Donnerstag, September 06, 2007

Parashat Netzavim - VaYeilech

B"H

Die Thoralesung fuer diesen Shabbat

Dieser Shabbat ist der Shabbat vor Rosh HaShana und in beiden Parshot, welche wir in den Synagogen lesen, ruft uns G - tt erneut zur Einhaltung Seiner Thora auf.
"Ihr steht heute alle vor HaShem Elokeichem (vor Eurem G - tt)….", mit diesem Satz beginnt die Parashat Netzavim. Auch in diesem Satz finden wir die Erwaehnung zweier Namen G - ttes, welche zum einen den guetigen vergebenden G - tt, aber zum zweiten auch den richtenden G - tt darstellen.

Am letzten Tag seines Lebens versammelte Moshe nochmals alle Staemme vor sich, um alle an den Bund mit G - tt zu erinnern. Netzavim wird immer vor Rosh haShana gelesen, denn nicht nur damals zu Moshes Zeiten standen die Juden vor G - tt, sondern wir tun dies heute genauso (Beer Moshe). Das "Heute" in der Thora bedeutet nicht nur das "Heute" in der Vergangenheit. Die Thora ist bis in alle Ewigkeiten gueltig und somit hat alles auch einen Bezug auf uns. Wie damals die Israeliten, so werden auch wir an Rosh HaShana vor G - tt stehen und ueber unsere Taten des letzten Jahre Rechenschaft ablegen muessen.

Nicht nur jene Juden, die damals persoenlich vor Ihm standen, gingen den Bund mit Ihm ein und verpflichteten sich zur Einhaltung der Thora. In Netzavim heisst es ebenso, dass jene nachfolgenden Generationen, die nicht persoenlich anwesend waren, sich gleichzeitig zur Einhaltung des Bundes verpflichten.
Der Thorakommentator Sforno legt die Bedeutung des Satzes so aus, dass die Aelteren verpflichtet sind, ihre Kinder zu unterrichten. Die Zukunft des Judentums haengt immer von der juedischen Bildung ab. Schon im fruehen Alter soll einem Kind Thoraunterricht erteilt werden. Wenn Juden eine neue Gemeinde gruenden, dann wird noch vor der Synagoge eine Schule fuer die Kinder gebaut. Es ist aeusserst wichtig, dass ein Kind von kleinauf das Judentum erlernt und sich so der Rolle seiner juedischen Identitaet bewusst wird.

Die Gemara im Talmud Traktat Niddah 30b lehrt, dass wir alle vor unserer Geburt als Embryo die Thora im Mutterleib gelehrt bekommen. Sobald aber ein Baby das Licht der Welt erblickt, kommt ein Engel und gibt, bildlich gesprochen, dem Baby einen Klapps auf den Mund, was zur Folge hat, dass das Baby nach der Geburt die gesamte Thora wieder vergisst. Die Lebensaufgabe besteht dann darin, sie wieder neu zu erlernen.

Ich kenne viele religioese Familien mit kleinen Kindern, wo Dreijaehrige schon in der Lage sind, saemtliche Segen vor und nach dem Essen zu sprechen. Die Kinder sehen vor und nach dem Essen die Eltern und Geschwister beten und wollen ihnen sogleich alles nachmachen. Solche Kinder wissen gar nicht, was sie fuer ein Glueck haben, religioes aufzuwachsen. Andere, die erst im spaeteren Verlauf ihres Lebens religioes werden, haben da mit ganz anderen Schwierigkeiten zu kaempfen. Zuerst muessen die Segen und alle halachischen Details gelernt werden. Dazu kommt noch das Thora - und ggf. das Talmudstudium. Viele Kinder wissen daher in jungem Alter schon mehr als so manch Erwachsener.

Die Gemara im Talmud Traktat Shabbat 146a wirft eine interessante Frage auf: Was ist eigentlich mit den Konvertiten zum Judentum, die nicht am Berg Sinai gestanden und die Thora erhalten haben ?
Die gleich anschliessende Antwort lautet, dass diese zwar nicht persoenlich anwesend waren, dennoch aber ihr "Mazal" dort war. Ein "Mazal" ist an dieser Stelle ein persoenlicher Engel eines jeden, der die Person beim Himmlischen Gericht vertritt. Die Person war selber nicht dort, doch ein Engel hat sie sozusagen vertreten.

Und wieder warnt uns die Thora vor dem Goetzendienst. Nach der Ueberquerung des Jordan und der Einnahme des Landes soll man sich keinesfalls anderen G - ttern zuwenden. Immer und immer wieder wiederholt G - tt dieses Verbot in Seiner Thora. Kein Gesetzesbruch wird von Ihm so streng geahndet wie der Goetzendienst. Die Thora verpflichtet uns, nur an Ihn zu glauben und uns nicht von unserer Umwelt von anderen fremden Ideen oder falschen Thorainterpretationen verleiten zu lassen.

"Wenn Ihr die Mitzwot (Gesetze) einhaltet, dann bleibt ihr in dem Land, welches Ich euch gegeben habe und wenn nicht, dann wird Mein Zorn auf euch lasten und ihr werdet das Land verlieren, in die Diaspora gehen, wo fremde Voelker ueber euch herrschen. Wenn ihr jedoch Busse tut (Teshuva) und die Mitzwot einhaltet, dann werde Ich Gnade zeigen und euch wieder in euer Land zurueckfuehren".
Aus diesen Saetzen lernen wir, dass G - tt selbst in der Diaspora immer bei uns sein wird und uns niemals verlaesst. Rabbi Shimon bar Yochai sagte: "Kommt und seht wie sehr G - tt die Israeliten liebt ! Wo immer sie sich auch in der Diaspora befinden, G - ttes Anwesenheit (Shechinah) ist immer mit ihnen. Und G - tt wird sie aus der Diaspora zurueck nach Israel fuehren" (siehe Talmud Megillah 29a).
Zu Zeiten der zwei Tempel, war G - ttes Anwesenheit (Shechinah) fuer alle deutlich spuerbar. Vor allem zu Zeiten des Ersten Tempels waren allerlei Wunder fuer jedermann sichtbar. Nach den Zerstoerungen ist das nicht mehr der Fall und G - tt hat sich etwas weiter von der Welt zurueckgezogen. Ganz verlassen aber tut Er uns nie. Durch den sogenannten TIKUN OLAM, eine Reparation der eigenen Seele und der Welt durch die Erfuellung der Mitzwot, sind wir jederzeit in der Lage, den jetzigen Zustand zum Positiven zu veraendern. Viele sehen die Gruendung des Staates Israel schon als Einleitung zum hoffentlich baldigen perfekten Tikun Olam und der Ankunft des Meschiach.

Jederzeit koennen wir zu G - tt umkehren (Teshuva machen) und nicht nur an Rosh HaShana. Allerdings ist Er im Monat Elul und in der Zeit bis Yom Kippur besser fuer uns erreichbar als zu anderen Zeiten. An Rosh HaShana beten wir im Morgengebet Shacharit das Gebet "HaMelech", in dem wir G - tt zu unserem Koenig kroenen.
In "HaMelech" heisst es metaphorisch, dass G - tt auf Seinem Thron sitzt und uns richtet. Woertlich zu nehmen ist dies nicht und "sitzen" heisst, dass G - tt sich zu uns "niederbeugt" bzw. "herablaesst" und so unseren Gebeten naeher entgegenkommt und sie erhoert. Wann immer die Juden sich mit ihren Gebeten an G - tt wenden, ist Er nahe bei ihnen erhoert sie. Unsere Gebet haben die Macht, jegliches negatives G- ttesurteil in etwas Positives umzuwandeln. So auch an Rosh HaShana (siehe Talmud Rosh HaShana 18a).

In Parashat VaYeilech findet das Hakhel Erwaehnung, welches alle sieben Jahren und ein Jahr nach dem Shemittah - Jahr am ersten Tag des Chol HaMoed Sukkot (der erste Zwischenfeiertag des Laubuettenfestes) gelesen wird. Hierbei wird das gesamte Buch Deutoronomy (Sefer Devarim) gelesen. Frueher las es der Koenig dem jued. Volk im Tempel vor und heute findet die Hakhel - Zeremonie vor der Klagemauer statt. Beim letzten Mal im Jahre 2001 war ich anwesend und es war ein ueberwaeltigendes Ereignis. Nachgebaute Trompeten aus dem Tempel wurden geblasen und leiteten die Zeremonie ein. Danach lasen abwechselnd sephardische und ashkenazische Rabbiner die Thoraabschnitte vor. Der Platz vor der Kotel (Klagemauer) war komplett ueberfuellt und jeder wollte dabeisein.

Im uebernaechsten Jahr werden wir einer neuen Hakhel - Zeremonie beiwohnen koennen. Im kommenden Jahr, welches am naechsten Mittwoch Abend beginnt (Rosh HaShana) werden wir ein Shemittah genauso wie ein Schaltjahr haben.

Noch ein kleiner Hinweis zu Rosh HaShana:
Es reicht nicht aus, dass wir auf intellektueller Basis wissen, dass es einen G - tt gibt. Die Mitzwot und Gebete sollen nicht nur intellektuell ausgefuehrt werden, sondern auch emotional. Nur, wenn alles vom Herzen kommt, kann es zu einer wirklichen Teshuva (Teshuva) kommen.

An den Feiertagen, vor allem am Yom Kippur, werden wir mit Synagogengaengen und Gebeten nur so ueberflutet. In dem Moment, in dem wir inmitten des Gebets nachdenken und es intellektuell analysieren wollen, verlieren wir total den Faden. Wir denken nach und nichts kommt mehr vom Herzen. Aber es ist aeusserst wichtig, dass das Gebet vom Herzen kommt und daher sollte der Gebetsinhalt vielleicht spaeter daheim intellektuell analysiert werden.
Im vergangenen Jahr wurden wir in der Synagoge darauf aufmerksam gemacht und ich glaube, der Tipp hat vielen Leuten, einschliesslich mir selbst, geholfen.

Die Haftarah (Lesung aus den Propheten nach der Thoralesung) wird aus Yeshayahu (Jesaja) 61:10 - 63:9 gelesen. Auch in ihr geht es um Teshuva und darum, dass G - tt Sein Volk wieder zurueckfuehren wird.

Ausserdem beginnen wir Ashkenazim in der Nacht von Samstag auf Sonntag mit den Selichot - Gebeten vor Rosh HaShana. Die Selichot sollten zwischen Mitternacht und dem Morgengebet Shacharit gebetet werden. Ratsam ist es, eine Stunde nach Mitternacht zu beginnen.

Shabbat Shalom

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