Donnerstag, Dezember 13, 2007

Die Sucht nach mehr

B"H

All jene, die sich in der aktuellen Umfrage um mehr qualifizierten jüdischen Unterricht in deutschen Gemeinde sorgen, kann ich bestens verstehen. Während meiner Zeit in Deutschland beschränkte sich mein Lernen auf das Internet und sogar das Faxgerät am Arbeitsplatz okkupierte ich. Von einer Yeshiva in Jerusalem liess ich mir die wöchentlichen Thoralesungen faxen. Inclusive des russischen Textes, den ich an die russ. Gemeindemitglieder weitergab.

In unserer kleinen orthod. Gemeinde gab es derlei Texte nicht und auch der Unterricht des Rabbis war fast nur auf Nichtjuden begrenzt, die sich da allwöchentlich in seiner Wohnung versammelten. Mit Rabbi war also nichts und so blieb das Internet. Die Mehrheit der Interessierten endet dann gewöhnlich bei Chabad, Breslov oder Aish HaTorah - Sites. Diese sind besonders auf Anfänger zugeschnitten. Mir war das alles nicht genug und die Frustration begann.

Die Frage ist, wie lange man Anfänger bleiben kann. Basiswissen gehört nun einmal dazu, so lauten die Meinungen fast aller.
Chabad in Jerusalem sowie die israel. - amerik. Jerusalemer Yeshiva Ohr Sameach haben da einen etwas anderen und in mancherlei Augen vielleicht gewagten Schritt entwickelt. Bei Ohr Sameach erfolgte dies ursprünglich erst aus einem anderen Grund heraus. Die zweite Intifada war ausgebrochen und die amerik. Yeshiva - Schüler blieben weg, denn die Eltern wollten ihre Sprösslinge nicht in ein Kriegsgebiet schicken. Um dennoch Leute "anzulocken" bot Ohr Sameach Talmudunterricht an.

Normalerweise wird wirklich erst Basiswissen vermittelt und dann irgendwann geht es mit einigen höheren Studien weiter. Das neue Angebot des Talmudunterrichtes aber kam an. Ich traf unzählige neue Ohr Sameach - Leute, die etwas damit angaben, schon den Talmud zu lernen. Okay, warum nicht. Nicht jeder muß immer gleich zwangsläufig jahrelang warten, um hohe Studien angeboten zu bekommen.

Beim englischsprachigen Shiur bei Chabad setzt man noch einen drauf. Juden kommen in den Raum, haben fast Null Ahnung von ihrer eignen Religion und werden sofort mit höheren kabbalistischen Konzepten konfrontiert. Viele sagen da erstmal "Hääähhh ?"

Als ich mit einem Chabad - Rabbi über das etwas seltsame Einführungskonzept sprach, nannte mir dieser einen einleuchtenden, wenn auch für viele einen vielleicht zu chassidischen, Grund.
Die Seele jedes Menschen hat eine individuelle Wurzel, sprich Ausgangspunkt. Um jemanden näher an die Religion heranzuführen, muß man genau den jeweiligen Ursprung anzielen. Bei dem einen ist das Talmud, bei dem anderen Thora, Halachot oder bei weiteren ist es die Kabbalah. Jeder einzelne hat seinen ganz persönlichen Zugang und seine individuelle Neigung das Judentum zu erfahren. Und von daher dürfen auch höhere Studien an Anfänger erteilt werden.

Ich stimme mit dem Konzept überein, denn vielseits sah ich, dass selbst Leute, die wenig Vorwissen besassen, gerade durch diese erweiterten Kurse zum Judentum fanden. Alles Basiswissen ergibt sich eh im laufe der Zeit.

Als ich auf der Yeshiva war, reichte mir das dort vermittelte Wissen nie aus. An dem Zustand hat sich bis heute nichts geändert. Sobald ein Rabbiner in einem Shiur talmudische oder andere Quellen nennt, frage ich umgehend nach dem Namen des Traktates und der Seite. Manche schauen mich recht entsetzt an, geben mir aber Auskunft. Geweigert hat sich in Israel noch niemand, in meiner deutschen Gemeinde dagegen schon. Dort vermutete der Rabbiner anscheinend, man könne ihn bei etwaigen Fehlern ertappen und so hiess es, dass einen das nichts an ginge.
In Israel ist das um einiges anders und was mir immer häufiger passiert ist, dass Rabbiner auf mich zukommen und fragen, ob ich das Thema nachgelesen habe und was ich dazu sage.

So mancher Yeshiva - Schüler gibt sich mit dem Unterricht zufrieden, ich tat das nie. Außer mir kenne ich nur sehr wenige Leute, die das tun. Einer davon ist mein guter Freund David Salomon, der zur Zeit eine weitere Vortragsreihe zur Jüdischen Geschichte bei der Orthodox Union (Israel - Center) in Jerusalem abhält. Um etwas Werbung für ihn zu betreiben, kann ich vielleicht nebenbei erwähnen, dass er im Mai 2008 Vorträge bei LIMMUD in Berlin halten wird. Bei LIMMUD kann man sich schon einmal darauf freuen, denn es wird bestimmt ein herausragendes Ereignis.

Nicht immer bedarf es für gewisse Themen eines Rabbiners und vielerorts kenne ich hochqualifizierte Leute, die bessere Vorträge über jüdische Themen halten als jeder Rabbiner. Vor allem, weil diese Leute einiges aus anderen Perspektiven betrachten, kommen die Vorträge ungemein gut an. Auch bei der Orthodox Union.

Zwischenzeitlich ist es Gang und Gebe geworden, dass das Publikum andere Redner als Rabbiner teilweise vorzieht. Viele Rabbiner ziehen den etwas trockenen Vortragston mit sich. Natürlich vermitteln sie Wissen, doch eine besondere Gabe eines jeden Redners ist es, die Zuhörer auch zu unterhalten. Und zwar so, dass bei ihnen vom Vortragsinhalt etwas hängenbleibt.
Um die Titel braucht man sich nicht zu sorgen, denn normalerweise bekommen die Leute schnell mit, ob hier jemand nur etwas erzählt oder sich da jemand wirklich auskennt. Und nicht jeder Rabbiner ist nicht immer gut ausgebildet und noch dazu ein guter Redner.

Wer also Lust auf mehr hat, der kann heute Abend ins Israel - Center in der Keren Hayesod kommen, und einen weiteren Vortrag von David Salomon anhören. Beginn ist um 19.30 Uhr.

Wer nicht gerade in Jerusalem lebt, dem bleibt wahrscheinlich vielerseits das Internet oder bestellte Bücher zum Judentum. Vielleicht wäre es eine Idee, ausländische Sprecher nach Deutschland einzuladen, die den Zuhörern einen kleinen Einblick in die Vielfältigkeit des orthodoxen Judentums vermitteln.
Haredische oder nationalrelig. Sprecher, Rabbiner oder nicht, international geschieht diesbezüglich sehr viel auf dem Parkett und in der Schweiz finden solche Veranstaltungen schon statt.
Ganz zur Freude des interessierten Publikums.

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