp mit Stellenangaben zu Rambam und anderen geantwortet wurde - eine Prüfung der Quellen musste ergeben, dass der Inhalt mit genau entgegengesetztem Sinngehalt und damit falsch wiedergegeben wurde. Leider erhielt ich auf meine Hinweise, dass ihr da jemand etwas vorlügt, keine Antwort mehr. Es hätte mich interessiert, ob es sich bei dem Informanten um einen erwähnten Rabbiner handelte.

      Bis auf bestehendes Problemfeld finde ich die jüdische Orthodoxie mehr als ansprechend und kann die Begeisterung und die Hingabe jedes Juden sehr gut verstehen.
      Aber ich fühle mich von G-tt völlig überfordert, wenn ich jüdischem Leben dermaßen höheren Wert als allgemein menschlichem Leben beimessen soll. Exklusivität, Auserwähltheit, Erstgeborenenstatus, besonderes Maß an Heiligkeit, außergewöhnliche Nähe zu Ihm, Priesterschaft, Königtum - in Ordnung, aber nicht auf Kosten nichtjüdischen Lebens.

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  3. B"H

    Es muss nicht gleich jedem klar werden, dass das orthodoxe Judentum DIE super Sache ist, aber ich kann nicht verstehen, warum jemand das Judentum (wie das Reformjudentum) sich die Thora nach freien Stuecken zurechtbiegt. Angefangen mit der Behauptung, G - tt sei nicht der wahre Autor.

    Oft wird das Judentum so dargestellt als sei es Darth Vader. Huhhh, all die schrecklichen Thoramitzwot, die da mein Leben so einschraenken und mich in die Depression treiben. Warum dann noch leben, wenn einen all diese Gesetze umgeben ?

    An der Orthodoxie selbst ist nicht alles einwandfrei und waeren alle perfekt, haetten wir wahrscheinlich schon den Meschiach hier. Es gibt Dinge, die mich auch nerven. Insbesondere in gesellschaftlicher Hinsicht. Wenn darueber gestritten wird, welches Koscherzertifikat besser ist als das andere. Wobei dieses Problem in vielen Faellen nur Israel betrifft. Bezueglich der Zertifikate verschiedener Stellen ist schon vor Jahren ein wahres Politikum entstanden.

    Dass Nichtjuden kein Recht haben, einen Juden zu richten, ist falsch. Wer sich eines Vergehens schuldig macht, der wird von einem regulaeren Gericht bestraft. Ob das nun ein Jude ist oder nicht, denn es besteht keinerlei Pflicht, ein rabbinisches Gericht hinzuzuziehen. In Israel wird ein Straffaelliger ebenso vor einem staatlichen Gericht verurteilt und in den USA wurden selbst chassidische Rebben, wie im beruehmten Fall SPINKA, verurteilt.

    http://www.thejewishweek.com/news/new_york/spinka_rebbe%27s_namesake

    Wenn ich weiter beim Beispiel des Spinka Rebben bleiben darf: Klar, gab es einen Aufruhr als er verhaftet worden ist. Doch eher deswegen, weil ihn viele fuer unschuldig hielten als die Tatsache, dass ihn die reguaelere Polizei abholte.

    Kurz gesagt, ein Jude kann, ohne Probleme, von einem nichtrabbinischen Gericht verurteilt werden. Noch dazu, wo ein Mord immer schwer wiegt. Egal, an wem er ausgefuehrt worden ist. Die Orthodoxie an sich ist bestimmt nicht der Meinung, dass ein Jude nicht von einem weltlichen Gericht verurteilt werden sollte.

    Es ist immer von Nachteil, wenn jeder irgendwo was hoert und dann meint, in der Orthodoxie sei das halt so. Andererseits geben sich viele als orthodox aus, im Prinzip sind sie aber so super modern, dass sie fast schon zum konservativen Movement gerechnet werden koennen. Aus Jerusalem koennte ich Dir da einige Beispiele nennen.:-)

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    1. Anonym5:41 PM

      Danke für deine Antwort. Ich hoffe, dass G-tt deine Sicht der Dinge, die ich so unterstütze, auch teilt :-)

      In meinen bisherigen Unterhaltungen wie in dem, was ich las, hat sich leider dennoch oben geschilderter Eindruck verfestigt. Dafür suche ich schon eine Weile nach Widerlegungen, aber eher nicht erfolgreich.

      Ich habe den von dir angegebenen Artikel noch nicht gelesen und von dem Fall bisher auch nicht gehört. Sobald ich Zeit habe, setze ich mich damit auseinander.
      Schätzungsweise (!) geht es dabei aber eher um die aktuelle Umgehensweise in Zeiten, in der kein Sanhedrin und kein noachidisches Gericht besteht. Du beziehst dich wörtlich ja auch erst mal auf "staatlich-weltliche" Gerichte aus Israel oder dem Rest der Welt, die an Torahrecht nicht (o. in Israel scheinbar geringfügig) gebunden sind. Es geht mir aber primär um die Lehre der Torah als um Angelegenheiten, die heute so akzeptiert werden, weil sie nicht beeinflussbar sind.

      Ich erwarte generell nicht, dass sich Juden empören könnten, wenn ein Mitjude vor einem nichtjüdischen (und dazu noch areligiösen) Gericht verurteilt wird, nur weil er Jude ist und die anderen Nichtjuden. Sicher wird es auch hier Vereinzelte geben, was ich allerdings für wenig ausschlaggebend halte.
      Die Tatsache aber, dass ein empfundenes Unrecht Einzelner darauf beruhen kann, dass die Torah es nun mal so lehrt und man quasi verärgert ist, weil die Welt G-ttes Recht missachtet, finde ich schon wesentlich tragischer. Das Problem ist damit nicht nur ein Problem einer Minderheit innerhalb der Orthodoxie, sondern potenziell (!) ein Problem der gesamten Orthodoxie, sofern nicht ein Bruch mit dieser extremen Ansicht vollzogen werden kann, ohne die mündliche Torah zu verlassen.

      Dass es extreme Ansichten unter Rabbonim verschiedenster Zeitalter gab und gibt, ist wohl unbestritten. Dass nicht jeder Ansicht zu folgen ist, ebenso. Und bezüglich meiner Probleme versuche ich den Weg zu finden, verschiedene Ansichten begründet abzulehnen, OHNE die mündliche Torah zu verlassen.

      Leider (bisher) mit wenig Erfolg.

      Zu von mir genanntem Beispiel erinnere ich mich sofort, dass der Mord eines Juden an einem Nichtjuden entgegen der üblichen Weise niemals ein Fall der Kapitalgerichtsbarkeit ist. (Bei uns gibt es zwar keine Todesstrafe, aber unter gewissen Umständen haben oder machen sich Gerichte der Verletzung des Torahrechts schuldig, wenn sie einen Juden, wie jeden anderen Mörder auch, exekutieren)Ich meine mich auch recht zu entsinnen, dass allein vorsätzlicher Mord im Land mit Exil bedroht ist, während alle anderen Arten der Tötung überhaupt keine Konsequenz mit sich bringen.
      Die Schlussfolgerung ist einfach: ein nichtjüdisches Gericht kann keine Kompetenz haben einen Juden strenger zu richten, als es die mündliche Tradition erlaubt. Ich bin mir nicht sicher, ob es generell ein Problem ist, dass ein Jude vor ein noachidisches Gericht kommt; ich kann mich an keinen Fall erinnern, halte es aber für ausgeschlossen. Noachidische Gerichte können und sollen nach Torahrecht zwar bereits heute bestehen, aber ich kenne nur Fälle, in denen Nichtjuden vor das jüd. Gericht gestellt werden/wurden.

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  4. B"H

    Dass momentan kein Sanhedrin besteht, bedeutet nicht, dass weder Thora noch halachische Gesetze nicht gelten. Wir haben auch zur heutigen Zeit viele gelehrte Rabbiner (wie Rabbi Moshe Feinstein bis zu seinem Tod 1986, dem Chazon Ish bis hin zu Rabbi Shach oder Rabbi Ovadia Yosef und Rabbi Steinmann, um nur einige zu nennen), die sehr wohl in der Lage sind, Festlegungen zu treffen. Dass mit einem neuen Sanhadrin in messianischer Zeit vielleicht einiges anders wird, darueber ist sich jeder bewusst. Doch das wird, u.a., der Meschiach selbst festlegen und bis dahin gilt: Die Thora gilt auf Erden und nicht im Himmel.

    Ein juedisches Beit Din wuerde weder einen Nichtjuden verurteilen noch ihn ueberhaupt vor das Beit Din zulassen. Ausserdem gebe es darueber hinaus eventuell ein Problem mit den Zeugen, denn diese muessen juedisch und vorwiegend maennlich sein. Obwohl ich als Frau in einem bestimmten Fall als Zeugin zugelassen worden bin und keine Probleme hatte, auszusagen.:-)

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  5. Anonym4:00 PM

    Ich wollte nicht sagen, dass Torah oder halachische Gesetze nicht gelten, solange kein Sanhedrin besteht. Du hattest aber von säkularen Gerichten gesprochen, während ich ausschließlich auf das Recht der Torah hinaus wollte.
    Ein Unterschied zwischen Juden und Nichtjuden besteht heute aber eben auch darin, dass Juden einen Großteil ihres Rechts - nicht - ausführen oder durchsetzen können, weil der Sanhedrin erforderlich ist. Nichtjuden hingegen sind daran nicht gebunden und sind nach Recht der Torah auch heutzutage verpflichtet, Gerichte auf Grundlage der Gebote an Noach zu gründen und zu führen.

    Bist du sicher, dass ein Nichtjude unter keinen Umständen vor ein jüd. Beth Din kommen kann? Sicher ist es nicht der Regelfall, aber was machte man mit Gerim, die sich im Land als observant mit Erlaubnis niederlassen durften? Hatte man extra ein nichtj. Beth Din bzw. wurde im Land ein solches durch Juden von Nichtjuden für Nichtjuden organisiert? Ich weiß es nicht.
    Was sollte aber getan werden, wenn ein Nichtjude einen Juden ausraubt o.Ä.? Wird die jüd. Gerichtsbarkeit darauf drängen, dass die Nichtjuden ob der ihnen gegebenen Zuständigkeit richten und nicht ein jüd. Gericht?

    Es bleibt für mich weiterhin problematisch, dass ein nichtjüdisches Gericht einen Juden nicht richten darf (zumindest schon mal, was die im Torah Recht behandelten Fälle bespricht). Man kann einem Land schwerlich vorwerfen, wenn es für Juden KEINE derart rechtsfreien Sondergesetze entwirft; negative Sondergesetze will berechtigterweise ja auch niemand.

    Nehmen wir ein weiteres Beispiel von Rambams Lehre, bereits zugespitzt auf einen konkreten Fall durch mich: wenn ein Jude ein dreijähriges nichtjüdisches Mädchen vergewaltigt, dann soll das nichtjüdische Mädchen sterben, denn man tötet auch ein Vieh, mit dem Sodomie betrieben wurde, oder man verscharrt das Holz, an dem ein Jude hang, um zu verhindern, dass eine Schande auf Israel kommt, indem Menschen sagen könnten: das ist das Mädchen, das einen Juden zur Sünde verführt hat! Deswegen ist es verpflichtend, das Mädchen wegen der verbotenen Beziehung auszumerzen, um das schlimmere Übel, nämlich die Schande für Israel, abzuwenden.

    Zu bemerken ist dabei, dass das nichtj. Mädchen durch Juden, vermutlich vom Sanhedrin abgesegnet, getötet wurde. Wobei dies natürlich kein Rechtsfall ist, der erst regulär vom Sanhedrin verhandelt wurde. Dennoch bleibt es der jüd. Gerichtsbarkeit unterworfen, obwohl es sich um eine Nichtjüdin handelt.
    Der Jude bekäme hier zwar seine 39 Schläge oder würde zumindest mit Karet bestraft werden, wenn er nicht "umkehrt" oder könnte u.U. in Anwesenheit von Zehn sogar bei Warnung getötet werden durch einen Eiferer, aber eine praktische Auswirkung wäre heute NICHT zu erwarten. (Eine Strafe erfolgt hier auch niemals aus dem Motiv, ein Leben zerstört zu haben, denn das zerstörte Leben "führte den Juden zur Sünde", sondern nur in Bezug auf die Heiligkeit Israels und die Versündigung gegen die gebotene Separation). G-tt lässt jüdische Kinderschänder leben wie alle Kinderschänder. Der Unterschied wäre hier nach Recht der Torah, dass sich ein nichtjüdisches Land SCHULDIG macht, einen jüdische Kinderschänder zu verurteilen - denn es hat nach Recht der Torah keine Legitimation dazu.
    Es ist einem Nichtjuden aber im Regelfall nicht erlaubt, über das erlaubte Maß hinauszugehen bzw. hier jemanden zu bestrafen, der einer anderen Zuständigkeit und einem anderen Gesetz und damit einem anderen Strafmaß unterliegt.

    Ich hoffe, dass der M'schiach solche Ansichten revidieren wird.

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  6. B"H

    Ein Nichtjude tritt nur dann vor ein rabbinisches Gericht (Beit Din), wenn er sich im Konversionsprozess befindet. Ueber seine Aufnahme ins Judentum entscheidet dann ein extra eingerichtetes Beit Din. Ansonsten gibt es keinerlei Anlass, einen Nichtjuden vor ein rabbinisches Gericht zu lassen. Warum auch, denn er ist ja gar nicht an die Thoragesetze gebunden. Ausserdem wird er als Zeuge erst gar nicht zugelassen.

    Wenn in Israel ein Nichtjude einen Juden ausraubt, so kommt die Sache vor ein israelisches Gericht. Batei Din hingegen beschaeftigen sich mit halachischen Angelegenheiten von denen Nichtjuden ausgeschlossen sind. Derzeit geht es vorwiegend um Ehescheidungen oder Eheschliessungen zwischen Juden. Andere, insbesondere relig. Juden, lassen sich in Nachbarschaftsstreitereien oder Erbschaften lieber von einem Beit Din beraten anstatt vor ein regulaeres Gericht zu ziehen. Aber dabei handelt es sich dann auch wieder um Juden.

    Auf den RAMBAM Fall gehe ich nicht ein, denn ich wuerde es vorziehen, den Fall erst von einem Rabbiner definiert zu bekommen, anstatt mich da wild durch die Rambam - Schriften zu lesen und allein zu interpretieren.

    Auch die Sache mit dem Karet (der Todesstrafe) ist nicht einfach zu definieren und der Sanhedrin selbst rief eher selten Todesurteile aus. Dagegen definiert der Talmud KARET haeufig ganz anders und nicht als ausschliessliche Todestrafe.

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  7. Anonym11:17 AM

    Ja, die von dir genannten Beispiele beziehen sich aber auf die Gegenwart. Zumindest im o.g. Fall wird ein Nichtjude nicht durch ein nichtjüdisches Gericht gerichtet, auch nicht vor einem israelischen - denn ein solches gibt es nach dem Recht der Torah nicht als gesondertes. Da ist es immer ein rabbinisches Gericht.

    Ich warte auf das Ergebnis, das du von einer Rücksprache mit einem Rabbiner zurückbringst.

    Es würde mich auch freuen, wenn du zur Angelegenheit mit der Herausnahme eines Juden aus der üblichen Kapitalgerichtsbarkeit gegenüber Nichtjuden Stellung nimmst.

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  8. B"H

    "Ej, mann, ej, jetzt mach Dich mal auf zum Rabbiner, weil ich hier Antworten sehen will !"

    Sag mal, wer bist Du eigentlich, Dir solche eine Forderung herauszunehmen. Noch dazu, wo ueberhaupt kein Problem besteht.

    In Israel steht ein Nichtjude, der eine Straftat begeht, vor einem regulaeren Gericht und nicht vor einem Beit Din. Ein Nichtjude steht grundsaetzlich nicht vor einem Beit Din, da die heutigen Batei halachische Fragen regeln und damit haben Nichtjuden nichts zu tun !!!

    Wenn Du so mit Rabbinern umgehen willst, bist Du im Judentum mehr als falsch ! Aber anscheinend weisst Du ja eh alles besser, denn Du liest Buecher und interpretierst selbst. Dann brauchst Du weder mich, noch einen Rabbiner, noch G - tt.

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