Dienstag, August 14, 2007

Halachisches und Kabbalistisches zum Thema "Gebet"

B"H

Viele Male kommt es vor, dass ich ueber ein Thema schreibe, Material durchschaue und dann ploetzlich auf etwas ganz Neues fuer ein anderes Thema stosse. Wieder einmal geschah es und ich fand eine interessante Halacha zum Thema "Gebet" im Shulchan Aruch (Code of Jewish Law).

Da wir in wenigen Wochen das juedische Neujahrsfest Rosh HaShana feiern und an diesem Tag die ganze Welt von G – tt gerichtet wird, ist es besonders wichtig, den richtigen Zugang zum Gebet zu finden.



Im Traktat Orach Chaim 98:1 heisst es, dass man sich zuerst vor dem Gebet von saemtlichen stoerenden Gedanken loesen muss bis das nur noch der Gedanke an das Gebet allein bestehen bleibt. Das Gebet zu G - tt solle so stattfinden, dass sich ein jeder vorstelle, er stehe vor einem lebenden Koenig aus Fleisch und Blut, dem er ganz persoenliche Dinge erzaehlt.

Schon die fruehen Chassidim (die Gerechten ueberhaupt und nicht nur jene Chassidim aus der chassidischen Bewegung) zogen sich in die absolute Stille zurueck und meditierten solange, bis sie zu dem Punkt gelangten, an welchem die sie die Kraefte ihres Verstandes ausschalteten und sich dem Level eines Propheten naeherten. Vorausgesetzt, dass sich kein aeusserer stoerender Gedanke einschlich. Des weiteren gibt der Shulchan Aruch eine kleine Gebrauchsanweisung, wie man sich am besten von stoerenden Gedanken befreit. Im Paragraph 98:5 steht, dass der Betende versuchen soll, nur an die Groesse G – ttes allein zu denken.

Natuerlich will ich bei diesem Thema die Chassidut nicht ausser Acht lassen. Eine der Lehren des Baal Shem Tov lautet, dass jemand seine negativen stoerenden Gedanken im Gebet in etwas Positives umwandel kann.
Wie das ?
Sobald ein negativer Gedanke auftaucht, soll sich der Betende sofort auf etwas Positives besinnen und somit die negativen aeusseren Einfluesse verdraengen.
Vor allem die Chassidim von Chabad und Breslov ueben unterschiedliche Meditationspraktiken vor dem Gebet aus. Bei Chabad herrscht der Minhag (Brauch), dass ueber ein meist biblisches Konzept (z.B. Erschaffung der Welt) meditiert wird. Dagegen meditieren Breslover Chassidim oft in der Einsamkeit (Hitbodedut) und sprechen mit G – tt. Diese Art der Hitbodedut wird als Meditation betrachtet. Allgemein ist der Chassidismus fuer seine ekstasischen Gebete bekannt. Auch belebte der Baal Shem die Kavanah (Konzentration) im Gebet wieder. Diese Kavanah kann nur durch vorherige Meditation erreicht werden und fuehrt letztendlich zu einer voelligen Devekut, Vereinigung mit G – tt.

Auch die Mishna im Talmud Traktat Berachot 30b diskutiert das optimale Bewusstsein im Gebet. Wiederum ist von den frueheren Zaddikim (Gerechten) die Rede, welche vor dem Gebet eine Stunde lang zu meditieren pflegten.
Wie jedoch erfahrene Talmud – Studenten wissen, ist bei Zahlenangaben im Talmud Vorsicht geboten, denn nicht immer entsprechen diese den wahren Begebenheiten. So kommt es vor, dass viele Zahlenangaben nur metaphorisch zu betrachten sind und auch an dieser Stelle ist die Angabe der einen Stunde nicht immer als verbindlich anzusehen. Die Meditation kann laenger oder kuerzer als seine Stunde ausfallen.

In der Gemara des Talmud Traktates Eruvin 65a heisst es, dass jemand, dessen Gedanken nicht bei der Sache sind, gar nicht erst beten solle, da er eh unfaehig ist, sich zu konzentrieren. Diese Ansicht betrifft vor allem diejenigen, die aergerlich sind oder sich ueber etwas Sorgen machen. Dagegen heisst es im Shulchan Aruch (Orach Chaim 98:2), dass diese Gemara heutzutage nicht zutrifft, da die Gebete sowieso schon ohne grosse Konzentration gesagt werden. Allgemein jedoch gilt, dass jemand, der in schlechter Stimmung ist, erst dann beten soll, wenn er sich wieder abgeregt hat. Ein stabiler mentaler Bewusstseinszustand ist aeusserst wichtig im Gebet. Andererseits heisst es im Talmud, dass das Weinen im Gebet erlaubt sei, denn seitdem wir keinen Tempel haben und die "himmlischen Tore" geschlossen sind, gibt es nur den Weg der Traenen, um die "Tore" wieder zu oeffnen.

Einen sehr interessanten Gesichtspunkt wirft Rabbi Chaim von Volozhin, der beruehmteste Schueler des Gaon aus Vilna, in seinem Buch "Nefesh HaChaim" auf. Die Thora verpflichtet uns unseren G – tt mit ganzem Herzen und ganzer Seele zu lieben und zu dienen.
Was heisst mit ganzem Herzen zu dienen ?
Das Gebet, da es eine Mitzwa ist, die vom Herzen kommt. Das gesamte Herz soll mit Kavanah ausgefuellt werden.

Der Baal Shem Tov legte ganz besonderen Wert darauf, seinen Schuelern den richtigen Zugang zum Gebet zu lehren, ohne ihnen jedoch Einzelheiten zu erzaehlen. Was er ihnen lehrte war, dass jede Mitzwa und jedes Gebet mit aeusserster Kavanah (Konzentration) ausgefuehrt werden muss. Der Baal Shem Tov selbst benutzte seine kabbalistischen Weisheiten um die allergroesste Kavanah zu erreichen. Naemlich die Meditation an G – ttes Namen. Diese Weisheiten lernte er vor allem aus dem Buch "Shaarei Ora" des grossen fruehen Kabbalisten Rabbi Yosef Gikatilla. Rabbi Gikatilla lehrte den Weg zur voelligen Akzeptanz der Gebete, wobei er sich folgender Metaphor bediente:
Eine Person moechte den Koenig treffen und kommt zu dessen Schloss. Um den Koenig allerdings zu finden, muss die Person viele verschiedene Raeume durchqueren. Genauso verhaelt es sich mit dem Gebet. Wenn jemand nicht genau weiss, wie er zu beten hat (mit Kavanot), kann er in den "Raeumen" verloren gehen. Grundsaetzlich spricht Rabbi Yosef Gikatilla von zwei unterschiedlichen Arten von Gebet. Die einen wollen nur ihre Wuensche an G – tt vortragen, was heisst, sie bleiben metaphorisch betrachtet in den Raeumen. Andere wiederum wollen G – tt naeher kommen und gerade jene werden ihn auch in Seinem Raum finden.

Ich wuensche allen Lesern, dass sie gerade jetzt im neuen Monat Elul G – tt in Seinem Raum finden. Heute und morgen ist Rosh Chodesh Elul, der Beginn des juedischen Monat Elul, und wie ich schon zuvor erklaerte, ist Elul der Monat, in welchem G – tt am besten zugaenglich ist.

Chodesh Tov – Einen guten Monat

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