Dienstag, September 04, 2007

Rosh HaShana Teil 1: Das Schofar

B"H

Wer frueh morgens an den Synagogen in aller Welt vorbeigeht oder sich an der Kotel (Klagemauer) befindet, der hoert waehrend des Morgengebetes Shacharit seltsame Klaenge aus einem Horn. Ein Aussenstehender mag sich ueber die Maenner wundern, die in Hoerner blasen und so fremde Klaenge erzeugen.

Beim dem Schofar handelt es sich ueberwiegend um ein Widderhorn, welches seit dem Beginn des Monat Elul vor ein paar Wochen beim Morgengebet geblasen wird. Der Shulchan Aruch - Orach Chaim - Hilchot Rosh HaShana 581 lehrt, dass es Gemeinden gibt, in denen das Schofar auch nach dem Abendgebet Maariv geblasen wird.

Das juedische Neujahrsfest Rosh HaShana ist nicht ausdruecklich in der Thora erwaehnt. In Sefer BaMidbar 29:1 (Book of Numbers, Numeri) heisst es lediglich: "Und im siebten Monat, an dessen ersten Tag, sollt ihr einen heiligen Tag haben, an dem ihr nicht arbeitet; es ist ein Tag an dem das Teruah zu hoeren sein soll". In der Thora heisst es ganz simpel: It is a Day of Sounding.
Teruah ist einer der drei Toene, die wir mit dem Shofar erzeugen. Jeder der drei Toene steht fuer unterschiedliche Namen G - ttes. Bei den anderen beiden Toenen handelt es sich um Tekiah und Shevarim.

Einfach so ein Widderhorn nehmen und hineinblasen funktioniert im Judentum nicht. Jeder, der das Schofar blaest, erzeugt diese drei Toene in einer vorgeschriebenen Reihenfolge und Anzahl. Insgesamt werden an beiden Tagen von Rosh HaShana waehrend des Morgengebetes Shacharit 100 Toene erzeugt. Es ist unueblich, das Schofar am Abend von Rosh HaShana zu blasen (Shaarei HaMoadim - Chabad).

Das erste Mal findet das Schofarblasen gleich nach der Thoralesung statt und zum zweiten Mal waehrend des gleich anschliessenden Mussafgebetes. Normalwerweise ist es ueblich, dass wir waehrend des Schofarblasens stehen, dennoch ist es nicht ausdruecklich verboten, sich hinzusetzen.
Es ist verboten, waehrend des Schofarblasens zu sprechen und jeder soll sich so gut wie moeglich auf die erklingenden Toene konzentrieren. Im Buch Pro Etz Chaim (die Lehren des grossen Kabbalisten Rabbi Yitzchak Luria) heisst es, dass unsere weltlich erzeugten Toene sich mit den Toenen in der oberen Welt vereinigen und so die Gnade G - ttes erwecken.

Und genau darum geht es am Rosh HaShana (Neujahsfest). Jeder einzelne von uns steht vor G - ttes Thron und muss Rechenschaft fuer seine Taten ablegen. Anhand der Schofartoene sollen wir zur Umkehr aufgerufen werden. Die Toene sind so eindringlich, dass sie uns das Herz zerreissen und uns zur Umkehr bewegen (Rabbi Shlomo Kluger in Kehilat Yaakov).

Aber nicht nur fuer die Umkehr steht das Schofar. Genauso sollen dessen Toene uns an den Erhalt der Thora erinnern und uns zugleich das Kommen des Meschiach ins Bewusstsein rufen. Rosh HaShana ist ein Tag, an dem die ganze Welt G - tt als den einzig wahren Koenig anerkennen soll, denn Er hat die Welt und uns alle erschaffen.

Ein weiterer wichtiger Punkt ist, dass wir an die "Akeidat Yitzchak - die Opferung des Yitzchak durch Avraham (siehe Genesis - Vayeira) erinnert werden.
G - tt hatte Avraham einen Test aufgegeben; er solle seinen Sohn Yitzchak opfern, was Avraham aus Liebe zu G - tt sofort ausfuehren wollte. Fuer G - tt war dies nur ein Test zu pruefen, ob Avraham es wirklich ehrlich mit der Liebe G - ttes meint. Niemals hatte G - tt die Absicht, den Yitzchak wirklich opfern lassen zu wollen, denn im Judentum ist jegliche Art von Menschenopfer laut Thora verboten.
Als Avraham auf dem Tempelberg (Har HaMoriah) zur Tat schritt, griff G - tt sofort ein und statt des Yitzchak wurde ein Widder geopfert. An Rosh HaShana wollen wir G - ttes Gnade, die er Avraham auf dem Tempelberg zeigte, wiedererwecken und deshalb benutzen wir an Rosh haShana ueberwiegend ein Widderhorn (siehe die Gemara im Talmud Traktat Rosh HaShana 16a).

Jeder der drei unterschiedlichen Schofartoene repraesentiert laut dem kabbalistischen Buch Shushan Sodot entweder G - ttes Gnade (Rachamim) oder sein Richten (Din): Der Tekiah - Sound steht fuer die Gnade und Shevarim sowie Teruah stehen fuer Sein Urteil (Din).

Im Shulchan Aruch - Orach Chaim - Hilchot Rosh HaShana finden wir noch weitere zusaetzliche Halachot (Gesetze) zum Thema "Schofar".

Paragraph 589: Zum Beispiel darf das Schofar auch von Frauen geblasen werden.

Paragraph 585: Das Hoeren des Schofar ist die wichtigste Mitzwa an Rosh HaShana (siehe auch Talmud Rosh HaShana 34b), denn es ist eine biblische Verpflichtung (Deoraita). Vor dem Schofarblasen sagen wir einen speziellen Segen.

Paragraph 586: Ein Schofar muss koscher sein, heisst, es darf keine Schaeden wie Risse etc. aufweisen.

Sollte der erste Tage von Rosh HaShana auf einen Shabbat fallen, so wird das Schofar erst am zweiten Tag geblasen, da es am Shabbat selbst Muktze ist. Frueher zu Tempelzeiten war es ueblich, dass Schofar auch am Shabbat zu blasen, aber nur INNERHALB der Tempelmauern.

Der Koznitzer Maggid, Rabbi Israel Hofstein, schreibt, dass sobald das Schofar geblasen wird, G - tt unsere Umkehr sieht und uns mit Gnade richten wird.

Mein persoenlichen Erfahrungen vom Schofarblasen sind immer sehr emotional. Der Sound des Schofars ruft tatsaechlich in jemandem zur Umkehr auf, vor allem, nachdem man schon einige Zeit das intensive Shacharit hinter sich hat. Religioese oder Nichtreligioese, alles lauschte still in der Synagoge dem Schofar.

Als ich noch bei Chabad lernte, gab dort ein Rabbiner eine ganz besondere Party vor dem Neujahrsfest. Wir alle sollten unser eigenes Schofar anfertigen. Ein zweiter Rabbi kam mit ganz frischen Widderhoernern und jeder von uns saegte sein eigenes Schofar zurecht und schliff es hinterher. Meines von damals habe ich immer noch, doch gelang es mir bisher kaum, auch nur irgendwelche gute Toene herauszubekommen.

Fuer Interessierte faellt mir noch eine spezielle Halacha ein. Als ich im Buero von Rabbinern, die Experten in der Halacha (Poskim) waren, arbeitete, bekamen wir folgende Frage zugesandt:

Was passiert, wenn jemand taub ist oder ein Hoehrgeraet benutzt ? Darf er es an Rosh HaShana anstellen, um so das Schofar hoeren zu koennen ?

Die halachische Antwort lautete, dass er es nicht anstellen darf, aber er sich unbedingt nicht weit vom Schofar plazieren muss, um die Toene wenigstens etwas hoeren zu koennen. Im Fall, dass jemand ganz taub ist, muss er sich genauso vor das Schofar stellen, um die Mitzwa zu erfuellen. Selbst wenn er absolut nichts hoert, hat er zumindest neben dem Schofar gestanden.


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