B"H
Die Problematik, die ich an dieser Stelle beschreibe, bezieht sich ausschließlich auf meine persönlichen Erfahrungen in Jerusalem und ist nicht unbedingt auf andere Orte übertragbar.
Mehrere Male zuvor schon habe ich über das Schicksal der orthodoxen Konvertiten zum Judentum berichtet. Leute aus aller Welt, die in Jerusalem oder Bnei Brak orthodox zum Judentum übertraten.
Was mir immer wieder neu auffällt ist, dass nicht wenige der "neuen Juden" eine haredische Laufbahn einschlagen. Heißt, sie entscheiden sich nach ihrem offiziellen Übertritt, einer chassidischen Gruppe oder dem litvish - haredischen Judentum beizutreten. Gemäß meiner persönlichen Beobachtung des Phänoms sind es allerdings mehr Männer als Frauen, die sich für diesen Schritt entscheiden.
Gewöhnlich zieht die chassidische Gruppe Chabad sehr viele Neuankömmlinge an. Neurelig. geborene Juden genauso wie Konvertiten. Zwischen beiden Gruppen besteht jedoch ein Unterschied, warum sie sich zum Beitritt einer chassidischen Gruppe entscheiden, aber ich will hier einmal nur auf die Konvertiten eingehen.
Ich bin keineswegs ein Psychologe, doch hatte ich gestern Abend mit jemandem aus der Szene ein recht intensives Gespräch zu dem Thema. Zumindest kommt es uns so vor als ob viele Konvertiten zum Judentum nach ihrem Giur merken, dass sie eigentlich allein dastehen. Sie leben in einem fremden Land, haben keine jüdische Familie oder Verwandten. Es ist unbestreitbar, dass sie ein orthod. Leben führen wollen, doch wie ohne Anhang oder Zuhause ?
Besonders die chassidischen Gruppe und hierbei natürlich an erster Stelle Chabad, bieten eine kleine Zuflucht, wenn nicht sogar Heimat oder Zuhause. Man kommt in einen Kreis, den man nach einiger Zeit durchaus als seine Familie betrachten könnte und bestimmten Traditionen, die einem eigentlich fehlen, kann man auch als seine eigenen ansehen und ihnen folgen. Der Rebbe als "Vaterfigur" sozusagen. Wobei ich an dieser Stelle nicht nur den Lubawitscher Rebben meine.
Aber nicht nur Chabad wird sich gerne angeschlossen, sondern ebenso "extremeren" Gruppen, welche auch Neuankömmlinge aufnehmen. Chabad gibt sich allem gegenüber offen und aufgeschlossen, doch wer sich ihnen anschliesst, der gerät schnell an seine Grenzen. Genauso verhält es sich natürlich mit anderen Gruppen.
Was genau den Neuankömmlingen in den einzelnen Gruppen wiederfährt und welche Erfahrungen sie machen, wäre garantiert ein interessantes Studienthema.
Ein wichtiger Schritt sich zu intergrieren ist bestimmt eine Hochzeit und die Gründung einer Familie. Zumindest ist man dann am Shabbat nicht immer auf die Einladungen anderer Gruppenmitglieder angewiesen. Diese Einladungen sind ein wichtiger wenn auch lästiger Bestandteil, denn man will ja am Shabbat nicht alleine daheim herumhängen. Meinen Beobachtungen zufolge war es so manch einer Familie lästig, immer jemanden einladen zu müssen, weil dieser geradezu darum bettelte.
Ist man erst einmal verheiratet und bekommt Kinder, fällt die Integration etwas leichter, wobei aber wieder zu beachten sei, dass die Familie samt Nachwuchs der ständigen Beobachtung anderer Gruppenmitgliedern unterliegen. Jeder schaut auf jeden und auf die Neuen ganz besonders. Nicht unbedingt bei Chabad, doch bei Vishnitz, Satmar, Belz oder Toldot Aharon schon.
In der Regel werden die Konvertiten mit anderen Konvertiten oder Neuankömmlingen verheiratet. Ganz selten gibt es einmal Ausnahmen, bei denen ein gebürtiger Chassid einen Neuzugang heiratet. Im ultra - orthod. Mea Shearim wird hierbei immer gerne auf den Fall "Amram Blau" verwiesen. Rabbi Amram Blau, der in den 70iger Jahren verstorbene Neturei Karta - Führer, heiratete eine franz. Konvertitin. Rabbi Blau tat dies gegen die Entscheidung führender Rabbiner und mußte zur Strafe ein Jahr lang im Bnei Braker Exil leben.
Kürzlich hörte ich von einem Konvertitenpaar, welches sich den Satmarer Chassidim anschloß und nun in einem der Hinterhöfe von Satmar und der Neturei Karta lebt. Beide Partner sind Polen mit deutscher Vergangenheit und fügten sich nach Aussagen eines Freundes sehr schnell ein. Sogar der Yiddishen Sprache sind sie schnell mächtig geworden.
Im Judentum ist es eine Mitzwah, einem Konvertiten zu helfen. Die heutige Realität dagegen schaut etwas anders aus und das nicht nur, weil sich viele Scheinkonvertiten einschleichen. Insbesondere die haredische Welt will nicht jeden dabei haben und reagiert erst einmal vorsichtig.
Was genau einen Konvertiten dazu veranlaßt, sein Leben so radikal zu verändern, ist mir schleierhaft. Nicht nur, dass man eben mal so seine Kleidung wechselt oder in einen neuen Stadtteil zieht, nein, auch der alte Freundeskreis wird radikal aufgegeben. In manchen Fällen sogar die Eltern und Geschwister.
Es ist gerade so als wolle sich der Konvertit von seiner Vergangenheit befreien und sich mit aller Macht eine neue schaffen. Wenn nicht immer für die Umwelt, dann zumindest für sich selbst.
Mittwoch, Dezember 19, 2007
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