Sonntag, April 06, 2008

Putzfimmel

B"H

In zwei Wochen, am Abend des 19. April – Schabbatausklang Mozzaei Schabbat, beginnt für die Juden in aller Welt das siebentägige Pessach – Fest. Außerhalb Israels beträgt die Dauer des Festes acht Tage.

Die Thora verbietet uns in diesem Zeitraum jegliche Getreidespeisen zu uns zu nehmen und für denjenigen Juden, der dies dennoch tut, kündigt sie die allerhärtesten Strafen an. Kein "Chametz – Getreideprodukte" soll man an Pessach im Hause eines Juden finden.

In diesem Blog gehe ich wahrlich nicht auf alle Themen zu Pessach ein. Chabad sowie die litvische Jerusalemer Yeshiva "Aish HaTorah" sind diesbezüglich wesentlich besser bestückt und können mit jeglichen Infos dienen. Eines aber sei dennoch kurz erwähnt: Chassidim unterscheiden sich besonders an Pessach durch ihre Bräuche von litvischen sowie allen anderen Juden. Der gravierenste Unterschied mag sein, dass Chassidim weder bei der Seder noch an Pessach überhaupt grundsätzlich kein "Gebrochts" essen. Somit gibt es keine der ansonsten so traditionellen "Mazzeknödelsuppe" (Kneidlach). Da ich schon lange nur noch chassidische Bräuche einhalte, verbringe ich die Seder mit Chassidim und halte mich auch eben an jenen Brauch ohne Gebrochts auszukommen.

In den meisten jüdischen Haushalten wird dieser Tage für Pessach geputzt. Manche treiben es so wild und zerlegen eigenhändig ihren Kühlschrank, damit auch ja noch die letzte Schraube geputzt wird. Die Küche wird überhaupt mit Aluminiumfolie verhängt. Der Tisch, die Küchenanrichte sowie der Herd. Alles wird sorgfältig verklebt und hinterher kommt man sich vor wie in einem Raumschiff.

In der kommenden Woche wird auch in unsere Bäckerei die Kuchenherstellung drastisch eingeschränkt. Die Leute wollen ihr letztes Chametz (Nudeln, Bier, Brot, Kuchen, Kekse, Suppenpulver, etc.) loswerden und da wird automatisch weniger Brot gekauft. Am 18. April (Freitag) verbrennen wir gar unser restliches Chametz. Wobei ich erwähnen sollte, dass in diesem Jahr einige zusätzliche Regeln herrschen, da wir am vorherigen Schabbat noch Challah (Schabbatbrot) essen müssen.

Insbesondere in Orten mit einem hohen jüdischen Bevölkerungsanteil gibt es in den Supermärkten allerlei Chametz – Ersatz zu kaufen. So werden Kuchen und Kekse ohne Getreideinhalte angeboten (nur mit Mazzemehl) gebacken und "Koscher für Pessach". In Israel hingegen steht schon seit geraumer Zeit auf vielen Lebensmittelverpackungen "Kascher Le' Pessach – Koscher für Pessach". Selbst auf den Colaflaschen oder dem Geschirrspülmittel.
Schon lange aber ist es leider auch in Israel keine Seltenheit mehr, dass säkulere jüdische Geschäfte an den Pessachfeiertagen weiterhin Chametz (Brot, Pizza, Kuchen) vertreiben. Bestes Beispiel hierfür ist Tel Aviv. In Jerusalem findet es weniger statt, aber wer richtig nach Chametz sucht, der findet auch welches; und das nicht nur bei den Moslems in Ostjerusalem. Dort gelten die Chametzgesetze übrigens nicht.

An Pessach Chametz zu essen oder als Juden zu vertreiben gilt immer noch als verpönt. In Jerusalem vielleicht mehr als anderswo. Ich frage mich immer, wieso Juden ausgerechnet an Pessach den Drang verspüren, Chametz essen zu müssen. Ist es nicht möglich, einmal im Jahr sieben Tage lang auf etwas zu verzichten ? Und wie in jedem Jahr stellen die Stadtverwaltungen an solche Geschäftsinhaber Geldstrafen aus. Den Inhabern jedoch scheint dies egal zu sein, denn verdienen sie doch mehr als die ganze Geldstrafe wert ist.

Chassidim nehmen besonders streng mit der Putzerei vor Pessach. Fast jede Gruppe hat ihre eigenen Putztraditionen. Manche Haushalte verfügen sogar über eine extra Pessach – Küche; und dies nicht nur bei den Chassidim. Das Geschirr wird normalerweise komplett ausgetauscht und somit haben die Haushaltswarengeschäfte vor Pessach Hochkonjunktur. Aber nicht jeder muß Geld für neue Töpfe ausgeben, denn es darf munter gekaschert werden. In relig. Gebieten kann gerade jetzt Geschirr gekaschert werden, heißt man geht zu einem eigens eingerichteten Stand, wo das Geschirr in kochend heisses Wasser getaucht wird. Danach ist es "Koscher für Pessach". Hierbei wird meistens ein Unkosteneitrag verlangt.

Geschirrkaschering in Mea Shearim



Am Sederabend ist die Hausfrau meistens platt von der Putzerei und liegt schnell darnieder. Chassidische Sederabende dauern in der Regel viel länger und so werden wir auch in diesem Jahr wieder bis mindestens 2.30 Uhr früh am Tisch sitzen. Im letzten Jahr lag ich schlafend auf dem Tisch und erlebte das letzte Lied "Chad Gadiah" gar nicht mehr mit.

Wichtigester Bestandteil sind natürlich die Mazzot (ungesäuerten Brote). Es gibt sie kartonweise zu kaufen. Maschinell in Viereckform hergestellt oder handgemacht (rund). Maschinelle Mazzot sind billiger und die handgemachten dementsprechend teurer, schmecken jedoch besser. Chassidim beschränken sich vielseits nur auf die Handgemachten. Bei einer riesigen Kinderschar aber kann man im Hause auch schon einmal maschinell hergestellte Mazzot finden. Allerdings nicht die Regulären, sondern die sogenannte "Mazza Schemura". Die Herstellung Mazza Schemura wurde rabbinische besonders überwacht und von daher sind diese Mazzot um einiges teurer als die regulären.
Wir halten es so, dass es bei der Seder selbstgemachte Mazzot gibt und danach ausschließlich NUR Mazza Schemura.

Mazzot



Soweit der erste kleine Einblick in die Pessach – Praxis und die speziellen Organisationen, mit denen die Juden weltweit derzeit beschäftigt sind.

Link:

Nichtjuden bei der Pessach - Seder


Chassidische Mazzabäckerei

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