Montag, September 17, 2007

Kol Nidre - das missverstandene Gebet

B"H

Kurz nach Beginn des hoechsten juedischen Feiertages Yom Kippur wird weltweit in den Synagogen das KOL NIDRE gesprochen. Bei dem Kol Nidre handelt es sich um kein Gebet, sondern ein Zitat mit einer jahrhunderte alten herzzerreissenden Melodie. In der Regel wird es vor dem Sonnenuntergang und somit vor dem Abendgebet Maariv gesagt.

Der Kol Nidre Service leitet den langen Yom Kippur G – ttesdienst ein und ist einer der Hoehepunkte an diesem Feiertag. Der Thoraschrein (Aron HaKodesh) wird geoeffnet und drei Thorarollen werden herausgenommen und auf die Bimah, den Tisch vor dem Thoraschrein, gelegt. Der sogenannte Shaliach Zibur nimmt eine der Rollen in seinen Arm und die zwei weiteren Rollen bekommt je ein geachtetes Gemeindemitglied. Es ist Brauch, dass die Maenner einen Tallit (Gebetsmantel) bei dieser Zeremonie tragen. Der Shaliach Zibur ist in der heutigen Zeit meistens ein Rabbiner dessen Aufgabe darin besteht, das Kol Nidre vor dem offenen Thoraschrein dreimal vorzutragen.

Die Geschichte des Kol Nidre ist bis hin in die "Responsa der Geonim" (ca. 800 – 1000 nach Beginn der Zeitrechnung) zurueckzuverfolgen. Der Inhalt des Kol Nidre besteht aus einer Annullierung von Schwueren und Versprechen, welche man im folgenden Jahr (bis zum naechsten Neujahrsfest Rosh HaShana) eingehen koennte.

Der beruehmte Jerusalemer Chabad – Rabbiner, Rabbi Adin Steinsaltz, schreibt dazu in seinem Buch "A Guide to Jewish Prayer", dass diese Zeremonie eine emotionale Befreiung fuer einen jeden Anwesenden darstellt. Das Kol Nidre hat eine tiefe emotionale Bedeutung anhanddessen wir unsere Seele auf einen hoeheren Level bewegen und einen inneren Frieden fuer den Yom Kippur selbst herstellen.

Bei meinen Recherchen zu dem Thema musste ich einmal wieder umso mehr feststellen, dass es schon zu fruehester Zeit christlichen Widerstand gegen das Kol Nidre gab. Nicht zum ersten Mal hatte man ein juedisches Ritual voellig missinterpraetiert. Uebrigens sind auch heute noch diverse christliche Hetzsites im Internet zu lesen, wo es heisst, dass Christen die besseren Geschaeftspartner und ueberhaupt verlaesslicher seien. Schliesslich wuerden die Juden nur oberflaechlich Versprechungen eingehen und waeren danach in keinster Weise verpflichtet, diese einzuhalten, denn sie haetten ja das Kol Nidre. Mit diesen Worten begann schon der Hasszug im Mittelalter und hat sich bis heute aufrechterhalten.

Warum sagen wir das Kol Nidre ?
Besonders veraergerte Menschen sagen oft Dinge, die sie hinterher bereuen oder sie nach dem Zornesausbruch sofort vergessen. G – tt allerdings vergisst keine solcher Schwuere, auch wenn sie einem bloss unabsichtlich ueber die Lippen kamen (Beispiel: "Wenn Du nicht das und das machst, dann rede ich nicht mehr mit Dir).
Aus dem Grund annullieren wir von vornherein all unsere faelschlich ausgesprochenen Versprechungen und G – tt kann in einem Urteilsfalle nichts gegen uns verwenden. Mit Geschaeftsgebaren etc. hat das Kol Nidre nichts zu tun.

Das Kol Nidre ist kein Einzelfall, denn ebenso kam es im Mittelalter von christlicher Seite aus schon zur Hetze gegen das juedische Aleinu – Gebet, worauf ich spaeter eingehen werde.


Avraham Fried singt KOL NIDRE.

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