Sonntag, August 05, 2007

Soziologischer Aspekt ueber die Spaltung von chassidischen Gruppen

B"H

Bisher war ich immer der Meinung, dass es einer Tragoedie gleicht, wenn sich zwei oder mehrere Soehne eines chassidischen Rebbes ueber die Nachfolge ihres Vaters streiten. Ganz aktuelle Faelle bilden hier die Gruppen Satmar (New York), Bobov (New York) und Vishnitz (Bnei Brak).

Da ich ganz gut mit einigen Belzer Chassidim befreundet bin, fragte ich dort gleich einmal nach, denn Belz und Gur sind soweit von etwaigen Spaltungen ihrer Gruppen verschont geblieben. Bei Belz gab man mir die Auskunft, dass der derzeitige Belzer Rebbe eh nur einen einzigen Sohn hat und somit keine Spaltung oder ein etwaiger Streit in Frage kommt. Bei Gur wird die Nachfolge automatisch vom Vater festgelegt. Andere Gruppen, wie das beruehmte Beispiel Toldot Aharon zeigen, lassen den Nachfolger eines Rebben von ihren Mitgliedern waehlen, was fast nie ohne Streit ausgeht.

Fuer mich ist es faszinierend zu sehen, wie sich ploetzlich ehemalige Freunde und sogar Verwandte bekriegen, nur weil beide Parteien zwar einer chassidischen Gruppe angehoeren, aber dennoch zwei unterschiedlichen Rebben folgen. Was hat das fuer Auswirkungen und ist es wirklich solch eine grosse Tragoedie ?
Vor einigen Wochen sprach ich darueber bei Rabbi Mordechai Machlis und er gab zu bedenken, dass nicht selten die Spaltung einer chassidischen Gruppe in eine weitere sogar von Vorteil fuer die Chassidim sei. Wie das ?
Der Fall Toldot Aharon sowie Toldot Avraham Yitzchak hat es mir veranschaulicht.

Wie in jeder anderen Gesellschaftsform auch, gibt es ebenso unter Chassidim verschiedene Charaktaere. Der eine entwickelt seine eigene Persoenlichkeit und der andere laesst sich gerne fuehren und schaut zu einem Ideal auf. Der eine sucht Charisma, der andere Bescheidenheit.
Die genauen Gruende, welche zur Spaltung jener beiden Gruppe fuehrten, kenne ich noch nicht. Offiziell stritten sich die zwei Soehne des verstorbenen Rebbes um dessen Nachfolge. Die Mitglieder entschieden sich fuer den juengeren der beiden Brueder und der aeltere gruendete seine eigene Chassidut und zog nicht wenige Mitglieder mit sich in seine neue Dynasty.

Beide Brueder unterscheiden sich aeusserlich von ihren Charaktaeren her. Die Chassidim ihrerseits bevorzugen den einen oder den anderen Charakter und entschieden so ueber ihre Zukunft. Es ist nichts Nachteiliges daran zu sehen, dass bei Toldot Aharon grosse Bedeutung darauf gelegt wird, jegliche Arroganz zu vermeiden. Ich habe in meinem Leben noch nie so bescheidene Leute kennen gelernt, wie deren Mitglieder. Niemand haelt sich fuer besser als der andere. Ein Verhalten, welches auch in den Takanot (Gesetzen) der Gruppe festgelegt ist. Selbst der Rebbe und seine Frau fuehren ein aeusserst bescheidenes Leben.

Bei ihrer Abspaltung Toldot Avraham Yitzchak scheint dies etwas anders zu sein. Der Rebbe nimmt, allem Abschein nach, eine groessere Fuehrungsposition ein und wird auf eine andere Art und Weise verehrt. Nicht mehr als bei Toldot Aharon, doch gibt es gravierende Unterschiede. Nichts davon ist zu positiv oder negativ und jedes Gruppenmitglied, hat seine Entscheidung gefaellt. Anscheinend genau nach den Charaktaeren, die er fuer richtig oder besser gesagt fuer wichtig in seinem Leben haelt.

Toldot Aharon und Avraham Yitzchak sind an dieser Stelle reine Spekulation, dennoch veranschaulichen sie die Vorteile einer Spaltung.

Allgemein gesprochen bevorzugt die eine Seite einen strengen Rebben, die andere einen kameradschaftlichen usw. Was also, wenn ich mich in einer Gruppe befinde, in der ich das genaue Gegenteil von dem habe, was mir liegt ? Ist dann nicht eine Spaltung von Vorteil ? Ich finde ja.
Grosse Probleme kommen in dem Moment auf, in dem ein regelrechter Krieg zwischen beiden Parteien ausbricht und es sogar zu Gewalt kommt.

Die ersten Querelen gab es schon fruehzeitig im 18. Jahrhundert. Ein ganz beruehmter Fall stellt das Verhaeltnis des Seher von Lublin (Rabbi Yaakov Yitzchak Horowitz) und dessen ehemaligen Schueler, Rabbi Yaakov Yitzchak Rabinowicz von Przysucha (Peshis'cha) dar. Trotzdem die zwei einmal beste Freunde waren, wandte sich Rabbi Rabinowicz von seinem ehemaligen Lehrer aufgrund von Meinungsverschiedenheiten ab. Einer der Hauptgruende waren die unterschiedlichen Ansichten ueber die Rolle des Zaddiks (Gerechten) in der Chassidut.
Von beiden grossen Rabbis stammen heute die beruehmtesten chassidischen Gruppen ab. Vom Seher von Lublin kommen vor allem Satmar, Ropshitz und Belz und dem Pryzsucha – Movement folgen Gur, Alexander, Biale, Radomsk und viele andere.

Trotz vieler Spaltungen besteht der Chassidismus bis heute und wird dies auch in Zukunft tun. Zugegeben, es kann Tragoedien geben, doch muss man auch die positiven Seiten sehen. Manchmal ist ein Neubeginn alles andere als nur negativ zu bewerten.

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