B"H
Es war einmal wieder soweit: Erev Shabbat, Freitag Abend bei Rabbi Mordechai Machlis im Stadtteil Maalof Dafna. Eine nicht endende Menschenmenge schob sich, am Rabbi vorbei, in sein Wohnzimmer, wo viele gedeckte Tisch warteten. Schon allein der Kampf um die Tischplaetze dauert mindestens eine halbe Stunde und eh dann alle sitzen und still sind, dauert es weitere 10 Minuten. Aber dann ist es endlich soweit und es gibt den Kiddush (Segnung des Weines). Bei den Machlises besteht der Kiddush aus Weintraubensaft, denn Alkohol koennte bei dem ein oder anderen Gast zu hohe Stimmungsschwankungen hervorrufen. Flog doch schon einmal ein Tablett mit Pasteten in den Deckenventilator.
Meine Freundin und ich hatten erst gar nicht die Moeglichkeit, bei dem Gedraenge mit all unseren anderen Freunden an einem Tisch zu sitzen. Alles war ueberfuellt und wir nahmen zusammen mit einem Ehepaar am Tisch des Rabbis Platz. Dem folgte dann gleich ein Aufruhr eines sonderbaren Typen, der meinte, dass er mit keinen Frauen am Tisch sitzen wolle. Nun er schaute alles andere als haredisch aus und wir sagten zu ihm, dass er sich ja woanders hinsetzen koenne. Haette er haredisch ausgesehen, dann haetten wir anders reagiert, aber der Typ sah aus wie ein Freak, der sich wichtig machen wollte. Unser Eindruck erwies sich kurz darauf als richtig.
Aber dem nicht Genuege. Wenig spaeter nahm ein junger christl. Franzose neben mir Platz, der sogleich sein Neues Testament aufschlug und darin zu lesen begann. Bei den Machlises ist man so einiges gewohnt und da haut einen auch das NT wahrlich nicht mehr vom Hocker. Als zwischen der Huehnersuppe und dem Kugel (Pasteten) Reden gehalten wurde, mussten wir uns eh noch eine etwas verwirrte christliche Frau anhoeren, die von irgendwelchen Visionen erzaehlte. Der Rabbi sagte danach in trockenem Tonfall seine Meinung dazu und das wars. Shabbat Shalom.
Rechtzeitig genug machten wir uns auf zum chassidischen Tisch der Gruppe Toldot Aharon. Auch in der grossen Toldot Aharon Synagoge gibt es Kaempfe um die freien Plaetze und wir waren mit die ersten, die sich oben auf der Frauenempore niederliessen. Diesmal waren recht viele Gaeste dort, so eine amerik. Frauengruppe, deren Mitglieder schon ganz gespannt warteten.
Aus diversen Gruenden entschlossen wir uns nicht mehr auf den gleichen Plaetzen von letzter Woche zu sitzen. Die Frauen dort sind zwar alle sehr nett, aber wurde uns vergangene Woche alles etwas zu emotional, da sich einige mit uns unterhalten wollten und uns schon von vorherigen Malen erkannten. Es wurde uns zuviel und ich brauchte fast die ganze Woche, um mich davon zu erholen.
Ein paar Meter weiter entfernt setzten wir uns inmitten junger Toldot Aharon Frauen. Rebbe David Kahn begann um 23.30 Uhr puenktlich seinen Tisch und im Erdgeschoss warteten schon einige Hundert Chassidim auf ihn. Oben auf der Frauenempore ging es recht unruhig zu denn die jungen Frauen um uns herum schnatterten alle drauflos. Sie erzaehlten sich gegenseitig von ihren Kindern und gaben sich Kochtipps. Vielleicht sollte ich einmal nach einem guten Rezept fragen und es dann hier in den Blog stellen.
Da ich ganz gut Yiddish verstehe, kann ich den meisten Gespraechen so einigermassen folgen. Die Toldot Aharon haben ihren Ursprung in Ungarn und das ungarische Yiddish ist komplizierter zu verstehen wie das litauische. Wenn die Frauen ganz schnell drauflosreden, bin ich oft verloren. Aber Freitag Abend kam ich ganz zu mit, was einen grossen Vorteil mit sich brachte; ich verstand die Aufregung um eine ganz junge Frau. Alle waren voellig begeistert und gingen auf die Frau, vielleicht sollte ich eher knapp 18 - jaehriges Maedchen sagen, zu. Diese trug ein grau - schwarz - weisses Kostuem und war ueberschwenglich gluecklich. Sie war die Koenigin der Nacht, denn alles drehte sich nur um sie, hatte sie doch erst vor wenigen Tagen geheiratet. Nun stuermte alles auf sie zu und wuenschte "MAZAL TOV".
In unserer Tisch - Zeit haben wir schon einige junge frisch verheiratete Frauen gesehen, die allerdings nicht so gluecklich aussahen. Ueber die Gruende koennen wir freilich nur spekulieren.
In den streng chassidischen Kreisen, Toldot Aharon eingeschloessen, ist eine Hochzeit nicht leicht zu organisieren. Da muss zuerst einmal ein Paar her und die werden zusammenvermittelt. Zukuenftige Braut und Braeutigam treffen sich vorher wenige Male, sind aber nie allein, sondern meistens im Wohnzimmer einer der Eltern. Wie kann man sich da schon gross kennen lernen ? Ein 18 - jaehriger, der nie mit Frauen sprach und eine 18 - jaehrige, die genauso wenig mit Maennern sprach. Aus Anstandsgruenden, versteht sich.
Und nun heiraten die beiden und seien wir einmal alle ehrlich, an die Hochzeitsnacht muss auch gedacht werden. Ploetzlich muss man da mit einem Ehepartner ins Bett, den man gar nicht kennt. Ich koennte das nicht, aber ich akzeptiere alle anderen Meinungen. Bei Toldot Aharon kommt noch hinzu, dass der Frau ein oder zwei Tage nach der Hochzeit die Haare vom Kopf geschoren werden, was ich mir furchtbar vorstelle. Andererseits ist dies ein alter ungarisch - chassidischer Brauch und die Maedchen werden ein ganzes Leben darauf vorbereitet und wissen, was sie erwartet. Nichtsdestotrotz kann ich mir vorstellen, dass dies auf die ein oder andere schon eine Schockwirkung hat.
Jedoch nicht auf die besagte junge Frau mit dem Kostuem. Sie hatte keine Haare mehr und trug die am Shabbat uebliche weisse Yasameh, eine weisse Kopfbedeckung. Und nun kam etwas, was ich mir bei Toldot Aharon nie haette vorstellen koennen. Andere junge und ledige Maedels gingen auf ihre frisch vermaehlte Freundin zu und fragten sie ganz ungeniert, wie denn das jetzt so sei, verheiratet und so. Und ob das Haarescheren schlimm war und jetzt die Kopfbedeckung nicht auf der Kopfhaut jucke.
Ich fiel fast vom Sitz und traute meinen Ohren nicht. Die Maedels dachten alle, wir verstehen kein Yiddish und plapperten froehlich drauflos. Die frisch Vermaehlte im Kostuem laechelte nur und gab allen ausfuehrlichst Auskunft. Nee, das sei schon alles okay gewesen und sie ist so gluecklich. Die anderen Maedels schauten sie gebannt an und wollten immer mehr wissen.
Eines war uns klar, saemtliche Maedels warten nur darauf zu heiraten und Kinder zu bekommen. Nichts war zu sehen vom grossen Feminismus unserer Welt. Freitag Nacht herrschte bei Toldot Aharon die Familienidylle, was sehr interessant mitanzusehen war. Es gibt sowas also doch noch.
Natuerlich ist hinterher nicht jeder so gluecklich und euphorisch wie dieses Maedchen und ich werde noch in Erfahrung bringen, wie die anderen Faelle mit ihrem Schicksal umgehen. Ob es ueberhaupt einen Ausweg gibt, denn bei denjenigen Haredim, die ich kenne, wird bei Ehestreitigkeiten fast immer eine Schwangerschaft empfohlen. Dann bekommt man ein gemeinsames Ziel und von Scheidung ist keine Rede mehr.
Da ich mich sehr fuer die chassidische Gesellschaft, sprich die Soziologie, interessiere, war der letzte Freitag Abend sehr lehrreich fuer mich. Noch nie zuvor sah ich so junge Frauen / Maedels so euphorisch ueber das Thema Ehe reden sehen, wobei ihnen doch gleichzeitig das "Negative" bekannt ist. Jedenfalls sahen wir Freitag niemanden, dem das groessere Probleme zu bereiten schien. Vielleicht sollten wir zum naechsten Tisch Alice Schwarzer mitnehmen, damit sie einmal eine intakte Familienidylle sieht.
Auf alle Faelle der jungen Braut nochmals MAZAL TOV !!!
Sonntag, September 02, 2007
Abonnieren
Kommentare zum Post (Atom)
"Und nun heiraten die beiden und seien wir einmal alle ehrlich, an die Hochzeitsnacht muss auch gedacht werden. Ploetzlich muss man da mit einem Ehepartner ins Bett, den man gar nicht kennt."
AntwortenLöschenMeine Frage ist etwas "indiskret", aber es interessiert mich wirklich: Unter Moslems gibt es den Brauch, dass das blutige Bettlaken nach der Hochzeitsnacht den Verwandten "vorgeführt" wird, um zu "beweisen", dass die Braut vor ihrer Heirat Jungfrau war. Wird diese Sitte unter Chassidim (oder anderen orthodoxen Juden) auch praktiziert?
B"H
AntwortenLöschenDas mit der Hochzeitsnacht geht mir persoenlich auch gegen den Strich. Ich jedenfalls koennte das nicht, aber wer so aufgewachsen bzw. erzogen worden ist, dem macht das vielleicht weniger aus. Ausserdem hoerte ich, dass nach all den Jahren der Separation von Maennlein und Weiblein die Geschlechter direkt neugierig aufeinander sind.
Nur so eine weitere Idee und dient vielleicht der Rechtfertigung.
Es wird von solch einem Bettlakenbrauch geredet; zumindest in super strengen chassidischen Kreisen. Ob dem tatsaechlich so ist, weiss ich nicht.
Was jedoch vor der Hochzeit getan wird, sind die bekannten DNA - Tests. Dort wird festgestellt, ob in einer der Familien Erbkrankheiten vorhanden sind.
"Das mit der Hochzeitsnacht geht mir persoenlich auch gegen den Strich."
AntwortenLöschenWas meinst du damit konkret? Dass Sex vor der Ehe verboten ist? Aber das gilt doch für alle Religiösen, oder?
"Ich jedenfalls koennte das nicht"
Ich höchstwahrscheinlich auch nicht, allerdings bin ich nicht religiös, wenngleich am orthodoxen Judentum interessiert, wie man sieht :-).
B"H
AntwortenLöschenSex vor der Ehe ist verboten. Leger ausgedrueckt sage ich einmal, dass viele Relig. das Thema dennoch etwas lockerer angehen. Ich kann dazu keine Statistiken aufstellen, welche Gruppe am meisten Sex vor der Ehe hat, denn dies ist eine reine Privatangelegenheit.
Vor einigen Monaten berichtete eine israel. Tageszeitung einmal ueber die nationalrelig. Gesellschaft und dazu hiess es, dass recht viele von ihnen Sex vor der Ehe haben. In haredischen Kreise ist dies sicher etwas seltener der Fall, kann jedoch niemals ausgeschlossen werden.
Man kann orthod. sein und dennoch Sex vor der Ehe haben. Ausserdem durchlaeuft nicht jeder Orthodoxer das "Schidduch - System" (relig. und anstaendige Blind Dates).
Trotz orthod. - fuer mich waere es nichts.