Das Mischkan / Tabernakel.
Photo aus der ARTSCROLL RASCHI Kommentar: Miriam Woelke
B"H
Die Thoralesung für diesen Schabbat
Mit der Parashat Terumah gelangen wir an den Punkt, an dem G - tt Moshe die genauen Details zum Bau des Tabernakels (Mischkan) gibt. Da wird das Material genannt und wie die einzelnen Bauteile bzw. Gegenstände (Kelim) auszusehen haben. Gleichzeitig gelangt so manch einer von uns damit an den Punkt, diese Details nur zu überfliegen, denn was interessiert es mich, ob ein Teil des Mischkan aus dem Holz oder jenem Holz entstand. Befasst man sich dagegen ausgiebig mit den Kommentaren zu dieser Thoralesung, dann kommt Erstaunliches zum Vorschein. Besonders sticht einmal wieder mehr die Kabbalah hervor, welche den einzelnen Bauteilen mystische Bedeutung beimisst.
Gleich zu Beginn der Parashat Terumah beauftragt G - d Moshe, unterhalb den Israeliten eine "Terumah" durchzuführen. Das Wort TERUMAH wird im heutigen Sprachgebrauch mit SPENDE übersetzt, doch ist in der Thora eine "Opfergabe" gemeint. Jeder Israelit kann zum Bau des Mischkans beitragen, indem er eine Spende gibt. Die Chassidut Ruzhin in ihrem Buch "Ner Israel" hält einen erstaunlichen Kommentar dazu bereit. Zuerst jedoch muß angemerkt werden, dass die Mehrheit der Kommentatoren der Meinung sind, dass das Mischkan NACH dem Vergehen mit dem Goldenen Kalb (Egel HaZahav) gebaut wurde und nicht vorher, wie die Thora vielleicht reihenfolgemässig verlauten läßt. Nicht immer hält sich die Thora an historische Reihenfolgen und Abläufe und einiges mag später gelesen werden, was eigentlich vorher stattfand. Zum Beispiel lesen wir die Parashat Ki Tisa, welche vom Bau des Goldenen Kalbes handelt, bisher noch nicht, aber dennoch wird in dieser Parasha schon das Mischkan gebaut.
Reihenfolgemässig jedoch war das Goldene Kalb schon halbe Vergangenheit, aber da die Israeliten schwer gesündigt hatten, indem sie in den Götzendienst zurückverfielen, mußte ein Tikun (Reparatur der Seele) her. Kabbalistische Autoren sehen daher den Bau des Mischkan als eine Seelenreparatur für das Volk Israel. Zusätzlich repräsentieren die einzelnen Bauteile gleichzeitig die Erschaffung der Welt durch G - tt. Das Tabernakel (Mischkan) ist in sich eine eigene Welt. Das Dach steht für die Erschaffung des Himmels etc.
Aber zurück zum Kommentar des Ner Israel (Rabbi Israel von Ruzhin) zur Terumah (Opfergabe). G - tt beauftragte Moshe, den Israeliten eine Opfergabe abzuverlange, welche durchaus freiwillig war. Zumindest war die Höhe der Gabe individuell selbst zu bestimmen. Einer gab mehr, der andere konnte nur wenig geben. Aber nicht die Summe zählte, sondern die Höhe der Bereitschaft jedes Einzelnen. Mit welchen Gefühlen G - tt gegenüber gab er etwas ?
G - tt legte so hohen Wert auf den freien Willen jedes Menschen. Außerdem drückt die Terumah (Opfergabe) auch eine Art Teshuva (Umkehr zu G - tt) aus. Es ist eine Mitzwah (Thoragebot), anderen Leuten zu helfen und zu geben. Im Hebräischen nennen wir diese Gabe an Bedürftige auch Zedakah. Jeder dieser Gaben kommt gleichzeitig einer persönlichen Annäherung an G - tt gleich. Oder in anderen Worten, anhand der Erfüllung von Thorageboten kommen wir G - tt näher. Selbstverständlich geschieht dies auch durch das Gebet, doch besteht das Judentum auch aus Taten.
G - tt sagte, dass Er in dem Mischkan in ihnen (den Israeliten) "wohnen" wollte. Wie immer ist diese Aussage nicht wörtlich zu verstehen, sondern metaphorisch. G - tt lebt nirgendwo, denn Er ist und bleibt für unseren menschlichen Verstand unbegreifbar. Was Er allerdings tat war, uns die Thora in menschlicher Sprache zu geben, damit wir imstande sind, sie einigermassen zu begreifen. Daher erfolgen manchmal geradezu menschliche Charakterbeschreibungen G - ttes.
G - tt sagte, dass Er inmitten von ihnen (den Israeliten) leben wolle. Der große spanische Kabbalist, Rabbi Yosef Gikatilla (1248 - ca. 1305), kommentiert hierzu in seinem Buch "Shaarei Ora", dass G - tt nicht sagte, Er wolle in der unseren unteren Welt leben, sondern innerhalb der Israeliten. Diese Aussage steht als Beweis dafür, dass G - tt immer in unserer (den Juden) Mitte weilt. Niemals sind wir allein, was uns alle bisherigen Diasporas bewiesen. Egal, wo sich die Juden befinden, G - tt lebt immer unter ihnen.
Der derzeitige Rebbe der chassidischen Gruppe Slonim, Rabbi Shmuel Bozorowsky, sowie der Thorakommentator Rabbi Moshe Alschich kommentieren, dass G - tt nicht nur innerhalb der Israeliten in dem Mischkan lebt, sondern genauso in jedem Einzelnen von uns selbst. Jeder Jude sollte durch die Einhaltung der Thora zum wandelnden Mischkan werden.
Aber nicht nur als eigene Seelenreparatur diente das Mischkan. Der Bau allein und der Opferdienst führten laut der Chassidut zu einer absoluten Devekut, Vereinigung mit G - tt. Sobald ich etwas für G - tt tue, kommt automatisch die Lust auf, mehr zu tun.
Es gibt Hunderte von Themen, auf die man in der Parashat Terumah eingehen sollte. Ich entschloß mich für die Cheruvim (Kerubim), welche vor allem in kabbalistischer Literatur eine immense Bedeutung haben.
Der Talmud Traktat Bava Batra 99a sowie der Thorakommentator Onkelos sehen die Cheruvim als Engel in Kindergestalt. Nicht immer sind sie die braven lieblichen Engel, denn stehen sie doch auch als Wächter vor dem Eingangstor zum Paradies (Gan Eden). Und wer dort ankommen sollte, der kann genauso von ihnen zerstört bzw. nicht eingelassen werden.
Auch hier bin ich wieder gezwungen, darauf hinzuweisen, dass es sich um eine Metapher handelt. Das Paradies ist kein irdischer Ort, an dessen Tor man steht und anklopft. Viemehr handelt es sich um einen Seelenzustand. Nach dem Tode steigt die Seele auf und bekommt ihren endgültigen Platz von G - tt in der Seelenwelt zugewiesen. Entweder näher an Ihm oder weiter weg. Je nach dem Leben, welches man auf Erden führte.
Ein weiblicher und ein männlicher Cheruv standen jeweils auf dem Aron HaKodesh, der Bundeslade. Sie waren aus purem Gold und spannten ihre Flügel über die Lade. Sobald sie sich gegenüberstanden und ansahen, war das ein Zeichen dafür, dass die Juden G - ttes Gebote erfüllten und eins mit Ihm waren. Sahen sie dagegen aneinander vorbei, so zeigte dies das Gegenteil an. Die Juden hielten sich nicht an die Thora und G - tt zog seine Schechinah (Anwesenheit) etwas zurück (siehe die Kommentatoren Raschbam sowie den Maharscha). Insgesamt waren die beiden Cheruvim ein Ausdruck für G - ttes Verhältnis zu Israel, welches übrigens auch im Schir HaSchirim zum Ausdruck kommt. Schir HaSchirim scheint in den deutschen jüdischen Gemeinden nicht gerade besonders existent zu sein, denn ich habe es nie im Sidur (Gebetbuch) gefunden. In Israel dagegen liest man es vor dem eigentlichen Abendgebet (Maariv) am Erev Schabbat (Freitag Abend).
Wie bekannt verschwand mit der Zerstörung des Ersten Tempels auch die Bundeslade und damit die Cheruvim. Über den Aufenthaltsort der Lade wird auch im Talmud Yoma spekuliert, aber Genaues scheint niemand zu wissen. Einmal las ich in einer Gemara (rabbinische Diskussionen im Talmud), dass erst G - tt uns die Lade wieder zeigen wird. Manchmal im Leben kann es geschehen, dass wir vor etwas stehen und es dennoch nicht sehen. So erginge es uns auch heute mit der Bundeslade.
Und was tun wir heute ohne Mischkan oder Tempel ?
Natürlich weiterhin beten und die Mitzwot erfüllen, soweit dies eben ohne Tempel und Cohanim (Tempelpriester) möglich ist. Momentan sind wir nur in der Lage, ca. 70 der 613 Thoramitzwot auszuführen, da sich halt die meisten von ihnen auf den Tempel beziehen.
Und warum erklärt uns die Thora jedes noch so kleine Detail des Mischkans ?
Damit wir uns an Details gewöhnen, denn nur wenn wir die Mitzwot aus dem Detail heraus erfüllen, tun wir auch das Richtige. Niemand sollte alles auf die leichte Schulter nehmen, sondern sich an die Halacha halten.
"Schabbat Schalom und einen guten, erfolgreichen und gesunden neuen Monat Adar" an alle Leser !
Die Menorah
Photo aus dem ARTSCROLL RASCHI Kommentar: Miriam Woelke
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