Montag, April 12, 2010

Chassidischer Tisch in Toldot Aharon

B"H

Am vergangenen Schabbat war ich wieder einmal in Mea Shearim eingeladen, wo ich mittlerweile mehrere Familien unterschiedlicher chassidischer Gruppen kenne. Mit zwei Familien bin ich seit weit mehr als zehn Jahren gut befreundet und beide Familien wollen mich in "ihre haredische (ultra - orthodoxe)" Welt zurückbefördern. Ganz so wie in alten Zeiten halt und ich solle mich endlich einmal aufraffen und entscheiden. Keine Ausflüchte mehr und eine Bekannte davon schwang sich zu meiner "Mea Shearim Mutter" auf und wir telefonieren mehrmals pro Woche. Natürlich wird auch ständig das Thema "Religiös" von hinten bis vorne diskutiert.:-)

Die Mea Shearim - Welt am Freitag abend, Erev Schabbat, einem Außenstehenden zu beschreiben, ist ein Ding der Unmöglichkeit. Selbst wer sich als Tourist durch den Stadtteil bewegt, bekommt nie das mit, was er erleben würde, wäre er Mitglied der haredischen Gesellschaft oder kenne er dort die Bewohner.

Obwohl totmüde, raffte ich mich zum Schabbatessen auf und sass fast zwei Stunden nach Beginn des Schabbat in einem Mea Shearim Wohnzimmer. Vollgepackt mit Möbeln älteren Baujahres, dem traditionellen Kerzenleuchter an der Decke und weit mehr als zehn Enkelkinder liefen auf und ab.

Wer hier herumfragt, ob er Madonna oder Michael Jackson kennt, stößt auf ein überdeutliches NEIN. Kein Interesse an einer anderen weltlichen Welt, sondern allein die Thora zählt. Meine Gastgeber (Freunde) sind stolz auf ihre Kinder und Enkel. Die älteste Enkelin heiratet kurz nach Schavuot im Mai / Juni einen Chernobyler Chassid und alle sind aufgeregt, sobald das Thema "Heirat" aufkommt.

Es wird sich auf das positive Thoraleben und nicht den Klatsch drumherum konzentriert. Falls einmal jemand eingeladen wird, dann sind das Juden aus haredischen Yeshivot (Schulen) oder jene, die einmal dort lernten oder sich zumindest in der haredischen Gesellschaft bewegen / bewegten. So hält es auch die Rebbitzen der Chassidut Toldot Aharon gleich nebenan, wenn sie zum Schabbat einlädt. Normalerweise machen solche Telefonnummern in haredischen Yeshivot / Seminaren die Runde und niemals außerhalb.

Nach dem Essen und einer langen (üblichen "Religiös - Diskussion) wollte ich kurz zu einem der chassidischen Tische eines Rebben in der Nachbarschaft gehen. Bei den Toldot Avraham Yitzchak war nichts und alles duster und so versuchte ich mein Glück mit zwei israelischen Seminarmädels, die ich unterwegs traf, bei den Toldot Aharon gleich um die Ecke. Obwohl dort auch die Eingänge eher unbelebt waren, fand ein Tisch statt. Rebbe David Kahn aß gerade seine Hühnersuppe und an seinem ewig langen Tisch sowie drumherum auf den Metalltribünen hatten sich zahlreiche Chassidim versammelt. Im Verlauf der Nacht sollten es einige Hundert werden.

Auf der Frauenempore war nicht viel los, was normalerweise nicht so ist. Dann nämlich quetscht man sich im Gedränge nach vorn an die Glasmechitzah (Trennwand zu den Männern im Erdgeschoss) und steht (oder sitzt) wie eine Ölsardine da.

Ich fand einen tollen Stehplatz; hätte ich gesessen, wäre ich womöglich vor Müdigkeit eingeschlafen. Plötzlich kam eine in Weiss gekleidete Frau auf die zwei Seminargirls und mich zu. Den Frauen um uns herum hatte sie kleine weisse Zettel ausgeteilt und jetzt waren wir an der Reihe. Ich fragte sie, ob sie Tehillim (Psalmen) verteile und sie bejahte. Das Austeilen von Tehillim unter den Frauen bei chassidischen Tische ist durchaus keine Seltenheit.

Die Frau teilte Zettel mit unterschiedlichen Tehillim - Tagen und Nummern aus. Wir sollen für gekidnappte israelische Soldaten beten, meinte sie zu mir. Die Frau war kein Mitglied der Toldot Aharon und ich schätze einmal frei heraus, dass sie den Breslovern nahesteht.
Ich bekam den Freitag aufgedrückt, der mir gut passt, denn dann habe ich etwas Zeit.

Die Frau zog weiter und die Seminargirls wollten heim. Ich blieb und kurz darauf erschien die Toldot Aharon Rebbitzen. Wir kennen uns etwas, da wir schon einige Male miteinander redeten und ich einmal zu ihrem Unterricht (Schiur) erschien.

Wie ein chassidischer Tisch abläuft ?
Der Rebbe kommt herein, macht Kiddusch (Segnung des Weines) und viele Rebbes essen dann ein kleines Schabbatmahl. Dabei teilen sie immer wieder ihr Essen mit den anwesenden Chassidim, denn Essen, worüber der Rebbe einen Segen sprach, erhöht auch die Seelen der Chassidim. Deswegen wird sich stets um ein paar Brösel des Essen vom Rebben gedrängelt.

Lieder mit chassidischen Melodien werden gesungen und es kommt eine unbeschreibliche Atmosphäre auf. Jeder Rebbe pflegt seine individuellen Gewohnheiten und mir fällt es normalerweise leicht, mit den Frauen einer Gruppe ins Gespräch zu kommen. Wenn, dann stets über die Religion und das chassidische Leben. Wer kennt wen und so trifft eines auf das andere.

Um die wahre Bedeutung eines Tisches zu verstehen, sollte man sich mit der chassidischen Gesellschaft aus dem relig. Chassidismus heraus bewegen. Ansonsten schaut ein Besucher einmal hin, doch richtige Einblicke bleiben ihm fremd und verborgen.

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