Dienstag, August 21, 2007

Absicht oder nur Illusion ?

B"H

Einer Freudin erzaehlte ich davon, viele e - mails aus Deutschland zu bekommen, in denen die Leute schreiben, dass sie am liebsten einen haredischen Giur (Konversion zum Judentum) durchlaufen wuerden. "Nur" nationalreligioes zu konvertieren, scheint bei vielen vollkommen OUT zu sein. Meine Freundin meinte, dass es sich anscheinend um eine neue Modewelle handele. Vielleicht hat sie damit nicht ganz unrecht.

Ich fragte mich, warum das so ist. Ist es, weil ich in diesem Blog sehr viel ueber die Haredim und ihre Welt schreibe ? Sind die Leser davon so fasziniert ? Oder sind die Interessenten wirklich an einem richtigen haredischen Giur, mit allem was dazugehoert, interessiert ?

Vor Jahren las ich einmal ein deutsches Buch ueber das Thema "Konversion zum Judentum". Irgendwie bekam ich es zufaellig in die Haende und las die Lebensgeschichten einiger Konvertiten. Warum sie sich fuer einen Giur entschieden und wie es danach in ihrem Leben weiterging. Leider habe ich den Buchtitel vergessen.
Jedenfalls war das, was die Leute beschrieben, nichts fuer mich. Einige von ihnen schienen so ziemlich daneben zu sein.
Ich erinnere mich, z.B., einen einen Bericht, der von einem dt. Konvertiten handelte, der als er nach Deutschland zurueckkam, sich voll haredisch kleidete und sich mit Absicht an die Autobahn stellte, per Anhalter fahren und die Autofahrer schocken wollte. Er war kein Haredi, sondern wollte sich nur wichtig machen und die Nichtjuden schocken.
Ich weiss nicht, warum gerade solche Leute konvertieren, denn sie ziehen gewisse relig. Richtungen durch den Schmutz und verwirren die nichtjued. Bevoelkerung, die dann faelschlicherweise meint, alle Haredim waeren so daneben.

Wer wirklich ernsthaft einen haredischen Giur anstrebt, der sollte das natuerlich in Israel tun. Allerdings sollte der Interessent genau wissen, was die haredische Welt ueberhaupt ist und ueber eines sollte er sich ganz besonders im klaren sein:
Haredi zu sein, bedeutet, sein Leben total zu veraendern.

In nationalrelig. Kursen kann sich ein jeder kleiden, wie er will. Natuerlich anstaendig, aber die Farben sind egal. Haredim dagegen legen Wert auf Farben. Bei Maennern sind das natuerlich einen schwarze Hose und ein weisses Hemd.
Bei Frauen ein langer Rock mit ueberwiegend dunklen Farben und einen Bluse. Auf alle Faelle sollte man Farben wie rot, gelb oder andere stechende Farben meiden.

Aber nicht nur die Kleidung spielt eine grosse Rolle. Vor allem sind es die gesamte Lebenseinstellung und die Umgebung. Nicht jeder kommt damit zurecht und ich rate jedem, sich ersteinmal alles naeher anzuschauen und sich gruendlich zu informieren.
Traeumern und Leuten, die anderen imponieren wollen oder alles nur als voll IN betrachten, rate ich grundsaetzlich ab.

Mein Rat waere, dass derjenige auf Urlaub nach Israel kommt und sich alles in Ruhe anschaut und sich seine Meinung bildet. Auf keinen Fall solltet Ihr Euch auf Websites verlassen. Fahrt nach Jerusalem oder nach Bnei Brak. Sprecht mit Rabbinern und erkundigt Euch.

Mir sind zwei haredische Kurse bekannt, in denen Frauen & Maenner konvertieren koennen. In Bnei Brak ist der dortige Oberrabbiner, Rabbi Nissim Karelitz, verantwortlich. Macht Euch darauf gefasst, dass es theoretisch sein koennte, dass Ihr mit einer haredischen Familie leben muesst. Zumindest einige Monate lang.

Die haredische Gesellschaft ist nicht fuer jeden, was keine Schande ist. Auch ich bin beim ersten Mal fast gescheitert und berichtete ausfuehrlich darueber:

http://hamantaschen.blogspot.com/2007/01/die-aussteiger-der-versuch-einer.html

Nach einem Giur - Kurs von einigen Monaten bzw. einem Jahr oder laenger, ist der Prozess noch lange nicht abgeschlossen. Viele meinen, sie haben nun das Zertifikat in der Hand und wissen alles.
Im Gegenteil, ausgerechnet nach dem Giur beginnt erst das wirkliche Leben. Der eigentliche Lernprozess der Realitaet. Und wer fortfahren will, mehr ueber das Judentum zu lernen oder sich als Ziel nimmt, Talmud etc. zu lernen, der wird schnell erkennen, dass er waehrend des Kurses nur eine ganz kleine Grundbasis lernte und das Eigentliche ihm noch bevorsteht.

Nehmt Euch Zeit fuer die Entscheidungen und sprecht mit anderen, welche die Kurse schon durchlaufen haben.

Uebrigens wird vor allem das Zertifikat von Rabbi Nissim Karelitz auf der ganzen Welt anerkannt. Es ist vollkommen haredisch und 100 % - ig. Aber dafuer muesst Ihr auch etwas tun und es ist nicht leicht.

2 Kommentare:

  1. Anonym4:43 PM

    Ich wundere mich auch, warum so viele Leute jetzt konvertieren möchten. Bei vielen kann es sein - vor allem bei den Deutschen - daß sie "Schuldgefühle" wegen der Shoah haben, oder daß sie das Ganze "cool" finden, etc. Oder sie haben sich in einen Juden bzw. Israeli verliebt. Keine Ahnung. Es gibt aber viele, die dies wegen Ahavat HaShem und Ahavat Israel machen (wollen); zu diesen zähle ich mich (ich bin zwar dt. Staatsbürger, aber kein Deutscher im ethnischen Sinn). Was mich persönlich stört sind die Leute die eine liberale "Konversion" machen wollen bzw. sich nicht anstrengen, die Mitzvot zu halten - oder eben die Spinner, von den Christen die Christen bleiben wollen ganz zu schweigen. Was ich machen möchte ist eine orthodoxe Giyur, die anerkannt wird; wenn dies eine haredische ist, OK; aber es sieht bei mir danach aus, daß sie von nicht-haredischen (aber orthodoxen!) Rabbiner eines anerkannten Beit Dins in Frankreich gemacht wird (wenn es so weit ist). Ja, die haredische Welt fasziniert mich; ich kenne sie natürlich nicht so gut wie du, daher kann ich nicht sagen, ob ich das will (als haredi leben). Ich möchte einfach ein Leben wie ein orthodoxer Jude führen, ein Jude sein und als Jude leben. Chassidut zieht mich an, das seit langer Zeit. Aber wie das Auskommen ist, G-tt weiß es besser. Gruß, José

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  2. B"H

    Hi Jose,

    ich bin auch der Meinung, dass bei vielen dt. Konvertiten Schuldgefuehle wegen der Shoah eine Rolle spielen. Zumindest sind fast alle durch die Shoah ueberhaupt erst auf das Thema "Judentum" gestossen.
    Es gibt aber Hundertprozentig einen Unterschied zwischen dt. Konvertiten und jenen aus anderen Laendern bei den Konversionsgruenden. Klar, will das Beit Din nur relig. Gruende hoeren, aber wer einmal richtig nachforschen wuerde, taete interessante Fakten an den Tag bringen. Ein Thema fuer ein Psychologiediplom vielleicht.

    Zu Reformkonvertiten brauche ich mich nicht gross zu aeussern, denn da kennt jeder meine Meinung, die in diesem Blog offensichtlich genug ist. Viele wollen halt ein "Judentum - light", was es nicht gibt, denn gelebtes Judentum bedeutet weitaus mehr.

    Zur Harediwelt: Nach einem Giur sollte man sich auf alle Faelle erst einmal einleben und informieren, ohne sich gleich voellig auf die Harediwelt zu stuerzen. Viele, die das tun, bleiben nicht lange religioes. Aber das trifft geborene Juden, die religioes werden, genauso.

    Ich habe schon mehrmals zu dem Thema etwas geschrieben:
    In der Chassidut und Kabbalah heisst es, dass jeder Mensch eine andere Seelenwurzel / Seelenursprung hat und sich daher die Neshama (Seele) zu verschiedenen Richtungen hingezogen fehlt. So kann man zumindest das starke Interesse am Chassidismus oder dem litvishen Judentum erklaeren. Und, nicht jeder ist dafuer gemacht, Talmud zu lernen. Der eine bevorzugt Halachot, der andere Thora, wieder ein anderer Mussar (jued. Ethik) usw.

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