B"H
Im Chassidismus gibt es den Brauch, den achten und letzten Tag von Chanukkah besonders groß zu feiern. Gewöhnlich gibt es eh nach dem allabendlichen Zünden der Chanukkiah (des Chanukkah - Leuchters) ein Essen, doch am letzten Tag kommt oft der Rebbe der Gruppe in die Synagoge und gibt einen chassidischen Tisch. Manchmal mit Essen, aber immer mit einer hauseigenen Kapelle, welche chassidische Melodien spielt. In Deutschland mag man das "Klezmer" nennen, bei den Chassidim jedoch drückt diese Musik den eigenen Lebensstil, Stimmungslagen sowie ihre eigene Geschichte aus. Hinzu kommt, dass jede chassidische Gruppe ihre eigenen Melodien entwickelte.
Gestern (Montag) war der letzte Tag des diesjährigen Chanukkahs. Vorgestern war ich mit einer Freundin auf dem Jerusalemer Zions Square, wo Chabad die siebte Kerze anzünden liess. Ehrengast war der frisch gewählte neue Bürgermeister Nir Barkat.
In den vergangenen Jahren ging Chabad bei der Prozedur um einiges spiritueller zu Werke, doch in diesem Jahr glich alles nur einem Wischiwaschi. Ein wenig Politiker - Blabla, Kerzen zünden und ab nach Hause. So lief es ab und ich war heilfroh, gestern abend nach Mea Shearim zu gehen, um ein paar richtige chassidische Feiern zu sehen. Eine, wenn nicht gar die älteste chassidische Gruppe, Karlin - Stolin, sollte einen großen Tisch mit dem Rebben geben.
Die in Deutschland so gut wie unbekannte Chassidut Karlin wurde von Rabbi Aharon dem Großen, (1736 – 1772), gegründet, der wiederum ein Schüler des Maggid von Mezritch (Rabbi Dov Baer Friedman) war. Der Maggid war der Nachfolger des Baal Shem Tov und bei Karlin handelt es sich um einen Vorort der litauischen Stadt Pinsk. Rebbe Aharon der Große gründete eine der ersten chassidischen Zentren in Litauen und schon bald gab es Karliner Chassidim auch in der Stadt Vilna, was wiederum einen Kampf mit dem berühmten Gaon von Vilna nach sich zog.
Heute sind die Karliner Chassidim Jerusalems in zwei Gruppen gespalten, aufgrunddessen dass in der nicht allzu langen Vergangenheit Probleme mit der Anerkennung des neuen Rebben bestanden. Jener kleinere Teil, welcher den derzeitigen Rebben nicht anerkannte, machte sich selbständig und nennt sich heute Karlin – Pinsk. Der wesentlich größere Teil blieb zusammen und nennt sich Karlin – Stolin.
Der derzeitige Karlin - Stoliner Rebbe Baruch Me'ir Yaakov Shochet
Ferner besteht ein weiteres Zentrum der Karliner Chassidim in New York. Der Stoliner Rebbe verlegte seinen Wohnsitz in den Jerusalemer Vorort Givat Ze'ev, wo er allmählich viele seiner Chassidim um sich scharrte. Trotzdem, ein Großteil gehört nach wie vor zur Synagoge in Mea Shearim. Leider kommt der Rebbe selbst nur selten dorthin und gibt seinen chassidischen Tisch überwiegend in Givat Ze'ev. Auch am vergangenen Schabbat war er nicht in Jerusalem.
Eine Bäckereikollegin liess mich wissen, dass die Karlin - Stoliner Chassidim eine riesen Tisch geben werden und so zog ich gestern abend Richtung Mea Shearim los. Erst dachte ich, ich sei zu früh dran, aber um 20.30 Uhr waren die Karliner schon mitten am Feiern. Draußen war das Wetter regnerisch, in der Synagoge jedoch herrschte Hochbetrieb. Eine Band spielte lautstark chassidische Musik und mehrere Hundert Chassidim standen im Erdgeschoß auf den Metallbänken und swingten im Takt zur Musik.
Zuerst war ich erstaunt über die hohe Anzahl der Karliner Chassidim. Bisher hatte ich sie immer für weniger gehalten.
Karlin – Stolin in Jerusalem am letzten Sukkot
Die Frauenempore im ersten Stock war rappelvoll und alle Frauen und Mädels klebten an der Mechitzah (Trennwand), um den Männern im Erdgeschoß zuzuschauen. Letztere wiederum liessen ihre Augen nicht vom Karliner Rebben ab, der da in der Mitte an einem Tisch sass. Die Band spielte ununterbrochen und ich suchte mir einen mehr oder weniger günstigen Stehplatz. Ganz links an der Wand war noch etwas frei und es stand nur eine Mutter mit ihren vier Töchtern dort. Hinterher ging mir auf, dass dies die Rebbitzen gewesen sein kann, denn schon am Sukkot war die linke Seite der Empore für die Familie des Rebben reserviert gewesen. Und die Frau stand allein, ohne dass jemand herumrempelte.
Erst stand ich hinter ihr und kurz darauf machte sie einfach Platz, damit ich auch etwas sah. Wir unterhielten uns kurz über Karlin und schauten dann andächtig hinunter, wo die Männer auf den Metallbänken teilweise zu den Melodien auf und absprangen oder in die Hände klatschten. Nie habe ich sogar ältere Chassidim so wild hin und herwippen sehen wie bei Karlin gestern abend. Ein Vater tanzte mit seinem behinderten Sohn auf und ab und wenn man genauer hinschaute, dann sah man, dass die Beiden völlig in einer anderen höheren Welt aufzugehen schienen. Als die Lautsprecher kurz aussetzten, wurde einfach ohne sie weitergesungen. Es war eine unheimlich spirituelle Atmosphäre, die ich bisher noch bei keinem chassidischen Tisch erlebt habe. Alle schienen woanders zu sein, aber nicht in dieser materiellen unseren Welt.
Nach einiger Zeit kam ich dann allerdings doch wieder in die hiesige Welt zurück, denn auf der Empore war kein einziges Fenster offen und ich brauchte dringend frische Luft. Schweren Herzens netschloss ich mich zu gehen, wollte aber noch bei anderen Gruppen vorbeischauen. Durch den Mea Shearim Markt kam ich zu den Toldot Avraham Yitzchak, einer Abspaltung der Toldot Aharon und wer Rebbe Shmuel Yaakov Kahn kennt, der weiß, dass wenn es einen Tisch gibt, dieser mit Action beladen sein wird. Die Avraham Yitzchak sind meine unschlagbare Nummer Eins bei den chassidischen Tischen und kaum jemand feiert so wie deren Rebbe.
Als ich ankam, wackelte schon die ganze Synagoge; im wahrsten Sinne des Wortes. Auch hier spielte eine hauseigene Band, doch war es viel schwerer zu sehen, was sich bei den Männern abspielte, denn es waren mehr als Hundert Frauen und Kinder anwesend, die da an der Mechitzah klebten. Nach einigem Suchen fand ich einen Platz, von dem aus ich etwas sah. Im Erdgeschoß tanzten die Chassidim wild in einem Kreis und Hunderte weitere standen um sie herum und schauten zu. Ein beeindruckender Anblick, ob wohl ich noch von den Karlinern hin und weg war.
Der Weg nach Mea Shearim hatte sich gelohnt und ein wenig Spirituality kann nie schaden.
Dienstag, Dezember 30, 2008
Abonnieren
Kommentare zum Post (Atom)
Der Rebbe heisst R' Boruch Meir Yaakov Sochet (nicht Boruch Yaakov Meir).
AntwortenLöschenEine Bemerkung: "Der Frankfurter" - auch der "Jenuka"(der Junger) genannt, der Urgrossvater des heutigen Rebben, welcher der 6. Karlin-Stoliner Rebbe war, ist in Frankfurt an der neuen jüdischen Friedhof begraben.
Viele fahren dahin um zu betten bei sein Grabstein.
p.s. Korrigieren Sie bitte die grammatische Fehler :)
Vielen Dank, Miriam!
AntwortenLöschenSehr gut und beeindruckend geschrieben!
Karlin-Stolin ist eigentlich die einzige von der Chassidusen, die mich wirklich innerlich bewegt und freut! :)
Obwohl ich in Basel wohne, sind die heisse chassidische Erinnerungen noch frisch!
B"H
AntwortenLöschenHallo Mordechai Tzvi,
das kommt heras, wenn man sich auf Wikipedia und Sonstiges verlaesst.:-) Danke fuer den Hinweis auf den Namen.
Seit dem letzten Chanukkah bin ich ein absolter Fan des Stoliner Tisches und ich werde diesen Mittwoch abend (Schuschan Purim) teilweise dabei sein. Neben vielen anderen Tischen in Mea Shearim.
Gibt es in Basel nichts heisses Chassidisches ? :-)
Nein, in Basel gibt's überhaupt nichts chassidisches!!
AntwortenLöschenWir haben hier zwei Gemeinden. Die eine (grosse, allgemeine - IGB)ist "weniger" religiös, und die andere (kleine - IRG)ist mehr religiös. In der IRG gibt's verschiedene Menschen - Jekkes, "Ostjuden" (polnische), russische, Sefaradim, Temanim und sogar ein Paar, die sich mit Chassidim wohl fühlen :)
ich wünsche dir und alle Jidden ein gute bedeutungsvoller Fasttag heute (es ist doch ein riesiger Tag zu Dawenen und ausbeten...)
AntwortenLöschenA freilichen Purim!!!!!!
"men soll oisbetten alles gutes!!!)
:-)
B"H
AntwortenLöschenIch kann mir ein Leben ohne all die Chassidut gar nicht mehr vorstellen und beneide niemanden, der da in Gegenden wohnt, wo diesbezueglich nicht viel los ist.:-)
Dir auch tolle Purim, Purim Samaech und hoffentlich feiert die Gemeinde ausgiebig.:-)
Hallo, Miriam!
AntwortenLöschenWir machen die Seuda morgen mit Freunden...
Am Abend macht die Gemeinde noch Tanzen und Musik und Purim-Spiel! :)
Mein junger Bruder ist ein stoliner Chosid! :) Er lernt in der stoliner Jeschiwo in Ramot!
Er bestimmt kommt zum "Schikur-Tisch" in Jerusholajim! :)
Gehe dahin übermorgen!
Viel vergnügen! :-D
B"H
AntwortenLöschenHallo Mordechai Tzvi,
soweit ich hoerte, beginnt Karlin den Tisch mit einem riesen Tanz der Chassidim. Am Mittwoch um 14.00 Uhr. Mit einer Freudin werde ich vor der Seudah bei Rabbi Mordechai Machlis kurz in Stolin vorbeischauen. Dann zur Seudah und spaeter wieder zurueck nach Mea Shearim.
Vielleicht sollte Dein Bruder auch einmal woanders vorbeischauen.:-) Die Avraham Yitzchak haben einen gewaltigen Tisch und Rebbe Kahn ist bekannt fuer seine "wilden" Tisch.
Hallo, Miriam!
AntwortenLöschenIch vielleicht hätte gerne herumgetanzt an verschiedene Tischen, und so habe ich ja gemacht als ich in E"J lernte.
Mein Bruder aber geht nirgends ausser Karlin Stolin! Er ist ein "verbrannter" richtiger Chosid vom Stoliner Rebbe - er verkauft es nie für etwas anders...
Er verbringt fast jeder Schabbos mit den Rebben in Givat Zeev oder in Jeruscholajim...!
B"H
AntwortenLöschenWaere er nicht jeden Schabbat in Givat Zeev, dann ginge er vielleicht zu anderen Tischen. Meines Erachtens nach ist es schade, dass der Rebbe nicht oefters nach Jerusalem kommt. Am Schabbat und einen Tisch abhaelt.
Obwohl ich haeufig am Erev Shabbat in die Stoliner Synagoge gehe, habe ich den Rebben erst zweimal gesehen.:-)
Ich verstehe dich. Der Rebbe kommt (wenn ich mich gut erinnere) nur 1 Mal im Monat über Schabbos nach Jerusholajim. (Schabbos Meworchim)
AntwortenLöschenMein Bruder, Simcha Shmuel, sogar wenn er in Jeruscholajim ist, geht er NUR zu der stoliner Tischen! :)
GUT PURIM!!!!
B"H
AntwortenLöschenSoviel ich hoerte, kommt der Rebbe alle paar Monate einmal nach Jerusalem.
Ich finde es nur schade fuer die Jerusalemer Stoliner. Weisst Du, ob der Rebbe auch einmal nach Bnei Brak in die Synagoge faehrt ?